Jede Berührung ist Teil einer Schuld, die älter ist als sie selbst. Greta und Jannis waren Nachbarskinder. Als Jannis Greta schüchtern fragte, ob er ihr Bruder sein darf, war sie einverstanden. Jahre später küsst sie ihn mitten auf den Mund. Sie verlieben sich wie naturgewollt – und dürfen doch kein Liebespaar sein. Ein Geheimnis ihrer Familien, ein Geröllfeld, bald ein ganzer Gebirgszug liegt zwischen ihnen. Während Jannis in der Stadt bleibt, zieht sich Greta ins letzte Dorf im Gebirge zurück, wo vieles anders ist, als es scheint. Die Kinder, die sie mit ihrer Großtante Severine umsorgt, wurden ausgesetzt – weil es ihnen an Kraft und Ausdruck fehlte. Täglich schimpft Severine über die Väter und schweigt über die Mütter: "Hast du Gott heute schon gedankt, dass du keinen Mann hast?" "Nein, aber ich werde es noch machen", antwortet Greta dann und sagt nicht, wohin sie für Tage, mehr noch für die Nächte durchs Gebirge reist. Sarah Kuratles betörend schöner Debütroman führt in eine zart schwebende, intime, zuweilen surreale Welt. Er bewegt sich in einem märchenhaften Raum, der sich einer zeitlichen und geografischen Zuordnung entzieht. In eindrucksvollen Bildern ergründet die Autorin den Zauber des Spürens und die Tragik hinter dem, was recht und richtig scheint. Ihre Sätze sind voller Melodie, kein Wort ist zufällig, wenn sie vom Leben und Lieben in der Abgrenzung erzählt.