Winner of the Mail on Sunday/John Llewellyn Rhys Prize.
A magnificent achievement and an engrossing experience, David Mitchell's first novel announced the arrival of one of the most exciting writers of the twenty-first century.
An apocalyptic cult member carries out a gas attack on a rush-hour metro, but what links him to a jazz buff in downtown Tokyo? Or to a Mongolian gangster, a woman on a holy mountain who talks to a tree, and a late night New York DJ?
Set at the fugitive edges of Asia and Europe, Ghostwritten weaves together a host of characters, their interconnected destinies determined by the inescapable forces of cause and effect.
A magnificent achievement and an engrossing experience, David Mitchell's first novel announced the arrival of one of the most exciting writers of the twenty-first century.
An apocalyptic cult member carries out a gas attack on a rush-hour metro, but what links him to a jazz buff in downtown Tokyo? Or to a Mongolian gangster, a woman on a holy mountain who talks to a tree, and a late night New York DJ?
Set at the fugitive edges of Asia and Europe, Ghostwritten weaves together a host of characters, their interconnected destinies determined by the inescapable forces of cause and effect.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004Zur heiligen Teestube
David Mitchells frohe Apokalypse / Von Felicitas von Lovenberg
Dem beliebten amerikanischen Gedankenspiel "Seven degrees of separation" zufolge ist jeder Mensch des Universums über maximal sieben Personen mit jedem beliebigen anderen verbunden. Wer also die richtige Kontaktkette in Gang setzt, kann sieben Briefe, E-Mails oder Anrufe später mit dem Papst, dem Dalai Lama oder dem amerikanischen Präsidenten in Verbindung stehen. Logischerweise bedeutet diese - zumindest virtuelle - Nähe aber auch, daß wir ebenso wenige Ecken von Terroristen, Mördern und anderen Psychopathen entfernt sind.
Nun gibt es aber auch die fatalistische Theorie, daß der menschliche Einfluß auf das gigantische System, das wir Welt nennen, ohnehin verschwindend gering und daß Chaos die Matrix allen Seins ist. Der englische Schriftsteller David Mitchell, geboren 1969, zeigt in seinem Debütroman, der dieses "Chaos" bereits im deutschen Titel trägt (im Original heißt der Roman "Ghostwritten" und erschien 1999), wie sehr jedes einzelne Leben in andere Leben hineinragt: Schon eine winzige Veränderung im Leben des einen kann eine Katastrophe im Leben eines anderen bewirken oder verhindern. Alles hängt mit allem zusammen, im Guten wie im Schlechten.
Um das zu illustrieren, läßt Mitchell eine schwindelerregende Vielfalt von Stimmen zu Wort kommen, die er rund um den Globus ansiedelt - von Tokio über Hongkong und die Mongolei nach Petersburg und London über Clear Island unter die Erde. In zehn Kapiteln und neun Teilen erzählen acht Ich-Erzähler aus ihrem Leben. Zunächst begegnen wir einem Anhänger jener Aum-Sekte, die für den Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn 1995 verantwortlich war. Er ist, nachdem er das Attentat wie befohlen durchgeführt hat, auf die Insel Okinawa geflohen, und versucht von hier aus, Kontakt mit dem Guru aufzunehmen.
Das Telefon läutet in einem Plattenladen in Tokio, wo der Junge, der dort bedient, mit der Losung nichts anfangen kann, dafür um so mehr mit einem chinesischen Mädchen, das am selben Tag mit ihren Freundinnen hereinspaziert kommt. Der Anblick des völlig in sich versunkenen jungen Paares, das sich einige Zeit später in Hongkong wiedersieht, rührt einen britischen Bankangestellten, der, ganz wie Nick Leeson Mitte der neunziger Jahre, in den letzten Monaten seine Firma um 115 Millionen Dollar geprellt hat, den seine Frau verlassen hat und der mit der chinesischen Putzfrau ins Bett gegangen ist, deren Großmutter wiederum am Heiligen Berg eine Teestube unterhält und deren Trost während der "Säuberungsaktionen" der Kulturrevolution die Gespräche mit einem Baum sind, der, wie sich im fünften Teil herausstellt, eine Zeitlang von einem körperlosen Geist bewohnt war, der schließlich über Rußland in die Mongolei weiterzog, wobei er laufend die Wirte, also die Menschen, wechselt, bis er schließlich im Körper eines Neugeborenen selbst wieder sterblich, also zum Menschen, wird.
