Das spannende Porträt einer einflussreichen Frau in der Männerwelt des Vatikans zur Zeit Pius' XII. Sie stand vierzig Jahre an der Seite von Papst Pius XII. Nie hatte eine Frau im Vatikan so viel Macht wie die Ordensschwester aus Altötting, die 1919 bei Nuntius Eugenio Pacelli in "Hausdienst" trat und zur einflussreichen Privatsekretärin des späteren Papstes Pius XII. aufstieg. Sie begleitete ihn auf seinen apostolischen Reisen und leitete das päpstliche Hilfswerk in Rom. Sie war eng vertraut mit den Kardinälen Faulhaber aus München und Spellman aus New York. Martha Schad zeichnet den Lebensweg der Schwester Pascalina auf der Grundlage bislang unbekannten Archivmaterials.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.01.2008Bayern-Buch
Neues vom Büchermarkt
Die Hüterin des Papstes
Wie eine Altöttinger Ordensschwester von einer einfachen Haushälterin zur mächtigsten Frau im Vatikan aufstieg
Von Franz Freisleder
Nicht nur der mächtigste Mann im Vatikan stammt aus Bayern. Auch die mächtigste Frau in der jüngeren Geschichte des Kirchenstaats war eine Bayerin. Die 1894 in Ebersberg als Tochter eines Postboten geborene Josefine Lehnert diente vier Jahrzehnte lang als Haushälterin und Privatsekretärin von Papst Pius XII. Wie berechtigt es in diesem Fall ist, von Macht und Einfluss zu sprechen, belegt jetzt anhand vieler, zum Teil bisher unveröffentlichter Dokumente die Historikerin Martha Schad in ihrem Buch „Gottes mächtige Dienerin”.
Von zwölf Kindern ist Josefine das siebte. Zwei ihrer Geschwister haben bereits geistliche Berufe, und auch sie will in die Mission. 1913 tritt sie bei den Lehrschwestern vom Heiligen Kreuz in Altötting ein. Deren Schweizer Mutterhaus unterhält dort seit 1894 eine Niederlassung, in der man für den Dienst in Südafrika, Indien und Chile ausbildet. Im Ersten Weltkrieg ist aber keine Ausreise möglich. Josefine, die inzwischen Schwester Pascalina heißt, landet deshalb 1918 zunächst als Handarbeitslehrerin im Mussenhausener Marienheim. Doch schon nach wenigen Monaten erhält sie von ihrer Altöttinger Provinzialoberin eine neue Order. Sie soll zusammen mit zwei anderen Schwestern aushilfsweise für zwei Monate in München dem Päpstlichen Nuntius Eugenio Pacelli und seinem Stab den Haushalt führen.
Wie rasch sich Pascalina bei ihrem neuen Chef unentbehrlich macht, beweisen Briefe, in denen dieser hartnäckig alle Register zieht, um ihren Verbleib in seinen Diensten zu sichern. Hatte sie sich doch schon in den Tagen der Novemberrevolution geweigert, bewaffneten Revoluzzern den Schlüssel für seinen Dienstwagen herauszugeben; hatte ihn begleitet, als er – im Trachtenanzug verkleidet – in ein Schweizer Haus ihres Ordens flüchtete. Bald schon darf sie die Antworten auf Briefe an ihn vorbereiten. 1925 organisiert sie den Umzug nach Berlin; 1930 den in den Vatikan, wo Pacelli als Kardinalstaatssekretär einzieht und seine „rechte Hand” dank einer Dispens von Papst Benedikt XV. mitbringen darf.
