Europa in wenigen Jahren: Das neugegründete Zarenreich Russland hat das gesamte Baltikum gewaltsam annektiert und dabei jede Spur estnischer Kultur ausgelöscht. Viljandi, ein vormals gemächliches Städtchen im Herzen Estlands, wurde so zum Sammelbecken für allerlei Bohemiens und gescheiterte Existenzen aus dem neuen Zarenreich. Eines Morgens raubt der Meisterdieb Konstantin Opiatowitsch in der Straßenbahn einen Mann aus, der sich als der große russische Literaturklassiker Nikolai Gogol entpuppt, nach rund 170 Jahren von den Toten zurückgekehrt. Zusammen mit einem Haufen so zwielichtiger wie charmanter Kleinkrimineller und Tagediebe versucht Opiatowitsch den Wiedergänger für seine Zwecke einzuspannen – doch der will sich nicht in ihren Plan fügen und entfesselt für seine Entführer einen albtraumhaften Reigen, der ganz Viljandi ins Chaos stürzt. In Gogols Disko nimmt Kultautor Paavo Matsin nicht nur die Angst der Esten vor dem mächtigen Nachbarn aufs Korn, sondern auch ihre Zerrissenheit zwischen östlicher und westlicher Kultur. Mit seinem anarchischen Humor und zahlreichen Bezügen zur Popkultur der Beatles-Ära gelingt es ihm, eine Atmosphäre heraufzubeschwören, in der diese Angst greifbar und zugleich ad absurdum geführt wird.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Katharina Granzin entdeckt hinter all dem karnevalesken Irrsinn in Paavo Matsins Roman über ein Estland der nahen Zukunft und seine verrückte Kunstszene, in der Musiker, Taschendiebe und sogar Gogol als Zombie auftritt, eine politische Botschaft. Sie hat damit zu tun, dass im Buch nur Russen auftreten, verrät Granzin. Wie der Autor das "baltische Trauma" der russischen Invasion in einer burlesken Horrorshow verarbeitet, in der die Vision eines Lennon-Museums die Agenda zu bestimmen scheint, findet die Rezensentin originell, auch wenn das Buch dem Leser einiges an Aufmerksamkeit abverlangt, wie sie schreibt. Die Übersetzung von Maximilian Murmann scheint ihr gelungen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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