Spektakulär von Donald Trump gefeuert, legt Ex-FBI-Direktor James Comey die politischen Machenschaften in Washington und das von Donald Trump korrumpierte System offen. Auch der Mueller-Report hat bewiesen: Mit Trump regiert seit 2017 ein Präsident, der wie ein Mafiaboss agiert. Mit scharfem Blick zeichnet Comey nach, wie Machtbesessenheit und Egomanie die demokratischen Grundwerte der USA aushöhlen. Ein Stück Zeitgeschichte, so spannend wie ein Thriller - nun gibt es den SPIEGEL-Bestseller endlich im Taschenbuch. James Comeys brisante Erinnerungen an die vergangenen 20 Jahre im Zentrum der Macht zeigen ihn als unbeugsamen Ermittler, der gegen die Mafia, gegen CIA-Folter und NSA-Überwachung, und zuletzt im Wahlkampf 2016 gegen Hillary Clintons Umgang mit dienstlichen Emails und Donald Trumps Russland-Verbindungen vorgegangen ist. Der Weg des New Yorker Vorzeigejuristen gleicht einer politischen Achterbahnfahrt: stellvertretender Justizminister unter George W. Bush, zum FBI-Direktor ernannt von Barack Obama und gefeuert von Donald Trump wegen angeblicher Illoyalität. Sein Buch ist ein eindrückliches Lehrstück über den aufrechten Gang in einer verantwortungslosen Regierung. Ein Sachbuch wie ein Kriminalroman der Extraklasse: »Comey schreibt mit der Präzision eines Staatsanwalts und dem Talent eines Romanciers.« - Der Spiegel
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.04.2018Erinnerungen
in Orange
Der frühere FBI-Direktor Comey präsentiert sein Trump-Buch
James Comey
New York – Als der ehemalige FBI-Direktor James Comey zum ersten Mal auf Donald Trump traf, fiel ihm zunächst die ungewöhnliche Gesichtsfarbe des US-Präsidenten auf. „Sein Gesicht hatte einen leicht orangefarbenen Teint mit hellen Halbmonden unter den Augen. Ich nehme an, er trägt eine Schutzbrille, wenn er ins Solarium geht“, schreibt Comey in seiner mit Spannung erwarteten Autobiografie, die am kommenden Dienstag veröffentlicht wird. Das ist keine neue Beobachtung und auch keine bahnbrechende Enthüllung, aber ein gutes Beispiel für den Ton, in dem Comey über Trump schreibt. Die Geringschätzung, die er für den Präsidenten empfindet, spricht aus jeder Zeile.
Comey ist im Mai vergangenen Jahres als FBI-Chef von Trump gefeuert worden. Seither sind die beiden Männer einander in inniger Abneigung verbunden. Meist fochten sie ihre Dispute auf Twitter aus Nun legt Comey sein Buch vor, in dem es größtenteils um seine Karriere im FBI geht, der zentralen Sicherheitsbehörde der USA. Dass das Werk schon vor dem offiziellen Erscheinungstermin auf den Bestsellerlisten steht, liegt nicht an den vielen Seiten, auf denen Comey über seine Laufbahn und seine Werte sinniert, sondern an den wenigen Kapiteln, in denen er seine Interaktionen mit Trump beschreibt. „A Higher Loyalty – Truth, Lies and Leadership“ lautet der Originaltitel des Buches, auf Deutsch heißt es „Größer als das Amt – Auf der Suche nach der Wahrheit“.
Wer sich neue, tiefer gehende Erkenntnisse über den 45. US-Präsidenten versprochen hatte, wird enttäuscht. Das meiste, was Comey schreibt, ist bereits bekannt, nur eben nicht so episch ausgeschmückt. Comey findet Zeit, auf die zu lang gebundenen Krawatten Trumps einzugehen und sogar auf dessen vielbeschriebene Frisur: „Seine Haare waren strahlend blond und beeindruckend hindrapiert. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, wie lange er morgens wohl brauchte, bis er das so hinbekam.“ Wie die Passage über das orangefarbene Gesicht ist diese Beschreibung vordergründig harmlos, aber der Nachsatz soll offenkundig deutlich machen, dass er Trump für einen Fatzke hält, der seine Zeit mit dem Arrangieren seiner Haare verschwendet. Noch eine kleine Gemeinheit dieser Art: „Als er mir die Hand entgegenstreckte, stellte ich fest, dass sie kleiner war als meine, aber nicht ungewöhnlich klein.“ Es ärgert den Präsidenten ungemein, dass er wegen seiner kleinen Hände verspottet wird.
