Die Erwartungen bei ihrer Geburt waren hoch. Doch ihre illustre Herkunft und der große Name brachten Goethes Enkeln Walther, Wolfgang und Alma nicht nur Glück. Dagmar von Gersdorff erzählt spannend von den wechselvollen und tragischen Lebenswegen der Enkel.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2008Das kleinste Haar wirft seinen Schatten
Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren, was mitunter zur Bürde wird: Dagmar von Gersdorff beschreibt die wenig erfolgreichen Lebensläufe von Goethes Enkeln.
Goethe liebte es, dort zu gehen, "wo die Widersprüche schwirren". Entsprechend Widersprüchliches findet sich in seinem Werk auch zum Thema Enkel. Im Faust ist es Mephisto, der lakonisch bemerkt: "Weh dir, dass du ein Enkel bist!", während Goethe in den Zahmen Xenien freundlich statuiert: "Erwachsne gehen mich nichts mehr an, / Ich muss nun an die Enkel denken." Was Goethe über seine eigenen Enkel gedacht hat, lässt sich bei Eckermann nachlesen: "Der Wolf gefällt mir über die Maßen wohl. Er ist ein tiefer fester Charakter, von dem sich einmal viel erwarten lässt. Walther dagegen ist viel leichter, er hat mehr das Naturell seiner Mutter - Wolf mehr das seines Großvaters."
Was der Großvater den beiden Enkeln prophezeite, ist eine Sache. Eine andere ist es freilich, dass erstaunlicherweise bislang nicht die Probe aufs Exempel gemacht wurde. In Wahrheit waren es drei Enkel, Walther, Wolfgang und Alma, über die Goethe 1828 (an Zelter) glücklich berichtet hatte: "Das kleine Volk im zweiten Grade hat etwas eigen Anmutiges und Gefälliges." Und die Zuneigung Goethes zu diesem "kleinen Volk" muss sich im Fall des Erstgeborenen (Walther) sogar bis zur "großväterlichen Affenliebe" (Goethe an den in Weimar lebenden englischen Schriftsteller Melish, 16. Juni 1819) gesteigert haben.
Dagmar von Gersdorff ist nicht nur den Spuren von Goethes Zuneigung nachgegangen. Sie hat vielmehr die Lebensläufe der drei unverheiratet gebliebenen Enkel neu und gründlich recherchiert. Das Ergebnis ist eine immer wieder überraschende Synopse wenig erfolgreicher Biographien, denen von Gersdorff gleichwohl mit kritischer Empathie und stilistisch elegant Gerechtigkeit widerfahren lässt. Dass ein solches Buch von dieser Autorin stammt, überrascht nicht. Seit mehr als einem halben Jahrzehnt widmet sie sich kenntnisreich zentralen Personen im Umfeld des Dichters: von Goethes Mutter über Lili Schönemann und Marianne von Willemer bis hin zu Goethes später Liebe Ulrike von Levetzow.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Hier irrte Goethe. Vor allem seine Prophezeiung über den zweitgeborenen Enkel, den späteren Legationsrat und Kammerherrn des Großherzogs Carl Alexander von Weimar, Wolfgang von Goethe (1820-1883), hat sich nicht erfüllt. Wir begegnen einem erfolglosen, hypochondrischen Dichter und Diplomaten (mit offenbar homophilen Neigungen ganz wie sein Bruder Walther). "Wölfchen", Großvaters Liebling, der auf die mit seinem Namen verknüpften Erwartungen früh mit einem Nervenleiden reagierte, zieht in seinem Gedicht "Meine Ernte" die Summe seines Lebens mit den bedrückenden Worten: "Es kam der Erntewagen, / Sie buken neues Brot. / Ich hielt die leeren Halme / Und dachte an den Tod."
