Hans Woller liefert in diesem beeindruckenden Buch die erste wissenschaftlich fundierte Gesamtdarstellung der Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert und macht dessen Gegenwart in ganz neuer Weise verständlich. Italien, als Nationalstaat wie Deutschland eine Spätgeburt, war um 1900 ein bitter armer Agrarstaat, den die Industrialisierung noch kaum berührt hatte. 100 Jahre später zählt das Land zu den führenden Industriestaaten mit einem Wohlstandsniveau, das in manchen Regionen weit über dem europäischen Mittel liegt. Der Weg in die Industriemoderne war steinig: Er führte über eine totalitäre Diktatur, die das Land an der Seite Hitlers in den Zweiten Weltkrieg verwickelte, über einen blutigen Bürger- und Klassenkrieg schließlich in eine stets prekäre Demokratie. Ihm lag ein spezifisches «Modell Italien» zugrunde, das durch staatliche Förderung von Schlüsselindustrien und große Staatsholdings geprägt war. Beobachter sprachen daher von der «größten realexistierenden Staatswirtschaft der westlichen Welt». Nach dem Fall der Berliner Mauer implodierte das alte System und hinterließ Raum für den Aufstieg von Silvio Berlusconi. Hans Woller zeichnet diese atemberaubende Entwicklung nach und holt Italien, das vielen so exotisch scheinende Land, in die europäische Normalität zurück.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nüchternheit und Ausgewogenheit sind die wesentlichen Tugenden, mittels deren es Hans Woller laut Volker Breidecker auf Anhieb gelingt, seine "Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert" zum Standardwerk zu veredeln. Breidecker liest sich durch flüssig-elegant geschriebene, chronologisch geordnete Historie und wird zuweilen sogar von Schauern echter Spannung ereilt. Dass Woller nebenher mit gängigen Verharmlosungen betreffend das Land der Zitronen (etwa in der Frage der Rassenpolitik) aufräumt, dankt Breidecker ihm. Dann allerdings, wir befinden uns nach Abhandlung des "Modells Italien" nun in der Gegenwart und in Berlusconis Bananenrepublik, verlässt Breidecker die Freude. Wie ein klarer Kopf wie der Autor die täglichen Verfassungsbrüche in Silvioland derart blauäugig als heilsame Klärung politischer Verhältnisse betrachten kann, ist ihm ein Rätsel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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