Die für Trump gefährlichste Passage ist eine, über die Comey schon einmal Auskunft gegeben hat. Nachdem Trump seinen Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn feuern musste, weil dieser im Amt gelogen hatte, sagte er angeblich zu Comey, dass er hoffe, dieser könne die Sache auf sich beruhen lassen. Flynn sei doch ein guter Mann. Die Frage ist, ob diese Bitte so ernst zu nehmen war, dass sie eine Aufforderung zur Einflussnahme auf die oder gar zur Behinderung der Justiz darstellt. Comey nennt die Szene „besorgniserregend“. Ebenfalls bereits bekannt ist eine Episode, in der Trump bei einem Abendessen von Comey Loyalität forderte. Darauf bezieht sich der Originaltitel des Buches, mit dem Comey zu verstehen gibt, dass seine Loyalität eben nicht Trump, sondern dem Land und dem Gesetz gilt.
Am interessantesten sind die Passagen, in denen Comey das System Trump beschreibt und Einschätzungen von dessen Charakter anbietet. Comey hat in seiner Laufbahn unter anderem lange gegen die New Yorker Mafia ermittelt, und als er erstmals mit Trump und dessen Team zusammensaß, wähnte er sich in diese Zeit zurückversetzt. „Ich fühlte mich an die Klubs der New Yorker Mafia erinnert, die ich in den 1980er- und 1990er-Jahren als Staatsanwalt kennengelernt hatte“, schreibt er: „Der Ravenite Club der Gambinos. The Palma Boys Social Club, in dem ,Fat Tony’ Salerno mit seinen Kumpels feierte. Das Café Giordano, wo dem FBI 1988 ein erster großer Schlag gegen die Dons gelungen war.“ Dass ein ehemaliger FBI-Chef den amtierenden amerikanischen Präsidenten so offen mit Mafia-Bossen vergleicht, ist durchaus bemerkenswert.
Comey beschreibt Trump als habituellen Lügner, als unethischen Anführer, der frei sei von menschlichen Emotionen und alles seinem Ego unterordne. Nichts, aber auch wirklich nichts Gutes kann Comey an Trump finden. Was dessen Präsidentschaft für die USA bedeutet, hat er so zusammengefasst: „Wir durchleben in unserem Land gerade eine gefährliche Zeit, mit einem politischen Klima, in dem Fakten angezweifelt, fundamentale Wahrheiten infrage gestellt, Lügen für normal erklärt und unethisches Verhalten ignoriert, entschuldigt oder sogar belohnt werden.“
Comey wird nun eine Reihe von Fernsehauftritten absolvieren und mit dem Buch durch die USA touren. Trumps Team hat derweil eine Kampagne vorbereitet, um die Glaubwürdigkeit Comeys zu unterminieren, unter anderem mit der just eingerichteten Website „Lyin’ Comey“ (Lügender Comey). Trump reagierte am Freitag auf seine Art – über Twitter bezeichnete er Comey als „verlogenen Schleimscheißer“.
CHRISTIAN ZASCHKE
„Ich fühlte mich
an die Klubs der
New Yorker Mafia
erinnert, die ich in den
1980er- und 1990er-Jahren
als Staatsanwalt
kennengelernt hatte.“
Nichts, aber auch wirklich nichts Gutes kann der im vergangenen Jahr geschasste FBI-Chef James Comey an seinem Präsidenten finden.
