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Der Landgendarm Kurt Janisch hat ein Auge auf den Grund und Boden allein stehender Frauen geworfen, und als Polizist weiß er, wo er sich seine Opfer holt: Auf den Landstraßen, wo er sich die Autonummern und Adressen der Frauen notiert, die er später aufsucht. Das erste Opfer ist eine Frau mittleren Alters. Um in den Besitz ihres Hauses zu gelangen, macht er sie sexuell hörig. Als das zweite Opfer, noch keine sechzehn Jahre alt, seine Pläne jedoch plötzlich gefährden könnte, schwimmt sie als Leiche in einem Plastiksack im See. Und ihr ehemaliger Geliebter schöpft Verdacht...

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Produktbeschreibung
Der Landgendarm Kurt Janisch hat ein Auge auf den Grund und Boden allein stehender Frauen geworfen, und als Polizist weiß er, wo er sich seine Opfer holt: Auf den Landstraßen, wo er sich die Autonummern und Adressen der Frauen notiert, die er später aufsucht. Das erste Opfer ist eine Frau mittleren Alters. Um in den Besitz ihres Hauses zu gelangen, macht er sie sexuell hörig. Als das zweite Opfer, noch keine sechzehn Jahre alt, seine Pläne jedoch plötzlich gefährden könnte, schwimmt sie als Leiche in einem Plastiksack im See. Und ihr ehemaliger Geliebter schöpft Verdacht...

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Autorenporträt
Elfriede Jelinek, geboren 1946 und aufgewachsen in Wien, hat für ihr Werk eine Vielzahl von Auszeichnungen erhalten, darunter den Georg-Büchner-Preis und den Franz-Kafka-Literaturpreis. 2004 wurde ihr der Nobelpreis für Literatur verliehen.
Rezensionen
"Jelinek liefert ein mitleidloses, von Assoziationen strotzendes Stück um Gier, Frauenfeindlichkeit und Spießertum." (Elle)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Kurti, Gabi, Gerti und der tiefe Baggersee
Elfriede Jelinek serviert die "Gier" / Von Rose-Maria Gropp

Der Gendarm Kurt Janisch ist ein fescher Mann, einer, "wie er uns Frauen eben gefällt". Er ist energisch und stattlich und ganz "von einer Art Gier" beherrscht. Die Frauen - das sind "wir, vor allem die mit den älteren Geschlechtern" - sind ganz närrisch nach so einem. Deshalb kann der Gendarm so leicht ein Auge "auf den Grund und Boden" der Frauen werfen. Dem Grundbuch gilt nämlich seine Gier, der Bauplan ist Ziel seiner Lust, er will das Haus der Frau - trotzdem: "Zu hassen ist nicht gut, erst wenn Sie mir sagen wen, kann ich wirklich sagen, ob es gut oder schlecht ist. Es gibt manchen die Energie, die sie brauchen, wie ein Marsriegel, der vom Kriegsgott direkt kommt und in die Figur des Menschen abstürzt, bis diese zerflossen ist."

Diese Exposition hat es in sich. Das kontaminierte Gelände ist markiert. Elfriede Jelinek bringt ein von ihr in jahrelanger Schreibarbeit gesichertes Dogma zum Wanken. Wir, die ständig angesprochenen Leser, müssen uns in "Gier" schleunigst von der liebgewordenen Gewohnheit verabschieden, die gute alte Mann-Frau-Herrschaftsverhältnis-Nummer einmal mehr als Sexualisierte-Sprache-ist-Machtsprache-Revue vorgeturnt zu bekommen. Diese verhurte Sprache hat nämlich die Fronten ganz gewechselt, in die Münder der Opfer hinein, der Frauen, die ein Begehren aussprechen, daß einem jedes Mitleid an ihrer Misere vergeht: "Sehen Sie ihn nicht", erläutert die als Ich erzählende Instanz auf halber Strecke dieser Einbahnstraße in die Selbstauslöschung, "diesen Körper, der mir vor Augen steht, beinahe könnte ich selbst ein Interesse an ihm haben, meine Augen wollen Unanständiges sehen, und meine Hände wollen Unanständiges angreifen und damit herumspielen, und leider will ich dann immer nur Unaussprechliches aussprechen, wie unangenehm, wenn auch nur für mich." Selbst das auktoriale Ich wird nicht so einfach mit einem Kurt Janisch fertig. Die Front ist aufgeweicht. So deutlich war Elfriede Jelinek nie wie das Ich ihres "Unterhaltungsromans".

In "Gier" sind die Frauen nur noch sperrangelweit geöffnete Einfallstore zur Durchdringung von Raum. Ihre ureigene Funktion als Objekte männlicher Lust haben sie nahezu völlig eingebüßt; es ist jetzt viel schlimmer. Jelinek liefert die Frauen gnadenlos dem Okkupator aus, Lemminge ihrer Bestimmung, "immer dasselbe" zu wollen und "dann noch einmal". Für diese unfrohe Erkenntnis ist ein Dorfkrimi genau das Richtige, Tatort Steiermark. Da sind eben der Gendarm Kurt Janisch, fünfzig Jahre alt, und seine Frau, die gar keinen weiteren Namen braucht. Da ist Gabi Fluch (was für ein hübscher Name), die noch nicht sechzehnjährige Asthmatikerin mit Ambitionen, die den Kurti will, und da ist Gerti (wieder eine Gerti, wie schon in "Lust", aber jetzt ohne Ehenamen), die Fünfzigjährige, die nach Kurtis Künsten lechzt. Noch höflicher kann man es leider nicht ausdrücken, deutlicher schon, wie Jelinek auf 460 Seiten beweist.