Auch die Lebensernte des ersten Enkelsohns, des späteren Komponisten und Kammerherrn am Weimarer Hof, Walther von Goethe (1818-1885), fällt wenig erfolgreich aus. Schwächlich, depressiv und von Jugend an kränklich, gab er nach entmutigenden musikalischen Studien - vernichtend kritisch das Urteil Mendelssohns - und Kompositionsversuchen früh die künstlerische Laufbahn auf und zog sich in die Mansardenwohnung des Goethehauses in Weimar zurück. Er sah seine dortige Rolle allerdings darin, "Wächter, Hüter - Stationsbeamter" des großväterlichen Erbes zu sein. Die Brüder waren gezwungen, mit großen finanziellen Einschränkungen zu leben: Mutter Ottilie (ihr Ehemann, Goethes Sohn August, war bereits 1830 in Rom gestorben) hatte durch ihren großzügigen Lebensstil - wie von Gersdorff schlüssig resümiert - "nicht nur das vorhandene Vermögen dezimiert, sondern auch das Kapital der Söhne verbraucht".
Von Gersdorff gibt überhaupt eine besonders lebendige Schilderung von Goethes leichtsinniger und in zahlreiche erotische Eskapaden verwickelter Schwiegertochter Ottilie, geborene von Pogwisch (1796-1872). Eine zweifelhafte Erzieherin gab sie auch für ihr drittes Kind ab, die jung verstorbene Tochter Alma von Goethe (1827-1844). Mit vierzehn Jahren wurde Alma Zeugin einer "kleinen Flirtation" der Mutter in einem Landgasthof, welche sie dort inszenierte, "um nicht aus der Übung zu kommen", wie sie ihrem Sohn Walther brieflich mitteilt. Auch Walthers empörte Antwort lässt sich bei von Gersdorff nachlesen: "Ich finde Deine Abenteuerlust nicht sehr günstig für Alma und wollte, Du bliebst immer als Lady oben in Deiner Stube, überhaupt sehe ich für Alma die größten Gefahren ..." Bereits 1834 hatte die abenteuerlustige Ottilie ihre Kinder mit der Nachricht einer unerwünschten Schwangerschaft und der Geburt (1835) der Stiefschwester Anna Sibylle in Wien konfrontieren müssen. Der Vater war vermutlich der Engländer Captain Story.
In eigenen Kapiteln werden die schriftstellerischen Versuche der Enkel gewürdigt. Man erfährt, dass Wolfgangs Märchendrama "Erlinde" sogar von Goethes Freund, dem Naturforscher Alexander von Humboldt, vor der Veröffentlichung gelesen wurde. Trotz des ermutigenden Kommentars Humboldts blieb das romantisch-epigonale Werk jedoch unvollendet. Einem wesentlich aktuelleren Sujet hatte sich dagegen sein als Komponist gescheiterter Bruder zugewandt. Walther begann heimlich eine literarische Arbeit mit dem Titel "Fährmann hol über", auf die er offenbar große Hoffnungen setzte. Da er sich jedoch als Verfasser nicht zu erkennen geben wollte, verstaubte das 1848 erschienene Buch beim Verleger. Erst 1906 entdeckte man, dass es sich um den Versuch des ältesten Goethe-Enkels handelte, die bedrückende Situation des Wiener Suppenküchen-Proletariats von 1848 sozialkritisch in drei Erzählungen zu verarbeiten. Dieses von "edler Gesinnung und Mitgefühl" gegenüber den Unterdrückten getragene Werk aber kam ohnehin zu spät. Von Gersdorff bilanziert den Misserfolg: "Längst waren wichtigere Bücher erschienen, sozialkritische Literatur war an der Tagesordnung. Als Walther sich nach zwei Jahren bei seinem Verleger (Wilhelm Hertz) nach dem Absatz erkundigte, musste er erfahren, dass insgesamt nur 163 Exemplare verkauft worden waren."