Foto: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
in Orange
Der frühere FBI-Direktor Comey präsentiert sein Trump-Buch
James Comey
New York – Als der ehemalige FBI-Direktor James Comey zum ersten Mal auf Donald Trump traf, fiel ihm zunächst die ungewöhnliche Gesichtsfarbe des US-Präsidenten auf. „Sein Gesicht hatte einen leicht orangefarbenen Teint mit hellen Halbmonden unter den Augen. Ich nehme an, er trägt eine Schutzbrille, wenn er ins Solarium geht“, schreibt Comey in seiner mit Spannung erwarteten Autobiografie, die am kommenden Dienstag veröffentlicht wird. Das ist keine neue Beobachtung und auch keine bahnbrechende Enthüllung, aber ein gutes Beispiel für den Ton, in dem Comey über Trump schreibt. Die Geringschätzung, die er für den Präsidenten empfindet, spricht aus jeder Zeile.
Comey ist im Mai vergangenen Jahres als FBI-Chef von Trump gefeuert worden. Seither sind die beiden Männer einander in inniger Abneigung verbunden. Meist fochten sie ihre Dispute auf Twitter aus Nun legt Comey sein Buch vor, in dem es größtenteils um seine Karriere im FBI geht, der zentralen Sicherheitsbehörde der USA. Dass das Werk schon vor dem offiziellen Erscheinungstermin auf den Bestsellerlisten steht, liegt nicht an den vielen Seiten, auf denen Comey über seine Laufbahn und seine Werte sinniert, sondern an den wenigen Kapiteln, in denen er seine Interaktionen mit Trump beschreibt. „A Higher Loyalty – Truth, Lies and Leadership“ lautet der Originaltitel des Buches, auf Deutsch heißt es „Größer als das Amt – Auf der Suche nach der Wahrheit“.
Wer sich neue, tiefer gehende Erkenntnisse über den 45. US-Präsidenten versprochen hatte, wird enttäuscht. Das meiste, was Comey schreibt, ist bereits bekannt, nur eben nicht so episch ausgeschmückt. Comey findet Zeit, auf die zu lang gebundenen Krawatten Trumps einzugehen und sogar auf dessen vielbeschriebene Frisur: „Seine Haare waren strahlend blond und beeindruckend hindrapiert. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, wie lange er morgens wohl brauchte, bis er das so hinbekam.“ Wie die Passage über das orangefarbene Gesicht ist diese Beschreibung vordergründig harmlos, aber der Nachsatz soll offenkundig deutlich machen, dass er Trump für einen Fatzke hält, der seine Zeit mit dem Arrangieren seiner Haare verschwendet. Noch eine kleine Gemeinheit dieser Art: „Als er mir die Hand entgegenstreckte, stellte ich fest, dass sie kleiner war als meine, aber nicht ungewöhnlich klein.“ Es ärgert den Präsidenten ungemein, dass er wegen seiner kleinen Hände verspottet wird.
Die für Trump gefährlichste Passage ist eine, über die Comey schon einmal Auskunft gegeben hat. Nachdem Trump seinen Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn feuern musste, weil dieser im Amt gelogen hatte, sagte er angeblich zu Comey, dass er hoffe, dieser könne die Sache auf sich beruhen lassen. Flynn sei doch ein guter Mann. Die Frage ist, ob diese Bitte so ernst zu nehmen war, dass sie eine Aufforderung zur Einflussnahme auf die oder gar zur Behinderung der Justiz darstellt. Comey nennt die Szene „besorgniserregend“. Ebenfalls bereits bekannt ist eine Episode, in der Trump bei einem Abendessen von Comey Loyalität forderte. Darauf bezieht sich der Originaltitel des Buches, mit dem Comey zu verstehen gibt, dass seine Loyalität eben nicht Trump, sondern dem Land und dem Gesetz gilt.
