Endlich das Familienschweigen brechen
Die Autorin Sabine Bode ist mir durch ihre Bücher seit vielen Jahren vertraut, sie hat sich mit der German Angst ebenso intensiv beschäftigt, wie mit den Traumata von Kriegskindern, -enkeln und der Bewältigung der (als Trauma) existierenden Schuld in
Familien. Das aus der jahrelangen Beschäftigung mit dieser Problematik und aus den vielen, intensiven…mehrEndlich das Familienschweigen brechen
Die Autorin Sabine Bode ist mir durch ihre Bücher seit vielen Jahren vertraut, sie hat sich mit der German Angst ebenso intensiv beschäftigt, wie mit den Traumata von Kriegskindern, -enkeln und der Bewältigung der (als Trauma) existierenden Schuld in Familien. Das aus der jahrelangen Beschäftigung mit dieser Problematik und aus den vielen, intensiven Recherchen einmal ein Roman entstehen würde, empfinde ich als logische Entwicklung.
Der Roman wird von der Hauptperson Sonja Sänkel erzählt, der SS-Sonja, wie sie in der Kindheit und Jugend genannt und gehänselt wurde. Sonja, nun Mitte 60, pensionierte und verwitwete Lehrerin, versucht, dem Berliner Alltag zu entkommen und zieht sich in ein kleines Ostseebad zurück. Die Rückzugsruhe endet abrupt, weil ihr Bruder Rolf mit der halbwüchsigen Tochter Nina bei ihr Unterschlupf und Halt suchen. Konflikte brechen auf, der Rückblick in die Kindheit und Jugend der beiden Geschwister und auf ihre übergriffigen Eltern verdunkelt die gemeinsamen Stunden. Die unausgesprochenen Konflikte mit der Nazivergangenheit wie auch mit der unveränderten Nazihaltung der Eltern bilden den Hintergrund der Gedanken und später auch der Gespräche der Geschwister. Nichts war bis dato offen ausgesprochen worden, nun, mit Mitte, Ende 60 kommen beide an ihre Grenzen. Und sie kommen sich endlich näher, als sie es als Kinder je waren. Wie sie das Dilemma lösen, das beschreibt der Roman in teilweise recht verwirrenden Rückblicken, es wird keine chronologische Geschichte erzählt, der Roman entsteht aus vielen, ineinander verschachtelten Versatzstücken. Erinnerungssplitter an Kindheit, Jugend, Ehe, Psychiatrieaufenthalte, Gespräche, Ereignisse wechseln sich ab und ergeben einen Blick wie in einen zersprungenen Spiegel. Für die Schilderungen der gewalttätigen und verbal ausfallenden Eltern braucht der Leser schon recht gute Nerven. Dass die Geschwister das Verhalten der Eltern gegenseitig nie besprochen haben, sondern beide so schnell es ging als junge Erwachsene die elterliche Wohnung verließen und jahrelang keinen Kontakt hatten, ist sehr traurig. Ob ihnen im Alter die anstrengende Spurensuche weiterhilft, lasse ich an dieser Stelle offen. Das muss jeder Leser selbst erfahren in diesem nervenaufreibenden Buch.
Die Entwicklung der jungen Nina bildet einen zweiten Erzählstrang, der die verfahrene Situation der Geschwister vielleicht etwas entschärfen und auflockern soll, ich empfand ihn als nicht notwendig für die Geschichte. Aber am Ende hatte ich das Gefühl, Nina war das Ventil für den Überdruck, den die Autorin in diesem Buch entstehen ließ.
Fazit: eine zutiefst emotionale Geschichte, die mein Innerstes aber trotzdem nicht ganz erreichen konnte. Die Eltern, die auch der Emotions- und Herzlosigkeit angeklagt werden, blieben mir fremd, die Geschwister leider auch. Trotzdem kann ich das Buch empfehlen, es beleuchtet auf ungewöhnliche Weise die deutsche Vergangenheit und Gegenwart.
#GeschwisterimGegenlicht #NetGalleyDE