Zuvor hatte er sich einen KGB-Funktionär als Wirt ausgeliehen, der wiederum den Liebhaber jener Russin erschießt, die, getarnt als Museumswächterin, in der Petersburger Eremitage Originale durch Kopien ersetzt. Ein Ghostwriter wacht in London nach einem One-night-stand neben jener Katy Forbes auf, die der Leser als Ex-Frau des Finanzjongleurs aus Hongkong identifiziert. Er rettet auf seinem Weg zur U-Bahn eine Dame, die geistesabwesend beinahe vor ein Taxi gelaufen wäre. Diese entpuppt sich als Nuklearphysikerin irischer Herkunft, die herausgefunden hat, wie sich alle Technik auf der Welt beherrschen ließe; kein Wunder, daß das FBI ihr mit amerikanischen Marines bis nach Clear Island folgt und sie mitnimmt. Eine solche Hyperintelligenz hat im vorletzten Kapitel das Wort und ruft in einer New Yorker Radioshow an, als die Apokalypse schon an die Tür zu klopfen scheint. Am Ende erscheint ein Angriff aus dem Cyberspace, der alle militärischen Sicherungen ausschaltet und die Selbstzerstörung der Menschheit in die Wege leitet, alles andere als undenkbar.
Was hier nur zusammengefaßt werden kann, formuliert der Roman auf clevere Weise aus; wie in einer Sammlung von Kurzgeschichten steht jeder Teil für sich, und erst der geduldige Leser kann die Puzzleteilchen, die Mitchell auf seinem Weg um den Globus fallenläßt, aufheben und versuchen, sich ein Bild zu machen von dem Tohuwabohu. Während die ganze große Welt durch die Beschreibungen von Orten und Begebenheiten wieder zu schrumpfen beginnt und die einzelnen Menschen innerhalb der wuselnden Masse einander näherrücken, scheint sich Mitchell seinen seelenwandernden Noncorpora-Geist zum Vorbild für seinen Erzählstil genommen zu haben: "Ich habe keine Gene. Mir ist nichts anerzogen und nichts angeboren. Dennoch bin ich besonnen und gewissenhaft, ein nichthumaner Humanist." In diesem Universum voller verrückter, verzweifelter, comichaft verzerrter und kosmischer Stimmen zieht der Schriftsteller die Strippen. Er erlaubt keiner seiner Figuren, sich darin glücklich einzurichten. Sie koksen, und sie kiffen, sie trinken und flüchten sich in Sex; Herren ihres Schicksals sind diese Menschen keineswegs, ebensowenig wie ihr Autor Herr seines Buches ist.
Es ist ein mutiges, ehrgeiziges Debüt, das Mitchell 1999 in seiner Heimat vorlegte; seine beiden folgenden Romane, "Number9dream" und "Cloud Atlas", gelangten jeweils auf die Shortlist des Booker-Preises. Die beeindruckende Stoffülle und die ungewöhnliche Welthaltigkeit des Romans können jedoch nicht verhehlen, daß dieser Autor sich zuviel vorgenommen hat; zwar versucht er, das Bewußtsein, die Gedanken und Erinnerungen von neun Charakteren wiederzugeben, doch klingen die Figuren alle gleich. Mit einer ziemlich flapsigen Stimme, die sich manchmal dümmer stellt, als sie ist, rücken sie uns auf den Leib. Ihr Hang zur Geschwätzigkeit macht die Sache nicht besser. So wechseln allein die Genres - von der Beschreibung einer Gehirnwäsche zu terroristischen Zwecken über eine Liebesgeschichte hin zu einer Spionagestory, einem chinesischen Mythos und einem Kunstraub bis hin zum transzendentalen Science-fiction-Thriller. Die Paranoia, Antriebskraft des Romans, ist letztlich nicht stark genug dosiert, um die Horrorszenarien hier relevanter erscheinen zu lassen als in jedem x-beliebigen "James Bond"-Film. Wo für jeden etwas dabeisein soll, kommt eben keiner auf seine Kosten.