Als Pacelli 1939 selbst Papst wird, ist Pascalina längst nicht mehr Haushälterin, sondern Hausdame, Privatsekretärin und Verwalterin. Sie hat die Macht, Audienzen zuzulassen oder zu verhindern. Große Verdienste erwirbt sie sich als Leiterin des Päpstlichen Hilfswerks nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch ihre guten Beziehungen zu Kardinal Spellman kann sie Care-Pakete und Dollar-Spenden nach ganz Europa vermitteln. Allein nach München schickt sie 1946 per Lastwagen und mit 300 Bahnwaggons Hilfsgüter zur Verteilung. Bedingungslos verehrt Pascalina ihren Papst auch nach seinem Tod; betreibt energisch dessen Seligsprechung, die sie allerdings, da sie 1983 in Wien starb, nicht mehr erlebt.
Doch hat die Medaille der Verdienste auch eine Kehrseite – verursacht durch die herrschsüchtigen Züge dieser beflissenen Dienerin ihres Herren. So droht schon in den 20er Jahren der Münchner Franziskaner-Provinzial, seine Mitbrüder von der Berliner Nuntiatur abzuziehen, falls Pascalina nicht abberufen werde. In Rom untersagt sie der Schwester des Papstes, den kranken Bruder zu besuchen. „Sie schulmeistert das ganze Hauspersonal”, zitiert die Autorin einen Kenner der Materie. Eine Zeitzeugin erinnert sich an manche Schikane, die sie von ihrer Vorgesetzten erdulden musste. Nach ihrer Vatikan-Zeit macht Pascalina als „Generalprokuratorin der Menzinger Schwestern in Rom” ihrer Mitschwester, der Oberin am dortigen nordamerikanischen Priesterkolleg, so lange das Leben schwer, bis die aufgibt und sie selbst diesen Posten übernehmen kann.
Unumstritten ist gleichwohl, was der heutige Papst, Pascalinas Landsmann Joseph Ratzinger bei einer Gedenkmesse zu ihrem zehnten Todestag sagte: Sie habe „als Haushälterin und Sekretärin durch ihre praktische, nüchterne Art verstanden, für Pius XII. den menschlichen Lebensraum zu schaffen, den er brauchte, um seiner Aufgabe in schwierigen Zeiten gerecht zu werden.”
Martha Schad: Gottes mächtige Dienerin. Schwester Pascalina und Papst Pius XII., Herbig Verlag, 255 Seiten, ISBN 978 3 7766 2531-8, 19,90 Euro.
In der Nachkriegszeit hatte Pascalina Lehnert durch das päpstliche Hilfswerk für Bayern segensreich gewirkt. Ministerpräsident Franz Josef Strauß verlieh ihr am 12. Juni 1980 den Bayerischen Verdienstorden. Foto: Hans Lehnert
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Die Hüterin des Papstes
Wie eine Altöttinger Ordensschwester von einer einfachen Haushälterin zur mächtigsten Frau im Vatikan aufstieg
Von Franz Freisleder
Nicht nur der mächtigste Mann im Vatikan stammt aus Bayern. Auch die mächtigste Frau in der jüngeren Geschichte des Kirchenstaats war eine Bayerin. Die 1894 in Ebersberg als Tochter eines Postboten geborene Josefine Lehnert diente vier Jahrzehnte lang als Haushälterin und Privatsekretärin von Papst Pius XII. Wie berechtigt es in diesem Fall ist, von Macht und Einfluss zu sprechen, belegt jetzt anhand vieler, zum Teil bisher unveröffentlichter Dokumente die Historikerin Martha Schad in ihrem Buch „Gottes mächtige Dienerin”.
Von zwölf Kindern ist Josefine das siebte. Zwei ihrer Geschwister haben bereits geistliche Berufe, und auch sie will in die Mission. 1913 tritt sie bei den Lehrschwestern vom Heiligen Kreuz in Altötting ein. Deren Schweizer Mutterhaus unterhält dort seit 1894 eine Niederlassung, in der man für den Dienst in Südafrika, Indien und Chile ausbildet. Im Ersten Weltkrieg ist aber keine Ausreise möglich. Josefine, die inzwischen Schwester Pascalina heißt, landet deshalb 1918 zunächst als Handarbeitslehrerin im Mussenhausener Marienheim. Doch schon nach wenigen Monaten erhält sie von ihrer Altöttinger Provinzialoberin eine neue Order. Sie soll zusammen mit zwei anderen Schwestern aushilfsweise für zwei Monate in München dem Päpstlichen Nuntius Eugenio Pacelli und seinem Stab den Haushalt führen.
