Das Christentum begegnet uns in unüberschaubar vielen Gestalten. Wolfgang Huber zeigt, was die zentralen Inhalte sind und wie sich rätselhaft gewordene Konzepte wie Schöpfung, Sünde, Auferstehung, Heiliger Geist oder ewiges Leben heute verstehen lassen. Eine eindrucksvoll luzide und umfassende Erklärung des Christentums auf der Höhe unserer Zeit. Religion ist heute zu einem Service unter vielen geworden, auch das Christentum, das von Seelenmassage bis zu Streicheleinheiten vieles im Angebot hat. Aber was macht den Kern des christlichen Glaubens aus? Wolfgang Huber entdeckt ihn mit Martin Luther in der Botschaft des Evangeliums. So beginnt seine "evangelische Orientierung" mit der Frage nach den biblischen Quellen des Glaubens. Von hier aus erschließt er in einem souveränen Überblick die wesentlichen Elemente der Lehre von Glaube, Liebe und Hoffnung. Er berücksichtigt dabei die christlichen Traditionen, beschreibt ihre Transformationen durch Reformation und Aufklärung und erörtert die aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen für freie und verantwortliche Christen. Seine fulminante Einführung endet mit der Frage nach den Werten Europas, für die das Christentum auch von denen in die Pflicht genommen wird, die nicht daran glauben.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2017Wie das Christentum in der pluralen Gesellschaft wirkt
Theologen von diesem Format sind rar: Wolfgang Huber, Bischof im Ruhestand, denkt über Glaubensfragen nach
An Veröffentlichungen zum Reformationsjubiläum herrscht kein Mangel. Aus der Menge der Buchtitel sticht Wolfgang Hubers Einführung in den evangelischen Glauben hervor, dies umso mehr, als sich die Zunft der Systematischen Theologen beim Reformationsjubiläum auffallend rar macht. Huber, der im Sommer seinen 75. Geburtstag feiert, war einst Professor für Sozialethik in Marburg und Heidelberg, bevor er Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und später Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde. Nach wie vor bekleidet er Honorarprofessuren in Berlin, Heidelberg und Stellenbosch und zählt international zu den prominentesten Vertretern evangelischer Theologie der Gegenwart.
Die binnenkirchliche Sprache, die das Buch passagenweise pflegt, zumal dort, wo es im Predigtstil geschrieben ist, muss nicht jedem gefallen. Doch ein evangelischer Glaube, der nicht mehr, wie es Huber tut, aus seinen biblischen und reformatorischen Quellen schöpft und seine kirchliche Bindung verliert, droht zu verdunsten und sich zur kulturprotestantischen Chimäre zu verflüchtigen.
Huber verkörpert wie kein Zweiter die Einheit von Kirche und akademischer Theologie, zwischen denen es gerade rund um die inhaltliche Ausrichtung des Reformationsjubiläums ein wenig kriselt. Schon wenn man Hubers Eingangskapitel über die Neuentdeckung des Evangeliums im sechzehnten Jahrhundert und zur bleibenden Bedeutung der Reformation liest, das an manchen Stellen nicht mit Kritik am Jubiläumsbetrieb spart, wird einem bewusst, dass Theologen seines Kalibers derzeit an der Spitze der EKD fehlen. Sein Buch steht in bester Tradition von Theologen wie Helmut Thielicke oder Heinz Zahrnt, die wissenschaftliche Gediegenheit mit hoher Verständlichkeit und griffiger Sprache zu verbinden wussten.
"In einer Situation schwammig gewordener Glaubensvorstellungen", so Huber, "schlägt die Stunde öffentlicher Theologie." Öffentliche Theologie, deren Begriff im deutschen Sprachraum durch Huber und seine Schüler geprägt worden ist, meint die kritische Reflexion über Wirken und Wirkungen des Christentums in die Öffentlichkeit der pluralistischen Gesellschaft von heute und die Beteiligung von Theologie an deren Diskursen. Man könnte auch sagen: Öffentliche Theologie ist das, womit man Ratsvorsitzender der EKD wird.
