Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2016Platon
In seinem „Gorgias“ taucht zum ersten Mal in der Geschichte das Wort „Rhetorik“ auf. Und dieser philosophische Dialog ist auch gleich schon die erste prinzipielle Auseinandersetzung mit den Risiken demokratischer Kommunikation. Platon war da ein gebranntes Kind: Sein Lehrer Sokrates war gut zehn Jahre bevor der „Gorgias“ geschrieben wurde, im Jahr 399 vor Christus, zum Tod verurteilt worden. Und zwar durch Mehrheitsbeschluss des Volkes. Grund für die Hinrichtung waren sehr dehnbare Tatbestände gewesen: Missachtung der Religion und zersetzende Wirkung auf die Jugend von Athen. Daher bekommt Sokrates, vor dessen Tod das Gespräch spielt, im „Gorgias“ die prophetischen Worte in den Mund gelegt: „Wenn ich aber wegen Mangel an schmeichlerischer Redekunst sterben müsste …“
Genau dies, dass die politische Rhetorik nichts als unsachliche „Schmeichelei“ sei, ist denn auch der Vorwurf an die Wahlkampfmanager und PR-Coaches seiner Zeit, die Sophisten. Einer davon ist der titelgebende Gorgias. Noch viel schlimmer ist einer seiner Sympathisanten namens Kallikles, der skrupellos das Recht des Stärkeren vertritt. Dies rechtfertige jegliche demagogischen, populistischen Tricks. Sokrates kontert: Solche Politiker „behandeln ihres eigenen Vorteils wegen, den gemeinsamen vernachlässigend, das versammelte Volk wie Kinder“. Klingt vertraut? Seither versucht man die Rhetorik, die jede Demokratie braucht, den Bösen als Waffe zu entreißen. Darum muss man sie studieren, jetzt erst recht.
JSL
Platon: Gorgias. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und hrsg. von M. Erler und Th. Kobusch. Reclam Verlag, 342 Seiten, 9,80 Euro. Den Originaltext und die Übersetzung von Friedrich Schleiermacher gibt es auch gemeinfrei im Internet.
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In seinem „Gorgias“ taucht zum ersten Mal in der Geschichte das Wort „Rhetorik“ auf. Und dieser philosophische Dialog ist auch gleich schon die erste prinzipielle Auseinandersetzung mit den Risiken demokratischer Kommunikation. Platon war da ein gebranntes Kind: Sein Lehrer Sokrates war gut zehn Jahre bevor der „Gorgias“ geschrieben wurde, im Jahr 399 vor Christus, zum Tod verurteilt worden. Und zwar durch Mehrheitsbeschluss des Volkes. Grund für die Hinrichtung waren sehr dehnbare Tatbestände gewesen: Missachtung der Religion und zersetzende Wirkung auf die Jugend von Athen. Daher bekommt Sokrates, vor dessen Tod das Gespräch spielt, im „Gorgias“ die prophetischen Worte in den Mund gelegt: „Wenn ich aber wegen Mangel an schmeichlerischer Redekunst sterben müsste …“
Genau dies, dass die politische Rhetorik nichts als unsachliche „Schmeichelei“ sei, ist denn auch der Vorwurf an die Wahlkampfmanager und PR-Coaches seiner Zeit, die Sophisten. Einer davon ist der titelgebende Gorgias. Noch viel schlimmer ist einer seiner Sympathisanten namens Kallikles, der skrupellos das Recht des Stärkeren vertritt. Dies rechtfertige jegliche demagogischen, populistischen Tricks. Sokrates kontert: Solche Politiker „behandeln ihres eigenen Vorteils wegen, den gemeinsamen vernachlässigend, das versammelte Volk wie Kinder“. Klingt vertraut? Seither versucht man die Rhetorik, die jede Demokratie braucht, den Bösen als Waffe zu entreißen. Darum muss man sie studieren, jetzt erst recht.
JSL
Platon: Gorgias. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und hrsg. von M. Erler und Th. Kobusch. Reclam Verlag, 342 Seiten, 9,80 Euro. Den Originaltext und die Übersetzung von Friedrich Schleiermacher gibt es auch gemeinfrei im Internet.
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