Was die nun vorliegende Familienchronik der Enkel Goethes auszeichnet, ist die Verbindung von Anschaulichkeit und Akribie, mit der die Autorin in Erinnerung ruft, was vielen kaum bekannt sein dürfte. Zwar steht auf Walther von Goethes Grabmal die Inschrift: "Mit ihm erlosch Goethes Geschlecht." Für den Zusatz aber, dass "dessen Name die Zeit überdauert", sind nicht unwesentlich die beiden Enkel des Dichters verantwortlich. Hatte doch vor allem Walther, der seit Ende der vierziger Jahre die Verwaltung des großväterlichen Erbes als Lebensaufgabe betrachtete, konsequent einer Zersplitterung des Nachlasses durch Verkauf an den Deutschen Bund vorgebeugt. Trotz begrenzter Finanzmittel hatte er stattdessen selbst die Pflege von Sammlungen, Häusern und Grundstücken übernommen. Dadurch blieb zwar das Goethehaus für die Öffentlichkeit ein halbes Jahrhundert lang verschlossen. Aber es war auch Walthers testamentarische Verfügung von 1885, welche dieses Dornröschendasein beendete. Durch seine letztwillige Verfügung wurden Goethes Sammlungen und Immobilien dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach übereignet und gleichzeitig der Großherzogin Sophie persönlich das Familienarchiv als wichtigster Teil des großväterlichen Nachlasses zugesprochen. Das war die Grundlage für die Erhaltung und Öffnung der Gedenkstätten sowie für die textkritische Erforschung des Werkes.
Was Goethe in den Anmerkungen zu "Rameaus Neffe" von Voltaire schrieb, bezog der Dichter indes wohl eher auf sich als auf die Enkel: "Wenn Familien sich lange erhalten, so kann man bemerken, daß die Natur endlich ein Individuum hervorbringt, das die Eigenschaften seiner sämtlichen Ahnherren in sich begreift und alle bisher vereinzelten und angedeuteten Anlagen vereinigt und vollkommen ausspricht." Den Enkeln aber bleibt im Schatten des großen Meisters das Verdienst, dessen Spuren für die Nachwelt gesichert zu haben.
MANFRED OSTEN
Dagmar von Gersdorff: "Goethes Enkel Walther, Wolfgang und Alma". Insel Verlag, Frankfurt am Main 2008. 286 S., geb., 19,80 [Euro].
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Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren, was mitunter zur Bürde wird: Dagmar von Gersdorff beschreibt die wenig erfolgreichen Lebensläufe von Goethes Enkeln.
Goethe liebte es, dort zu gehen, "wo die Widersprüche schwirren". Entsprechend Widersprüchliches findet sich in seinem Werk auch zum Thema Enkel. Im Faust ist es Mephisto, der lakonisch bemerkt: "Weh dir, dass du ein Enkel bist!", während Goethe in den Zahmen Xenien freundlich statuiert: "Erwachsne gehen mich nichts mehr an, / Ich muss nun an die Enkel denken." Was Goethe über seine eigenen Enkel gedacht hat, lässt sich bei Eckermann nachlesen: "Der Wolf gefällt mir über die Maßen wohl. Er ist ein tiefer fester Charakter, von dem sich einmal viel erwarten lässt. Walther dagegen ist viel leichter, er hat mehr das Naturell seiner Mutter - Wolf mehr das seines Großvaters."
Was der Großvater den beiden Enkeln prophezeite, ist eine Sache. Eine andere ist es freilich, dass erstaunlicherweise bislang nicht die Probe aufs Exempel gemacht wurde. In Wahrheit waren es drei Enkel, Walther, Wolfgang und Alma, über die Goethe 1828 (an Zelter) glücklich berichtet hatte: "Das kleine Volk im zweiten Grade hat etwas eigen Anmutiges und Gefälliges." Und die Zuneigung Goethes zu diesem "kleinen Volk" muss sich im Fall des Erstgeborenen (Walther) sogar bis zur "großväterlichen Affenliebe" (Goethe an den in Weimar lebenden englischen Schriftsteller Melish, 16. Juni 1819) gesteigert haben.
Dagmar von Gersdorff ist nicht nur den Spuren von Goethes Zuneigung nachgegangen. Sie hat vielmehr die Lebensläufe der drei unverheiratet gebliebenen Enkel neu und gründlich recherchiert. Das Ergebnis ist eine immer wieder überraschende Synopse wenig erfolgreicher Biographien, denen von Gersdorff gleichwohl mit kritischer Empathie und stilistisch elegant Gerechtigkeit widerfahren lässt. Dass ein solches Buch von dieser Autorin stammt, überrascht nicht. Seit mehr als einem halben Jahrzehnt widmet sie sich kenntnisreich zentralen Personen im Umfeld des Dichters: von Goethes Mutter über Lili Schönemann und Marianne von Willemer bis hin zu Goethes später Liebe Ulrike von Levetzow.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Hier irrte Goethe. Vor allem seine Prophezeiung über den zweitgeborenen Enkel, den späteren Legationsrat und Kammerherrn des Großherzogs Carl Alexander von Weimar, Wolfgang von Goethe (1820-1883), hat sich nicht erfüllt. Wir begegnen einem erfolglosen, hypochondrischen Dichter und Diplomaten (mit offenbar homophilen Neigungen ganz wie sein Bruder Walther). "Wölfchen", Großvaters Liebling, der auf die mit seinem Namen verknüpften Erwartungen früh mit einem Nervenleiden reagierte, zieht in seinem Gedicht "Meine Ernte" die Summe seines Lebens mit den bedrückenden Worten: "Es kam der Erntewagen, / Sie buken neues Brot. / Ich hielt die leeren Halme / Und dachte an den Tod."