Das vorletzte Kapitel, in dem eine von Menschen geschaffene, doch längst von ihnen unabhängig gewordene Kraft sich über ihre ethische Verantwortung als "Zoowächter" der Welt in einer an die Fernsehserie "Frasier" erinnernden Radioshow Gedanken macht, liest sich beklemmend, wenn man bedenkt, daß der Roman im Original bereits zwei Jahre vor dem 11. September 2001 erschien. Daß David Mitchell zu Recht als einer der wichtigsten jungen britischen Autoren gilt, wird Lesern seiner späteren Romane allerdings eher einleuchten als jenen, die sich "Chaos" aussetzen.
David Mitchell: "Chaos". Ein Roman in neun Teilen. Aus dem Englischen übersetzt von Volker Oldenburg. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004. 591 S., geb., 24,90 [Euro].
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David Mitchells frohe Apokalypse / Von Felicitas von Lovenberg
Dem beliebten amerikanischen Gedankenspiel "Seven degrees of separation" zufolge ist jeder Mensch des Universums über maximal sieben Personen mit jedem beliebigen anderen verbunden. Wer also die richtige Kontaktkette in Gang setzt, kann sieben Briefe, E-Mails oder Anrufe später mit dem Papst, dem Dalai Lama oder dem amerikanischen Präsidenten in Verbindung stehen. Logischerweise bedeutet diese - zumindest virtuelle - Nähe aber auch, daß wir ebenso wenige Ecken von Terroristen, Mördern und anderen Psychopathen entfernt sind.
Nun gibt es aber auch die fatalistische Theorie, daß der menschliche Einfluß auf das gigantische System, das wir Welt nennen, ohnehin verschwindend gering und daß Chaos die Matrix allen Seins ist. Der englische Schriftsteller David Mitchell, geboren 1969, zeigt in seinem Debütroman, der dieses "Chaos" bereits im deutschen Titel trägt (im Original heißt der Roman "Ghostwritten" und erschien 1999), wie sehr jedes einzelne Leben in andere Leben hineinragt: Schon eine winzige Veränderung im Leben des einen kann eine Katastrophe im Leben eines anderen bewirken oder verhindern. Alles hängt mit allem zusammen, im Guten wie im Schlechten.
Um das zu illustrieren, läßt Mitchell eine schwindelerregende Vielfalt von Stimmen zu Wort kommen, die er rund um den Globus ansiedelt - von Tokio über Hongkong und die Mongolei nach Petersburg und London über Clear Island unter die Erde. In zehn Kapiteln und neun Teilen erzählen acht Ich-Erzähler aus ihrem Leben. Zunächst begegnen wir einem Anhänger jener Aum-Sekte, die für den Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn 1995 verantwortlich war. Er ist, nachdem er das Attentat wie befohlen durchgeführt hat, auf die Insel Okinawa geflohen, und versucht von hier aus, Kontakt mit dem Guru aufzunehmen.
Das Telefon läutet in einem Plattenladen in Tokio, wo der Junge, der dort bedient, mit der Losung nichts anfangen kann, dafür um so mehr mit einem chinesischen Mädchen, das am selben Tag mit ihren Freundinnen hereinspaziert kommt. Der Anblick des völlig in sich versunkenen jungen Paares, das sich einige Zeit später in Hongkong wiedersieht, rührt einen britischen Bankangestellten, der, ganz wie Nick Leeson Mitte der neunziger Jahre, in den letzten Monaten seine Firma um 115 Millionen Dollar geprellt hat, den seine Frau verlassen hat und der mit der chinesischen Putzfrau ins Bett gegangen ist, deren Großmutter wiederum am Heiligen Berg eine Teestube unterhält und deren Trost während der "Säuberungsaktionen" der Kulturrevolution die Gespräche mit einem Baum sind, der, wie sich im fünften Teil herausstellt, eine Zeitlang von einem körperlosen Geist bewohnt war, der schließlich über Rußland in die Mongolei weiterzog, wobei er laufend die Wirte, also die Menschen, wechselt, bis er schließlich im Körper eines Neugeborenen selbst wieder sterblich, also zum Menschen, wird.