Am interessantesten sind die Passagen, in denen Comey das System Trump beschreibt und Einschätzungen von dessen Charakter anbietet. Comey hat in seiner Laufbahn unter anderem lange gegen die New Yorker Mafia ermittelt, und als er erstmals mit Trump und dessen Team zusammensaß, wähnte er sich in diese Zeit zurückversetzt. „Ich fühlte mich an die Klubs der New Yorker Mafia erinnert, die ich in den 1980er- und 1990er-Jahren als Staatsanwalt kennengelernt hatte“, schreibt er: „Der Ravenite Club der Gambinos. The Palma Boys Social Club, in dem ,Fat Tony’ Salerno mit seinen Kumpels feierte. Das Café Giordano, wo dem FBI 1988 ein erster großer Schlag gegen die Dons gelungen war.“ Dass ein ehemaliger FBI-Chef den amtierenden amerikanischen Präsidenten so offen mit Mafia-Bossen vergleicht, ist durchaus bemerkenswert.
Comey beschreibt Trump als habituellen Lügner, als unethischen Anführer, der frei sei von menschlichen Emotionen und alles seinem Ego unterordne. Nichts, aber auch wirklich nichts Gutes kann Comey an Trump finden. Was dessen Präsidentschaft für die USA bedeutet, hat er so zusammengefasst: „Wir durchleben in unserem Land gerade eine gefährliche Zeit, mit einem politischen Klima, in dem Fakten angezweifelt, fundamentale Wahrheiten infrage gestellt, Lügen für normal erklärt und unethisches Verhalten ignoriert, entschuldigt oder sogar belohnt werden.“
Comey wird nun eine Reihe von Fernsehauftritten absolvieren und mit dem Buch durch die USA touren. Trumps Team hat derweil eine Kampagne vorbereitet, um die Glaubwürdigkeit Comeys zu unterminieren, unter anderem mit der just eingerichteten Website „Lyin’ Comey“ (Lügender Comey). Trump reagierte am Freitag auf seine Art – über Twitter bezeichnete er Comey als „verlogenen Schleimscheißer“.
CHRISTIAN ZASCHKE
„Ich fühlte mich
an die Klubs der
New Yorker Mafia
erinnert, die ich in den
1980er- und 1990er-Jahren
als Staatsanwalt
kennengelernt hatte.“
Nichts, aber auch wirklich nichts Gutes kann der im vergangenen Jahr geschasste FBI-Chef James Comey an seinem Präsidenten finden.
Foto: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2018Ein Rechtschaffener und der Präsident
Wie der ehemalige FBI-Direktor James Comey seine historische Rolle sieht
Ende des Jahres 2016 wussten die meisten Amerikaner, wie sie den FBI-Direktor James Comey bewerten sollen. Sie orientierten sich dabei strikt an den Parteilinien. Den Demokraten war der politisch den Republikanern nahestehende Mann eine Hassfigur - er war derjenige, der ihre Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton um den Sieg gebracht hatte. Die Republikaner stimmten zwar damit überein, dass er Clinton den Sieg gekostet habe, für sie war das aber ein Grund zur Freude - Comey also ein guter Mann. Diese Bewertung hat sich jedoch verändert. Comey ließ das FBI die Einmischung Russlands in den Wahlkampf untersuchen und wurde wahrscheinlich deswegen von Präsident Donald Trump entlassen. Seitdem arbeitete sich der Präsident an ihm ab, was Comey in den Augen der Liberalen ein gutes Stück rehabilitiert. Für die Trump-Anhänger ist er nun aber eine Persona non grata, deren Glaubwürdigkeit sie mit allen Möglichkeiten zu unterminieren versuchen.
Comey war durchaus klar, dass er es sich mit einem der beiden politischen Lager in Amerika verscherzen werde, als er elf Tage vor der Präsidentenwahl einen Brief an den Kongress sandte. Doch dass beide Seiten wütend auf ihn sein würden, habe er nicht kommen sehen, schreibt er in seinem Buch "Größer als das Amt: Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an" (Originaltitel: "A Higher Loyalty - Truth, Lies, And Leadership"), das zum Teil auf den Aufzeichnungen basiert, die er sich nach Gesprächen mit Trump gemacht hatte.