Auch die Lebensernte des ersten Enkelsohns, des späteren Komponisten und Kammerherrn am Weimarer Hof, Walther von Goethe (1818-1885), fällt wenig erfolgreich aus. Schwächlich, depressiv und von Jugend an kränklich, gab er nach entmutigenden musikalischen Studien - vernichtend kritisch das Urteil Mendelssohns - und Kompositionsversuchen früh die künstlerische Laufbahn auf und zog sich in die Mansardenwohnung des Goethehauses in Weimar zurück. Er sah seine dortige Rolle allerdings darin, "Wächter, Hüter - Stationsbeamter" des großväterlichen Erbes zu sein. Die Brüder waren gezwungen, mit großen finanziellen Einschränkungen zu leben: Mutter Ottilie (ihr Ehemann, Goethes Sohn August, war bereits 1830 in Rom gestorben) hatte durch ihren großzügigen Lebensstil - wie von Gersdorff schlüssig resümiert - "nicht nur das vorhandene Vermögen dezimiert, sondern auch das Kapital der Söhne verbraucht".
Von Gersdorff gibt überhaupt eine besonders lebendige Schilderung von Goethes leichtsinniger und in zahlreiche erotische Eskapaden verwickelter Schwiegertochter Ottilie, geborene von Pogwisch (1796-1872). Eine zweifelhafte Erzieherin gab sie auch für ihr drittes Kind ab, die jung verstorbene Tochter Alma von Goethe (1827-1844). Mit vierzehn Jahren wurde Alma Zeugin einer "kleinen Flirtation" der Mutter in einem Landgasthof, welche sie dort inszenierte, "um nicht aus der Übung zu kommen", wie sie ihrem Sohn Walther brieflich mitteilt. Auch Walthers empörte Antwort lässt sich bei von Gersdorff nachlesen: "Ich finde Deine Abenteuerlust nicht sehr günstig für Alma und wollte, Du bliebst immer als Lady oben in Deiner Stube, überhaupt sehe ich für Alma die größten Gefahren ..." Bereits 1834 hatte die abenteuerlustige Ottilie ihre Kinder mit der Nachricht einer unerwünschten Schwangerschaft und der Geburt (1835) der Stiefschwester Anna Sibylle in Wien konfrontieren müssen. Der Vater war vermutlich der Engländer Captain Story.
In eigenen Kapiteln werden die schriftstellerischen Versuche der Enkel gewürdigt. Man erfährt, dass Wolfgangs Märchendrama "Erlinde" sogar von Goethes Freund, dem Naturforscher Alexander von Humboldt, vor der Veröffentlichung gelesen wurde. Trotz des ermutigenden Kommentars Humboldts blieb das romantisch-epigonale Werk jedoch unvollendet. Einem wesentlich aktuelleren Sujet hatte sich dagegen sein als Komponist gescheiterter Bruder zugewandt. Walther begann heimlich eine literarische Arbeit mit dem Titel "Fährmann hol über", auf die er offenbar große Hoffnungen setzte. Da er sich jedoch als Verfasser nicht zu erkennen geben wollte, verstaubte das 1848 erschienene Buch beim Verleger. Erst 1906 entdeckte man, dass es sich um den Versuch des ältesten Goethe-Enkels handelte, die bedrückende Situation des Wiener Suppenküchen-Proletariats von 1848 sozialkritisch in drei Erzählungen zu verarbeiten. Dieses von "edler Gesinnung und Mitgefühl" gegenüber den Unterdrückten getragene Werk aber kam ohnehin zu spät. Von Gersdorff bilanziert den Misserfolg: "Längst waren wichtigere Bücher erschienen, sozialkritische Literatur war an der Tagesordnung. Als Walther sich nach zwei Jahren bei seinem Verleger (Wilhelm Hertz) nach dem Absatz erkundigte, musste er erfahren, dass insgesamt nur 163 Exemplare verkauft worden waren."