Natürlich verankert Elfriede Jelinek "Gier" in einem sozialen Feld, das gar kein weites, sondern ein furchtbar übersichtliches ist. Denn ihr Unterhaltungsroman ist ein Gesellschaftsroman, deshalb auch nicht länger monoman. Die Frau funktioniert als durchdrungener (Innen-)Raum, der schließlich in der kleinsten Hütte ist; Genommen im Herrgottswinkel ist sie pars pro toto für die Raumerweiterung. Die anschwellende Gier nach ihrem Grund und Boden darf derweil gern Deckfigur für die verklemmte Begierde nach den jungen Gendarmenkollegenleibern sein, an denen sich der Kurt in der Umkleidekabine wie aus Versehen reibt. Aber die haben kein Häuschen, dessen Überschreibung der Gendarm anstreben könnte durch ein Eheversprechen. Jelinek entkommt an diesem Punkt knapp einer üblen Denunziation - sogar elegant; denn die jungen Männer reagieren nicht auf diese Gier des Gendarmen, bis auf weiteres. Nun, dieser Gendarm ermordet leider die ihm verfallene, aber besitzlose Minderjährige, und die alternde, die hausbesitzende Frau geht ihren unausweichlichen Weg.

Die eigentliche Heldin der "Gier" ist aber die Sprache. Jelinek - genauer das erzählende Ich, das allwissend ist und nur kokett so tut, als sei ihm so manches gar nicht bekannt - zerrt an der Sprache wie an einer Schleppe, deren Gewicht ihr Ich, das sprechen muß, ständig zu erwürgen droht. Diese Schleppe ist von grundsätzlich unendlicher Ausdehnung in Zeit und Raum, jedenfalls im deutsch-österreichischen. Sie bedeckt einen schier grenzenlosen Sumpf, in dem die Stilblüten gedeihen. In "Gier" geht man über den Styx. Das schlierige trübe Gewässer stockt, und nur das "Erzählwasser" fließt noch. Nicht nur das Geschlechterherrschaftverhältnis geht über den Teich, der ein Bergsee in der Steiermark ist, der in Wirklichkeit ein gekippter Baggersee ist, in den der Gendarm auch die Leiche Gabis kippt. Das Wasser ist in "Gier" das leitende Element, in den Beschreibungen seines Zustandes, seiner Durchseuchung, kommt die glühende Wut in "Gier" zu sich selbst, zur Sprachkunst, weil zum infernalischen Witz. "Übrigens ist auch mein kleines Gewässer hier", meldet sich das erzählende Ich aus dem Off vor seinem Bildschirm, "in dieser Maschine, überfrachtet mit Gift. Anstatt daß ich fein antworte, wenn ich gefragt werde, kippe ich mein ganzes Leben, das selber längst tot ist, in diese Totwasserzone hinein, aber toter als tot, das geht ja nicht. Es wäre gut, wenn ich einmal von einem ordentlichen Durchfluß erfaßt würde, diese Zone, wenn das Wasser endlich eine ordentliche Beschäftigungspolitik bekäme, damit sich seine Trophie endlich verbessert. Ansonsten bleiben wir immer nur was wir waren - Trophäen der Geschichte, vorgezeigt, den anderen Ländern zur Warnung." Aber was ist damit gesagt? Denn es ist doch so, daß Österreich in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit einem Jelinek-Roman entstiegen ist - und nicht umgekehrt.

Elfriede Jelinek könnte eine wahre Frohnatur sein. Wer so delirant zetert, hat ein offenes Ventil, das bei anderen verstopft ist, die an dieser Verschließung früher oder später zugrunde gehen. Aber auch das ist so einfach wieder nicht. Denn man muß mit Jelinek schon sehr herzlich lachen können, um sich zu Tode zu amüsieren in ihrer Gesellschaft - schließlich ist "sein Begräbnis für so manchen schon das tollste, was er je erlebt haben wird": "Fürchten Sie den Tod nicht! Es sind so viele schon tot, das werden doch auch Sie noch schaffen. Jeder hat es ja bis jetzt gekonnt, auch ein Volltrottel wie Sie, wie ich, kann es, wenn er muß."

Der letzte Satz von "Gier" heißt: "Es war ein Unfall." Da hört der Spaß dann doch auf. Kurt Janisch heißt nicht Malina, und der Tod einer Gerti Sonstwie in Mürzzuschlag ist nicht die Tötung eines namenlosen "I" in Wien. Elfriede Jelinek opfert gewiß nicht leichthändig Ingeborg Bachmanns Vermächtnis vom alles dominierenden Brutalisierungsverhältnis zwischen den Geschlechtern (wenngleich genau besehen zum zweiten Mal, nach ihrem Drehbuch für Werner Schroeters "Malina"-Verfilmung). Daß sie auch diese Ikone vom Ständer vor dem Hausaltar holt, kommt einer Kampfansage gleich. Es hat noch lang kein Ende mit der "Gier".

Elfriede Jelinek: "Gier". Ein Unterhaltungsroman. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000. 461 S., geb., 45,- DM.

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