Zum ersten Mal wird die Frage nach der symbolischen Valenz von Geschwisterlichkeit um 1800 gestellt und auf einer breiten kulturhistorischen Basis beantwortet. Geschwister sind um 1800 von hoher symbolischer, gesellschaftlicher und individualpsychologischer Relevanz. Dies schlägt sich nieder in Beziehungsdynamiken, Gefühlsmodellierungen und Identitätszuweisungen. Dabei wird ein Netzwerk horizontaler Beziehungen sichtbar, das mit Foucault 'Dispositiv' genannt werden kann. Grundlage für die These der Formierung eines Geschwisterdispositivs um 1800 sind die in der historischen Semantik des Geschwisterbegriffs selbst angelegten Schnittstellen zwischen leiblicher Verwandtschaft, institutionellen Organisationen und Figuren des kulturellen Imaginären. Lesbar wird diese geschwisterliche Strukturierung von Welt in der Literatur. In minutiösen Neulektüren von Jean Paul sowie Jacobi, Goethe, Schiller und Novalis wird evident, wie literarische Texte vielfältige Geschwisterstrukturen etablieren, bisweilen verblüffende Kontexte über Sache und Begriff des Geschwisters verknüpfen und so auf einer horizontalen Ebene verhandeln. Die vorliegende Studie legt damit die Basis für einen Perspektivenwechsel in der Kulturgeschichte sozialer Beziehungen.
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