Über Goethes Hinwendung zur altdeutschen Kunst und zu Fragen der Sammlung, Ausstellung und Vermittlung von Kunst. Die von Napoleon in ganz Europa geplünderten und nach Paris verbrachten Kunstwerke, Bücher und Handschriften werden um 1815 zurückverlangt und allmählich vollständig oder teilweise zurückgeholt. Im selben Jahr 1815 unternimmt Goethe zwischen Juli und August eine Reise in die Rhein-Main-Region: Der daraus entstandene Reisebericht erscheint 1816 als erstes Heft der Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum. Die Rückführung der verschleppten Kunstwerke markiert bei Goethe eine Wendephase in der Reflexion über Kunstinstitutionen, Kunstverkehr und Kunstfunktion und mündet allgemein in eine neue Interpretation des Mittelalters und in Rettungsaktionen von Werken der altdeutschen Kunst. Indem Goethe sich mit Kunsterhaltung und Denkmalpflege auseinandersetzt, erkennt und benennt er die öffentliche Bedeutung der Kunst als universales kulturelles Erbe der deutschen Territorien. Der Versuch, die deutsche Kunst und die im Rhein-Main-Gebiet aufbewahrten Sammlungen in eine Geschichte der Formen einzugliedern, wird unter anderem in Bezug auf die Sammlung Boisserée am Beispiel des Gemäldes Vera Icon erläutert. Im Bericht über die Rhein-Main Reise experimentiert Goethe mit einem Modell, das Geschichte und Form, Lokalisierung und Universalisierung, Raum und Zeit, Kunst und Sammlungswesen zueinander in Beziehung setzt. Das entwickelte Prinzip des Austauschs gilt als Voraussetzung von Goethes Idee der Weltliteratur, die er dann ebenfalls in der Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum entwickeln wird.
»man (stößt) in dem Buch (...) auf viele erhellende Gedanken zu Goethes Reisebericht 1816, der bislang nur selten Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen geworden ist.« (Uwe Hentschel, IFB, 2022) »Eine kluge, ebenso konzentrierte wie breit angelegte Analyse« (Klaus Niehr, Zeitschrift für Kunstgeschichte, April 2023) »eine sehr anregende und materialreiche Studie« (Reinhard Wegner, Goethe Jahrbuch 2022)