Lange Jahre gehörte Mut dazu, sich anderswo als Frankfurter zu outen, denn die Metropole am Main galt im ganzen Land als unattraktive Adresse. Tatsächlich offenbarte sich ihre damalige Lebensqualität höchstens der einheimischen Subkultur. Wer als Besucher keinen Insider-Zugang zu den intellektuellen Szene-Zirkeln hatte, lernte von der Stadt am Main nur die offizielle, und damit ihre öde und unpersönliche Seite kennen. Heute wird Frankfurt von vielen Besuchern beneidet: um die markante Hochhaus-Skyline, die attraktiven Kunstausstellungen und die prachtvollen Museumsvillen am Mainufer. Doch auch wenn die Mieten inzwischen ins Astronomische steigen und das schicke Mainhattan auch sonst kaum einen Superlativ auslässt, so bleibt die Großstadt Frankfurt doch nach wie vor ein provinzielles Pflaster, mehr Kaff als Kapitale – ein Blick in den Lokalteil der örtlichen Zeitungen wird jeden überzeugen. Doch gerade diese Mischung macht den neuen Charme des heutigen Frankfurt aus: der Kontrast zwischen Großmannssucht und Dorfidylle, das latente Chaos aus urbanem Schick und quirligem Miteinander vieler Kulturen und Lebensentwürfe, das auf einer liberalen Tradition aus Geschäft und Toleranz beruht. Aus der grauen Maus wurde ein Paradiesvogel, der auch dem Frankfurter Lebensgefühl Flügel wachsen ließ.