Zuvor hatte er sich einen KGB-Funktionär als Wirt ausgeliehen, der wiederum den Liebhaber jener Russin erschießt, die, getarnt als Museumswächterin, in der Petersburger Eremitage Originale durch Kopien ersetzt. Ein Ghostwriter wacht in London nach einem One-night-stand neben jener Katy Forbes auf, die der Leser als Ex-Frau des Finanzjongleurs aus Hongkong identifiziert. Er rettet auf seinem Weg zur U-Bahn eine Dame, die geistesabwesend beinahe vor ein Taxi gelaufen wäre. Diese entpuppt sich als Nuklearphysikerin irischer Herkunft, die herausgefunden hat, wie sich alle Technik auf der Welt beherrschen ließe; kein Wunder, daß das FBI ihr mit amerikanischen Marines bis nach Clear Island folgt und sie mitnimmt. Eine solche Hyperintelligenz hat im vorletzten Kapitel das Wort und ruft in einer New Yorker Radioshow an, als die Apokalypse schon an die Tür zu klopfen scheint. Am Ende erscheint ein Angriff aus dem Cyberspace, der alle militärischen Sicherungen ausschaltet und die Selbstzerstörung der Menschheit in die Wege leitet, alles andere als undenkbar.
Was hier nur zusammengefaßt werden kann, formuliert der Roman auf clevere Weise aus; wie in einer Sammlung von Kurzgeschichten steht jeder Teil für sich, und erst der geduldige Leser kann die Puzzleteilchen, die Mitchell auf seinem Weg um den Globus fallenläßt, aufheben und versuchen, sich ein Bild zu machen von dem Tohuwabohu. Während die ganze große Welt durch die Beschreibungen von Orten und Begebenheiten wieder zu schrumpfen beginnt und die einzelnen Menschen innerhalb der wuselnden Masse einander näherrücken, scheint sich Mitchell seinen seelenwandernden Noncorpora-Geist zum Vorbild für seinen Erzählstil genommen zu haben: "Ich habe keine Gene. Mir ist nichts anerzogen und nichts angeboren. Dennoch bin ich besonnen und gewissenhaft, ein nichthumaner Humanist." In diesem Universum voller verrückter, verzweifelter, comichaft verzerrter und kosmischer Stimmen zieht der Schriftsteller die Strippen. Er erlaubt keiner seiner Figuren, sich darin glücklich einzurichten. Sie koksen, und sie kiffen, sie trinken und flüchten sich in Sex; Herren ihres Schicksals sind diese Menschen keineswegs, ebensowenig wie ihr Autor Herr seines Buches ist.
Es ist ein mutiges, ehrgeiziges Debüt, das Mitchell 1999 in seiner Heimat vorlegte; seine beiden folgenden Romane, "Number9dream" und "Cloud Atlas", gelangten jeweils auf die Shortlist des Booker-Preises. Die beeindruckende Stoffülle und die ungewöhnliche Welthaltigkeit des Romans können jedoch nicht verhehlen, daß dieser Autor sich zuviel vorgenommen hat; zwar versucht er, das Bewußtsein, die Gedanken und Erinnerungen von neun Charakteren wiederzugeben, doch klingen die Figuren alle gleich. Mit einer ziemlich flapsigen Stimme, die sich manchmal dümmer stellt, als sie ist, rücken sie uns auf den Leib. Ihr Hang zur Geschwätzigkeit macht die Sache nicht besser. So wechseln allein die Genres - von der Beschreibung einer Gehirnwäsche zu terroristischen Zwecken über eine Liebesgeschichte hin zu einer Spionagestory, einem chinesischen Mythos und einem Kunstraub bis hin zum transzendentalen Science-fiction-Thriller. Die Paranoia, Antriebskraft des Romans, ist letztlich nicht stark genug dosiert, um die Horrorszenarien hier relevanter erscheinen zu lassen als in jedem x-beliebigen "James Bond"-Film. Wo für jeden etwas dabeisein soll, kommt eben keiner auf seine Kosten.
Das vorletzte Kapitel, in dem eine von Menschen geschaffene, doch längst von ihnen unabhängig gewordene Kraft sich über ihre ethische Verantwortung als "Zoowächter" der Welt in einer an die Fernsehserie "Frasier" erinnernden Radioshow Gedanken macht, liest sich beklemmend, wenn man bedenkt, daß der Roman im Original bereits zwei Jahre vor dem 11. September 2001 erschien. Daß David Mitchell zu Recht als einer der wichtigsten jungen britischen Autoren gilt, wird Lesern seiner späteren Romane allerdings eher einleuchten als jenen, die sich "Chaos" aussetzen.
David Mitchell: "Chaos". Ein Roman in neun Teilen. Aus dem Englischen übersetzt von Volker Oldenburg. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004. 591 S., geb., 24,90 [Euro].
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