Glamour (aus dem Schottischen) ist eine Art Zauberspruch oder eine Verhexung, so glänzt eine Person oder Sache besonders prunkvoll oder betörend elegant, oft schockartig. Der Unterschied zum Alltäglichen wird zur Spannungssteigerung. Das Buch von Ute Cohen zeigt auf, wo kunstvolle Inszenierungen
waren oder noch sind, warum sie vergangen sind / vergehen, und ob man noch Hoffnung auf Besserung haben…mehrGlamour (aus dem Schottischen) ist eine Art Zauberspruch oder eine Verhexung, so glänzt eine Person oder Sache besonders prunkvoll oder betörend elegant, oft schockartig. Der Unterschied zum Alltäglichen wird zur Spannungssteigerung. Das Buch von Ute Cohen zeigt auf, wo kunstvolle Inszenierungen waren oder noch sind, warum sie vergangen sind / vergehen, und ob man noch Hoffnung auf Besserung haben könnte.
Der Einstieg über Ava Gardner vermittelt Glamour als etwas unerklärlich Anhaftendes, mit dem Schwächen überspielt und in ihr Gegenteil gedreht werden können. Diese Frau wusste, dass sie keine gute Schauspielerin war, trotzdem aber wurde sie als Filmgöttin verehrt. Ihre flirrende Eleganz faszinierte und zog Zuschauer in ihren Bann. „Glamour ist elegant und wild, entfaltet sich erst im Widerstreit.“ Heute aber wird diese Leuchtkraft von den meisten abgelehnt. „Der glanzlose Auftritt simuliert eine moralisch makellose Geisteshaltung.“
Glamour ist heute Maskerade, die Kunst sich lustvoll zu exponieren wird als Blendung erlebt, nicht als Verzauberung. Und doch gibt es Licht am Ende des Tunnels, glanzvolle Auftritte könnten bald wieder ihre Strahlkraft entfalten. Denn das Leben hält sich oft in den nicht benennbaren, riskanten Zwischenräumen auf, aus denen neue Kraft, Magie und Energie entstehen können. Ein Kult der Echtheit ist das Contra zum Glamour, der sich über die „Einpökelung abgestorbener Dinge“ am Leben halten will. Seine kalte Demonstranz aber scheint nur ein Zeichen für das Ende einer Epoche.
„Die Bühnen unseres Landes verkommen mehr und mehr zu moralischen Erziehungsanstalten, in denen herrschenden Vorstellungen von Geschlechter- und Sprachgerechtigkeit Genüge getan werden muss, anstatt menschliche Experimentierfreude in Szene zu setzen und auch dem Abgründigen eine künstlerische Form zu verleihen.“ Schon lange war ich bei keiner Theateraufführung mehr und der folgende Satz von Ute Cohen spricht mir aus der Seele: „Die Bühne verwandelt sich entweder in ein steriles Labor normversessener, vermeintlich progressiver Sprechpraktiken oder in ein fetischistisches Sch…haus.“
Vielfalts- und Minoritätenbesessenheit denkt Menschen permanent als Opfer und gibt alle aufklärerischen Impulse auf, so Ute Cohen. Dabei werden neue Dinge inszeniert, die im Gleichklang von Schönheit und Gutem sogar zeigen und sagen kann: „Ich werde tun, was schön ist für Allah.“ Moralische Unanfechtbarkeit wird also mit einer Umdeutung des Schönen hin zu religiösen Verhüllungen zelebriert. Die Influencerinnen verstecken ganz züchtig ihr Gesicht hinter Blumen und Handykameras. Islamische Sprachwissenschaftlerinnen fragen sogar: „Was macht säkulare Sprache mit unserer Spiritualität?“ Solche Leute definieren rationales Handeln mithin als Fehler! Liberale Gesellschaften sind für sie ein Rahmen, der zu fehlerhaftem Handeln führt.
„Das Haus der Tugendprahler aber ist auf Sand gebaut.“ Die Autorin vermittelt jene Aktionen/Ideen, die dem woken Wahn Glamour entgegensetzen, der mit kreativer Lust alle lächerlich macht, die sich zu sehr als Spaßverderber benehmen, sei es aus moralischer oder berechnender ideologischer Motivation. Mein Lieblingssatz aus diesem Buch: „Das Leben hält sich in den nicht benennbaren Zwischenräumen auf.“ Es entspricht einem anderen Satz, den ich mag und in diesem Buch wiedergefunden habe: „Regeln sind Krücken für kreativ Lahme.“ Wer sich zu vielen Regeln unterwirft und den GlamourFaktor aus dem Leben streicht, verliert alle Überraschungen und zieht sich in die Langeweile zurück.
Es gibt wenig Zitate zum Thema Glamour, gefunden habe ich dieses von Walter Fürst, einem Schweizer: „In unserem Gedächtnis treibt sich viel Glamour herum, zuviel Sonntägliches, Ehrwürdiges, Sakrifiziertes und Heroisiertes, erdfreie, bodenfremde Begriffe, die Gespenstern dienstbar sein mögen – doch in den Hausrat eines biederbeinigen Menschen gehören sie nicht.“ Biederbeinige Menschen und Tugendprahler sind wohl identisch und der direkte Feind von Glamour als einem wesentlichen Faktor für Überraschung, Herausforderung, Kreativität und revolutionärem Denken.
Ein sehr gelungenes Buch mit 11 Kapiteln, die Raum geben für weite Sätze der Phantasie in jenen Zwischenräumen, die unser Leben ausmachen als einem Mix aus Ratio, Emotion, Antrieb und neuem Schaffen.