Seinen Freund und Schüler Bedford-Strohm, der sein eigenes Programm einer öffentlichen Theologie zu einer Art von kirchlichem Lehramt stilisiert und sich damit massive Kritik zugezogen hat, lässt Huber jedoch unerwähnt. Gegen den Trend zur Moralisierung öffentlicher Theologie setzt Huber eigene Akzente, so etwa, wenn er an Rudolf Bultmanns Formel "Glauben und Verstehen" erinnert und damit die Reduktion des Christseins auf Glaube und Handeln korrigieren möchte. Zu Recht wendet sich Huber gegen das Missverständnis der Kirchen als Moral- oder Werteagentur, das er manchmal freilich selbst gefördert hat.
Hubers Glaubensbuch ist die Runderneuerung seine 2008 erschienenen Buchs "Der christliche Glaube". Der neue Titel, "Glaubensfragen", ist freilich nicht ganz passend. Denn von Fragen oder von der Fraglichkeit des christlichen Glaubens ist nur wenig die Rede, sieht man einmal von Ausführungen zur Theodizeefrage ab. Der Autor betreibt im besten Sinne apologetische Theologie, die allerdings die drängenden Infragestellungen des christlichen Glaubens wie auch des reformatorischen Erbes in der Moderne nicht tief genug an sich heranlässt.
Huber kann beispielsweise das reformatorische Schriftprinzip recht gut erklären, aber auf die andauernde Diskussion über die Krise des Schriftprinzips und ihre Konsequenzen für die Begründung evangelischen Glaubens geht er nicht weiter ein. Luthers Judenfeindschaft ist nicht erst, wie Huber behauptet, in seiner Spätschrift "Von den Juden und ihren Lügen" (1543) nachzuweisen, und die Transformationsprozesse, die zwischen Reformation und Moderne stattgefunden haben, sind von größerer Tragweite, als uns Huber glauben machen will, wenn er mehr oder weniger direkt eine Linie von Luthers Forderung nach Gewissensfreiheit zur Zivilreligion des deutschen Grundgesetzes und ihre Menschenwürderhetorik zieht.
Wie radikal der christliche Glaube heute auch in seiner evangelischen Prägung auf die Anfänge des Verstehens zurückgewiesen ist, zeigt sich nicht zuletzt beim Thema Auferstehung. Hubers Versicherung, der Tod behalte nicht das letzte Wort, ist gängiger kirchlicher Jargon, der intellektuell und existentiell kaum befriedigt.
Was die Ökumene, den interreligiösen Dialog - insbesondere mit dem Islam - und den missionarischen Auftrag der Kirchen angeht, ist der Autor in vielem klarer und profilierter als derzeit die EKD. Vor einigen Jahren prägte er die Formel von einer Ökumene der Profile. Sie fehlt in Hubers neuem Buch, offenbar um die gute ökumenische Stimmung im Reformationsjahr nicht zu verderben. Wie weit diese theologisch und kirchenpolitisch trägt, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
ULRICH H. J. KÖRTNER
Wolfgang Huber: "Glaubensfragen". Eine evangelische Orientierung.
C.H. Beck Verlag, München 2017. 332 S., br., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Theologen von diesem Format sind rar: Wolfgang Huber, Bischof im Ruhestand, denkt über Glaubensfragen nach
An Veröffentlichungen zum Reformationsjubiläum herrscht kein Mangel. Aus der Menge der Buchtitel sticht Wolfgang Hubers Einführung in den evangelischen Glauben hervor, dies umso mehr, als sich die Zunft der Systematischen Theologen beim Reformationsjubiläum auffallend rar macht. Huber, der im Sommer seinen 75. Geburtstag feiert, war einst Professor für Sozialethik in Marburg und Heidelberg, bevor er Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und später Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde. Nach wie vor bekleidet er Honorarprofessuren in Berlin, Heidelberg und Stellenbosch und zählt international zu den prominentesten Vertretern evangelischer Theologie der Gegenwart.
Die binnenkirchliche Sprache, die das Buch passagenweise pflegt, zumal dort, wo es im Predigtstil geschrieben ist, muss nicht jedem gefallen. Doch ein evangelischer Glaube, der nicht mehr, wie es Huber tut, aus seinen biblischen und reformatorischen Quellen schöpft und seine kirchliche Bindung verliert, droht zu verdunsten und sich zur kulturprotestantischen Chimäre zu verflüchtigen.
