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Jürgen Theobaldy hat eine Sammlung locker verknüpfter Kurzgeschichten, Anekdoten, Berichte und Kürzestnovellen eines namenlosen, in Bern seine Tage zubringenden Ich-Erzählers geschrieben. Aufmerksam für alltägliche, skurrile bis beklemmende Vorfälle in der Bundesstadt, nimmt er auch die höhere Wahrheit des frei Erfundenen, gar Erträumten in Anspruch oder schweift mal auf ferne Kontinente aus, schliesslich geht es nicht um Heimatliteratur.

Produktbeschreibung
Jürgen Theobaldy hat eine Sammlung locker verknüpfter Kurzgeschichten, Anekdoten, Berichte und Kürzestnovellen eines namenlosen, in Bern seine Tage zubringenden Ich-Erzählers geschrieben. Aufmerksam für alltägliche, skurrile bis beklemmende Vorfälle in der Bundesstadt, nimmt er auch die höhere Wahrheit des frei Erfundenen, gar Erträumten in Anspruch oder schweift mal auf ferne Kontinente aus, schliesslich geht es nicht um Heimatliteratur.
Autorenporträt
Jürgen Theobaldy, geboren 1944 in Straßburg, lebte nach verschiedenen Jobs und Studien in Mannheim, Freiburg, Heidelberg, Köln und Berlin (West), ist seit 1984 in der Schweiz und wohnt in Ostermundigen. Sein erster Gedichtband "Sperrsitz" erschien 1973 in Köln, sein erster Roman "Sonntags Kino" 1978 in Berlin. Seitdem hat er vier weitere Romane veröffentlicht, zuletzt "Rückvergütung" 2015, dazu über ein Dutzend Gedichtbände, zuletzt "Auf dem unberührten Tisch" 2019. Die Literarische Kommission der Stadt Bern hat ihm 2006 den Literaturpreis für sein Gesamtwerk verliehen. GESCHICHTEN IM VORÜBERGEHEN sind das erste Werk von Jürgen Theobaldy im verlag die brotsuppe.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Für Hans Christoph Buch spiegelt sich in der eidgenössischen Provinz in den hier versammelten Geschichten Jürgen Theobaldys die ganze Welt wider. Als Bilanz von Theobaldys Schreiben strahlen die Texte über dräuende Schweizer Wohlanständigkeit laut Buch "unangestrengte Gelassenheit" aus. Der Reiz dieser Erzählungen lässt sich Buch zufolge nicht leicht auf einen Punkt bringen, aber er liest sie mit Begeisterung, scheinen sie ihm doch ein bisschen von der Kellerschen Novellistik zu enthalten, ein bisschen von der Melancholie eines Robert Walser, ein bisschen Johann Peter Hebel, ein bisschen Krimi, ein bisschen Parabelhaftes. Ein Fazit, eine Moral oder auch nur eine witzige Pointe soll der Leser gar nicht erst in ihnen suchen, rät Buch. Der Leser wird auf sich selbst zurückgeworfen, stellt er fest.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2020

Alter Wilder in neuem Stil
Der unbestechliche Beobachter Jürgen Theobaldy

Jürgen Theobaldy gehört mit Nicolas Born und Rolf Dieter Brinkmann zu den Dichtern der Neuen Subjektivität. In den siebziger Jahren haben er und seine Freunde Lyrik nicht nur für ihre Generation der Achtundsechziger wieder lebendig gemacht, sie wurden eine deutsche Variante der amerikanischen Wilden um Alan Ginsberg. Ihre Bücher waren Kult. Seitdem ist es stiller um sie geworden. Und einige von ihnen sind auch schon fast vergessen.

Theobaldy nicht. Er versuchte sich in anderen Genres, schrieb auch Romane und Kurzgeschichten, übersetzte Haikus und probierte sich aus. Aber seine Bücher kamen nun in kleineren Verlagen heraus und erreichten keine hohen Auflagen mehr. Er wurde ein nachdenklicher Chronist, der nach wie vor mit akribischer Sorgfalt Wirklichkeit beschrieb. Dem Rückzug in die Schweiz, wo er seit 1984 in der Nähe von Bern wohnt, entsprechen auch seine jüngsten Texte. In der neuen Heimat fühlt er sich offenbar so heimisch, dass ihm ein paar Jahre lang die Protokollführung der Nationalversammlung anvertraut wurde. Allerdings, bekennt er gleich zu Anfang, verstehe er die Sprache nach so langer Zeit immer noch besser, als er sie selbst sprechen könne.

Um Bern und die Schweizer Mentalität kreisen die meisten seiner "Geschichten im Vorübergehen". Der Titel trifft das scheinbar Zufällige und mühelos Aufgelesene. Manche Texte gehören in die Kategorie Glossen oder Feuilletons, andere könnten der Beginn einer Kurzgeschichte sein, die bedauerlicherweise aufgegeben wurde. Aufgeben ist allerdings gar nicht Theobaldys Sache. Er feilt und poliert so lange, bis seine Texte makellose Prosaminiaturen sind. Vermutlich würde er Vorbilder wie Keller, Robert Walser, Hebel und auch Kafka akzeptieren.

Ein genauer Menschenbeobachter ist er geblieben. Vielleicht ist jetzt etwas Melancholie dazugekommen, und vor nostalgischen Rückblicken scheut er sich auch nicht. Gerade die bieten sich in der Schweiz aber auch häufiger als anderswo an. Über Tagesereignisse berichtet er aber mindestens so häufig. Ein unbestechlicher Zeitgenosse ist er, der nicht nur im Vorübergehen registriert, was um ihn herum passiert.

MARIA FRISÉ

Jürgen Theobaldy: "Geschichten im Vorübergehen".

Verlag die brotsuppe, Biel 2020.

270 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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