Was die nun vorliegende Familienchronik der Enkel Goethes auszeichnet, ist die Verbindung von Anschaulichkeit und Akribie, mit der die Autorin in Erinnerung ruft, was vielen kaum bekannt sein dürfte. Zwar steht auf Walther von Goethes Grabmal die Inschrift: "Mit ihm erlosch Goethes Geschlecht." Für den Zusatz aber, dass "dessen Name die Zeit überdauert", sind nicht unwesentlich die beiden Enkel des Dichters verantwortlich. Hatte doch vor allem Walther, der seit Ende der vierziger Jahre die Verwaltung des großväterlichen Erbes als Lebensaufgabe betrachtete, konsequent einer Zersplitterung des Nachlasses durch Verkauf an den Deutschen Bund vorgebeugt. Trotz begrenzter Finanzmittel hatte er stattdessen selbst die Pflege von Sammlungen, Häusern und Grundstücken übernommen. Dadurch blieb zwar das Goethehaus für die Öffentlichkeit ein halbes Jahrhundert lang verschlossen. Aber es war auch Walthers testamentarische Verfügung von 1885, welche dieses Dornröschendasein beendete. Durch seine letztwillige Verfügung wurden Goethes Sammlungen und Immobilien dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach übereignet und gleichzeitig der Großherzogin Sophie persönlich das Familienarchiv als wichtigster Teil des großväterlichen Nachlasses zugesprochen. Das war die Grundlage für die Erhaltung und Öffnung der Gedenkstätten sowie für die textkritische Erforschung des Werkes.
Was Goethe in den Anmerkungen zu "Rameaus Neffe" von Voltaire schrieb, bezog der Dichter indes wohl eher auf sich als auf die Enkel: "Wenn Familien sich lange erhalten, so kann man bemerken, daß die Natur endlich ein Individuum hervorbringt, das die Eigenschaften seiner sämtlichen Ahnherren in sich begreift und alle bisher vereinzelten und angedeuteten Anlagen vereinigt und vollkommen ausspricht." Den Enkeln aber bleibt im Schatten des großen Meisters das Verdienst, dessen Spuren für die Nachwelt gesichert zu haben.
MANFRED OSTEN
Dagmar von Gersdorff: "Goethes Enkel Walther, Wolfgang und Alma". Insel Verlag, Frankfurt am Main 2008. 286 S., geb., 19,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Erhellend scheint Manfred Koch dieses Buch über "Goethes Enkel", das Dagmar von Gersdorff vorgelegt hat. Ausführlich berichtet er über Goethe als liebevollen Großvater seiner Enkel Walther, Wolfgang und Alma. Die Autorin führt für ihn vor Augen, dass das Großvater-Idyll auch ein "Schutzraum gegen die schlimme Ehe der Eltern" war. Während Goethes Sohn August seinen Pflichten am Weimarer Hof nachging und dem Alkohol verfiel, suchte Schwiegertochter Ottilie ihr Glück in erotischen Eskapaden. Koch hebt hervor, dass mit Goethes Tod für die Enkelkinder eine Tragödie begann: Alma stirbt als Sechzehnjährige an Tyhpus, Walther und Wolfgang versuchen sich glücklos als Dichter und Musiker. "Vielleicht hätten die beiden eine Chance zu bescheidenem Glück gehabt", meint Koch, "hätten ihre Erzieher und sie selbst nur dieses eine Mal einer Goethe'schen Prophezeiung misstraut".
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Das Ergebnis ist eine immer wieder überraschende Synopse wenig erfolgreicher Biographien, denen von Gersdorff gleichwohl mit kritischer Empathie und stilistisch elegant Gerechtigkeit widerfahren lässt.« Manfred Osten Frankfurter Allgemeine Zeitung