Huber verkörpert wie kein Zweiter die Einheit von Kirche und akademischer Theologie, zwischen denen es gerade rund um die inhaltliche Ausrichtung des Reformationsjubiläums ein wenig kriselt. Schon wenn man Hubers Eingangskapitel über die Neuentdeckung des Evangeliums im sechzehnten Jahrhundert und zur bleibenden Bedeutung der Reformation liest, das an manchen Stellen nicht mit Kritik am Jubiläumsbetrieb spart, wird einem bewusst, dass Theologen seines Kalibers derzeit an der Spitze der EKD fehlen. Sein Buch steht in bester Tradition von Theologen wie Helmut Thielicke oder Heinz Zahrnt, die wissenschaftliche Gediegenheit mit hoher Verständlichkeit und griffiger Sprache zu verbinden wussten.
"In einer Situation schwammig gewordener Glaubensvorstellungen", so Huber, "schlägt die Stunde öffentlicher Theologie." Öffentliche Theologie, deren Begriff im deutschen Sprachraum durch Huber und seine Schüler geprägt worden ist, meint die kritische Reflexion über Wirken und Wirkungen des Christentums in die Öffentlichkeit der pluralistischen Gesellschaft von heute und die Beteiligung von Theologie an deren Diskursen. Man könnte auch sagen: Öffentliche Theologie ist das, womit man Ratsvorsitzender der EKD wird.
Seinen Freund und Schüler Bedford-Strohm, der sein eigenes Programm einer öffentlichen Theologie zu einer Art von kirchlichem Lehramt stilisiert und sich damit massive Kritik zugezogen hat, lässt Huber jedoch unerwähnt. Gegen den Trend zur Moralisierung öffentlicher Theologie setzt Huber eigene Akzente, so etwa, wenn er an Rudolf Bultmanns Formel "Glauben und Verstehen" erinnert und damit die Reduktion des Christseins auf Glaube und Handeln korrigieren möchte. Zu Recht wendet sich Huber gegen das Missverständnis der Kirchen als Moral- oder Werteagentur, das er manchmal freilich selbst gefördert hat.
Hubers Glaubensbuch ist die Runderneuerung seine 2008 erschienenen Buchs "Der christliche Glaube". Der neue Titel, "Glaubensfragen", ist freilich nicht ganz passend. Denn von Fragen oder von der Fraglichkeit des christlichen Glaubens ist nur wenig die Rede, sieht man einmal von Ausführungen zur Theodizeefrage ab. Der Autor betreibt im besten Sinne apologetische Theologie, die allerdings die drängenden Infragestellungen des christlichen Glaubens wie auch des reformatorischen Erbes in der Moderne nicht tief genug an sich heranlässt.
Huber kann beispielsweise das reformatorische Schriftprinzip recht gut erklären, aber auf die andauernde Diskussion über die Krise des Schriftprinzips und ihre Konsequenzen für die Begründung evangelischen Glaubens geht er nicht weiter ein. Luthers Judenfeindschaft ist nicht erst, wie Huber behauptet, in seiner Spätschrift "Von den Juden und ihren Lügen" (1543) nachzuweisen, und die Transformationsprozesse, die zwischen Reformation und Moderne stattgefunden haben, sind von größerer Tragweite, als uns Huber glauben machen will, wenn er mehr oder weniger direkt eine Linie von Luthers Forderung nach Gewissensfreiheit zur Zivilreligion des deutschen Grundgesetzes und ihre Menschenwürderhetorik zieht.
Wie radikal der christliche Glaube heute auch in seiner evangelischen Prägung auf die Anfänge des Verstehens zurückgewiesen ist, zeigt sich nicht zuletzt beim Thema Auferstehung. Hubers Versicherung, der Tod behalte nicht das letzte Wort, ist gängiger kirchlicher Jargon, der intellektuell und existentiell kaum befriedigt.
Was die Ökumene, den interreligiösen Dialog - insbesondere mit dem Islam - und den missionarischen Auftrag der Kirchen angeht, ist der Autor in vielem klarer und profilierter als derzeit die EKD. Vor einigen Jahren prägte er die Formel von einer Ökumene der Profile. Sie fehlt in Hubers neuem Buch, offenbar um die gute ökumenische Stimmung im Reformationsjahr nicht zu verderben. Wie weit diese theologisch und kirchenpolitisch trägt, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
ULRICH H. J. KÖRTNER
Wolfgang Huber: "Glaubensfragen". Eine evangelische Orientierung.
C.H. Beck Verlag, München 2017. 332 S., br., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main