Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: gut (2), Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Deutsches Seminar I), Veranstaltung: Gregorius, Sprache: Deutsch, Abstract: Rund 1500 Jahre liegen zwischen der Entstehung des sophokleischen Ödipus und der Gregoriuslegende Hartmanns von Aue. Da erscheint es auf den ersten Blick äußerst ge-wagt, wenn nicht gar unmöglich, eine Verbindung zwischen beiden Werken sehen und darlegen zu wollen. Denn „Tragödie und Legende sind verschieden voneinander wie ein griechischer Tempel und ein gotischer Dom“[1], wie Günther Zuntz zu Recht bemerkt. Dabei ist es nicht nur der große zeitliche Raum, der die beiden Werke voneinander trennt. Auch zwischen den politischen, religiösen und sozialen Rahmenbedingungen, in denen Ödipus und Gregorius erschaffen worden sind, herrscht eine gewaltige Kluft. Es wäre durchaus angebracht, hier den berühmten Vergleich zwischen Tag und Nacht heranzuzie-hen. Zwei wesentliche Elemente, an denen die Differenz besonders deutlich wird, seien hierbei in aller Kürze genannt. Auf der einen Seite finden wir im antiken Griechenland eine polytheistisch ausgerichtete Gesellschaft, wohingegen die Zeit Hartmanns schon ein Jahrtausend lang durch die monotheistische Lehre des Christentums geprägt ist. Ebenso liegen zwischen der gesellschaftlichen Struktur Welten. Während wir in Griechenland die erste Einführung einer ansatzweise demokratischen Grundsätzen verpflichteten Gesell-schaftsordnung beobachten dürfen, folgt die mittelalterliche Gesellschaft Hartmanns dem strengen und noch unveränderlichen Prinzip einer nach Ständen geordneten Struktur, in der Klerus und Adel um die Vorherrschaft kämpfen. Auch wenn mit dieser Beschreibung die Distanz nur grob umrissen wird, zeigt sie doch deutlich, dass man sehr vorsichtig mit dem angestrebten Vergleich von Ödipus und Gregorius umgehen muss. Keinesfalls darf man die Texte ohne Berücksichtigung dieses Hintergrunds nebeneinander legen. Dennoch hat sich auch immer wieder erwiesen, dass der Literatur universelle Prinzipien der menschlichen Existenz zugrunde liegen, die die Grenzen von Zeit und Raum spren-gen. So bescheinigt Joachim Pfeiffer vollkommen zu Recht den Mythen der Antike, dass sie „auch nach über 2000 Jahren […] noch nichts von ihrer Wirkungskraft eingebüßt“ haben[2]. Insbesondere gilt das für die Tragödie des Königs Ödipus, die Zuntz nicht zu-letzt „als das Meisterstück auch formaler Vollendung“ bezeichnet[3]. Ein ebenso großes und nicht minder zutreffendes Lob hält er für den Gregorius bereit, den er „ein Juwel mittelalterlicher Dichtung“[4] nennt.