Wer bei dem Buch „Grönemeyer“ von Michael Lentz eine Biografie erwartet, wird enttäuscht sein. Der Professor für Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt setzt vielmehr die Texte des Musikers in Relation
zu dessen Biografie und ordnet sie ein. Dabei ist der Lebenslauf Grönemeyers nebensächlich, aber…mehrWer bei dem Buch „Grönemeyer“ von Michael Lentz eine Biografie erwartet, wird enttäuscht sein. Der Professor für Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt setzt vielmehr die Texte des Musikers in Relation zu dessen Biografie und ordnet sie ein. Dabei ist der Lebenslauf Grönemeyers nebensächlich, aber nicht unwichtig. Ich gebe zu, ich bin mit etwas anderen Erwartungen an das Buch herangegangen, trotzdem wurde ich nicht enttäuscht.
Das Buch ist eine beeindruckende Einordnung von Grönemeyers Werk in sein musikalisches Werden, wobei mir der sprachliche Duktus von Michael Lentz manchmal zu theoretisch, distanziert und professionell war. Eines ist klar: das Buch ist keine Unterhaltungslektüre. Dem Buch liegt eine beeindruckend umfassende Recherche zugrunde, der Autor zeigt eine profunde Kenntnis dessen, worüber er schreibt. Er zeichnet Herbert Grönemeyers Lebens- und Karriereweg nach. Von einer von Musik und Literatur geprägten bürgerlichen Kindheit und Jugend im Ruhrgebiet, über ein abgebrochenes Jura- und Musikwissenschaftsstudium, eine aufstrebende Schauspielkarriere (umfassende Bekanntheit erlangte er durch seine Rolle in „Das Boot“) bis zu dem, womit er im Endeffekt Musikgeschichte geschrieben hat. Eng mit allem verknüpft war immer Grönemeyers politische Einstellung, „er entwickelte ein Sensorium für politisch brisante Atmosphären, das er in seinen Liedern produktiv machen sollte.“
Insgesamt ist das Buch eher eine 385-seitige Werkbiografie als eine Musiker-Biografie. Um daran Freude zu haben, muss man schon ein großes Interesse an Musiktheorie, Kompositionslehre und Literatur mitbringen, besser noch eine gewisse Grundkenntnis der Materie. Beides glaubte ich zu haben, dennoch empfand ich persönlich das Buch zugegebenermaßen als etwas zu anspruchsvoll für mich. Die Fülle an Analysen hat mich mehr oder weniger erschlagen und auch die Sprache des Autors lag mir nicht wirklich. Alle, die aber Lust darauf haben, hinter die Songs von Herbert Grönemeyer zu schauen, zu erfahren, wie er komponiert, wie seine Texte entstehen und warum er so singt, wie er singt, sind mit dem Buch sehr gut bedient. Michael Lentz beschreibt und analysiert Texte und Harmonien und verliert dabei die Person Grönemeyer nie aus den Augen. Interessant fand ich persönlich, wie seine Songs entstehen. Er „vertont keine Texte, sondern vertextet Musik“, heißt: die Musik kommt als erstes und hat den höheren Stellenwert. Der Text ist dazu eher eine Ergänzung, ein „ein Gewürz, ein weiteres Instrument, das sich unterordnet, oder eine Interpretationshilfe der musikalischen Atmosphäre.“
Man kann Herbert Grönemeyer und seine Musik mögen oder nicht. „Grönemeyer“ von Michael Lentz analysiert den Künstler und sein Werk unabhängig voneinander und doch als Einheit, minutiös, fast pedantisch detailreich und neutral, auf rein professioneller Ebene. Durch das Buch habe ich eine neue Sichtweise auf Musik und Person Herbert Grönemeyer gewonnen und deshalb habe ich die Lektüre trotz allem genossen und als lohnend empfunden. Von mir daher fünf Sterne.