Bachelorarbeit aus dem Jahr 2019 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 2,3, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Würde des Menschen, die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau bilden die Basis unserer modernen Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit der Freiheit und Autonomie, in der sich der Fokus zunehmend auf das einzelne Subjekt und dessen Lebensqualität gerichtet hat. Das Geschlecht spielt hierbei eine immer unbedeutendere Rolle, sodass sowohl Männer als auch Frauen nahezu sämtliche Möglichkeiten der Selbstverwirklichung besitzen. Es ist schwer vorstellbar, dass eben diese Gleichstellung und Unabhängigkeit eine Errungenschaft ist, die in der menschlichen Entwicklungszeit einen verschwindend geringen Zeitraum einnimmt. Auf Grund dieser Tatsache stellt sich aber auch die Frage, wie die Geschlechterrollen, die in Deutschland jahrhundertelang in beachtlichem Maße durch das Christentum und die Ehe geprägt worden sind, vor dieser Zeit betrachtet wurden. Das Genre der Fastnachtsspiele kann hierbei interessante Einblicke ermöglichen, da weltliches Schauspiel, implizite Gesellschafts- und Kleruskritik und ein beschränkter öffentlicher Rahmen, beispielsweise die Aufführung in privaten Räumlichkeiten oder Wirtshäusern, aufeinandertreffen. Die zielgerichtete Normverkehrung und drastische Übertreibungen als stilistische Mittel boten den Verfassern die Möglichkeit, das Publikum sowohl zu unterhalten als auch einen moralischen Appell an selbiges zu richten. Nicht selten behandeln die Fastnachtsspiele deshalb auch private Themen wie Eifersucht, Untreue und die Rollenverteilung in der Ehe, die auf höchst humoristische Weise in Szene gesetzt werden. Die Darstellung verschiedenster Schreckensszenarien des alltäglichen Lebens, die bei Nichteinhaltung gewisser Normen und Regeln eintreten könnten, sind hierbei ebenso typisch wie die Wiederherstellung der Ordnung und die Aufforderung zur Geselligkeit am Ende des Schauspiels. Eine Festlegung auf Hans Sachs als Verfasser der Fastnachtsspiele erscheint vor dem Hintergrund seines Schaffenszeitraums, inmitten des reformatorischen Umbruchs im 16. Jahrhundert, bei dem die Dichtkunst aus ihrer ästhetischen Selbstgenügsamkeit heraustrat und zum Forum aktueller Lebensfragen der Epoche wurde, als sinnvoll. Hans Sachs, der im Laufe seines Lebens rund 6000 Werke, darunter 85 Fastnachtsspiele, veröffentlichte und bereits früh seine Sympathie für Luther öffentlich bekundete, verbindet damit ein für diese Fragestellung vielversprechendes Genre mit einer breiten Anzahl an möglichen Quelltexten.