Wie rasch sich Pascalina bei ihrem neuen Chef unentbehrlich macht, beweisen Briefe, in denen dieser hartnäckig alle Register zieht, um ihren Verbleib in seinen Diensten zu sichern. Hatte sie sich doch schon in den Tagen der Novemberrevolution geweigert, bewaffneten Revoluzzern den Schlüssel für seinen Dienstwagen herauszugeben; hatte ihn begleitet, als er – im Trachtenanzug verkleidet – in ein Schweizer Haus ihres Ordens flüchtete. Bald schon darf sie die Antworten auf Briefe an ihn vorbereiten. 1925 organisiert sie den Umzug nach Berlin; 1930 den in den Vatikan, wo Pacelli als Kardinalstaatssekretär einzieht und seine „rechte Hand” dank einer Dispens von Papst Benedikt XV. mitbringen darf.
Als Pacelli 1939 selbst Papst wird, ist Pascalina längst nicht mehr Haushälterin, sondern Hausdame, Privatsekretärin und Verwalterin. Sie hat die Macht, Audienzen zuzulassen oder zu verhindern. Große Verdienste erwirbt sie sich als Leiterin des Päpstlichen Hilfswerks nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch ihre guten Beziehungen zu Kardinal Spellman kann sie Care-Pakete und Dollar-Spenden nach ganz Europa vermitteln. Allein nach München schickt sie 1946 per Lastwagen und mit 300 Bahnwaggons Hilfsgüter zur Verteilung. Bedingungslos verehrt Pascalina ihren Papst auch nach seinem Tod; betreibt energisch dessen Seligsprechung, die sie allerdings, da sie 1983 in Wien starb, nicht mehr erlebt.
Doch hat die Medaille der Verdienste auch eine Kehrseite – verursacht durch die herrschsüchtigen Züge dieser beflissenen Dienerin ihres Herren. So droht schon in den 20er Jahren der Münchner Franziskaner-Provinzial, seine Mitbrüder von der Berliner Nuntiatur abzuziehen, falls Pascalina nicht abberufen werde. In Rom untersagt sie der Schwester des Papstes, den kranken Bruder zu besuchen. „Sie schulmeistert das ganze Hauspersonal”, zitiert die Autorin einen Kenner der Materie. Eine Zeitzeugin erinnert sich an manche Schikane, die sie von ihrer Vorgesetzten erdulden musste. Nach ihrer Vatikan-Zeit macht Pascalina als „Generalprokuratorin der Menzinger Schwestern in Rom” ihrer Mitschwester, der Oberin am dortigen nordamerikanischen Priesterkolleg, so lange das Leben schwer, bis die aufgibt und sie selbst diesen Posten übernehmen kann.
Unumstritten ist gleichwohl, was der heutige Papst, Pascalinas Landsmann Joseph Ratzinger bei einer Gedenkmesse zu ihrem zehnten Todestag sagte: Sie habe „als Haushälterin und Sekretärin durch ihre praktische, nüchterne Art verstanden, für Pius XII. den menschlichen Lebensraum zu schaffen, den er brauchte, um seiner Aufgabe in schwierigen Zeiten gerecht zu werden.”
Martha Schad: Gottes mächtige Dienerin. Schwester Pascalina und Papst Pius XII., Herbig Verlag, 255 Seiten, ISBN 978 3 7766 2531-8, 19,90 Euro.
In der Nachkriegszeit hatte Pascalina Lehnert durch das päpstliche Hilfswerk für Bayern segensreich gewirkt. Ministerpräsident Franz Josef Strauß verlieh ihr am 12. Juni 1980 den Bayerischen Verdienstorden. Foto: Hans Lehnert
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