Die Fakten sind bekannt: Comey schrieb als FBI-Direktor kurz vor der Wahl einen Brief an das amerikanische Parlament, in dem er ankündigte, das FBI werde die Untersuchung gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre wiederaufnehmen, weil neue Beweise aufgetaucht seien. Nun beschreibt Comey die Gewissensnöte, die er vor der Entscheidung gehabt habe. Die eine Möglichkeit sei gewesen, nichts verlautbaren zu lassen und damit möglicherweise die Wahl einer Politikerin zu begünstigen, gegen die eine Untersuchung der Bundespolizei lief. Die andere, für die er sich entschieden hat, war, die Parlamentarier - und damit die Öffentlichkeit - zu informieren und möglicherweise auf diese Weise Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Comey sagt heute, er bete, dass das nicht der Fall gewesen sei, denn das FBI müsse immer unparteiisch sein. Seinen eigenen Ansprüchen an sich selbst nach habe er aber nicht anders handeln können, schreibt er.
Einer, der Comeys Ansprüchen nicht genügt, ist Donald Trump. Der Präsident der Vereinigten Staaten regiere das Land wie ein Mafia-Boss, so Comey. Er erwarte absolute Loyalität von seinen Mitarbeitern und denke in einfachen Freund-Feind-Kategorien. Dass der Direktor des FBI ihm nicht huldigen wollte, habe Trump nicht verstanden. Dieser sei nicht fähig, das Amt des Präsidenten angemessen auszuführen, und eine Gefahr für die amerikanischen Werte. Er agiere völlig losgelöst von Moral und Wahrheit, versuche im Gegenteil "einen Kokon alternativer Realität" um sich und seine Mitarbeiter zu weben. Trump werde nur von seinem Ego angetrieben, schreibt Comey.
Seine Zusammenkünfte und Gespräche mit dem Präsidenten sind aus Comeys Aussagen im Kongress bekannt. Genauso wie Trumps Frage, ob Comey die Untersuchung gegen dessen kurz zuvor entlassenen Sicherheitsberater Michael Flynn fallenlassen könne. Diese Aufforderung wird derzeit vom Sonderermittler Robert Mueller dahingehend untersucht, ob Trump damit die Justiz behindern und die Ermittlungen in der Russland-Affäre unterminieren wollte, was strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Bislang nicht so eingehend ist Trumps Obsession mit dem "Steele Dossier" bekannt. Immer wieder habe der Präsident Comey darauf angesprochen, ihn gar aufgefordert, dieses zu untersuchen, um zu beweisen, dass es falsch sei. Die Vorstellung, dass besonders seine Frau Melania glauben könne, er habe in einem Moskauer Hotel Umgang mit Prostituierten gehabt und diese aufgefordert, auf das Bett zu urinieren, schien den Präsidenten stark zu beschäftigen - weniger die Behauptung, der russische Geheimdienst besitze Videoaufnahmen davon.
James Comey versucht in seinem Buch darzulegen, was ethische Führung ist und wie er im Laufe seines Lebens diese Standards entwickelt hat. Gute Führung hat für ihn viel mit Kritikfähigkeit und moralischer Integrität zu tun. Eigenschaften, die der gegenwärtige Präsident nicht besitze. Doch auch Comey muss sich fragen lassen, ob er seinen eigenen Ansprüchen immer gerecht wird. Auch wenn er nachvollziehbar aufzeigt, warum er bestimmte Dinge getan hat, ist nicht zu erkennen, dass er Kritik an seinem Verhalten gelten lässt. Bis auf ein paar Kleinigkeiten würde er immer wieder so handeln, schreibt der ehemalige FBI-Direktor. Diese Pose des rechtschaffenen Mannes, in die Comey sich immer wieder wirft, sorgt spätestens ab der Mitte des Buches für einen leichten Überdruss.
Nichtsdestotrotz ist Comey ein Buch gelungen, das nicht nur wegen der Passagen über Clinton und Trump, sondern auch wegen der eingestreuten Anekdoten und der kursorischen Beschreibung seines Lebensweges lesenswert ist. Von dem reißerischen Untertitel und Klappentext sollte man sich dabei weder blenden noch abhalten lassen.
OLIVER KÜHN
James Comey: Größer als das Amt. Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an, Droemer-Verlag, München 2018, 384 Seiten.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie der ehemalige FBI-Direktor James Comey seine historische Rolle sieht
Ende des Jahres 2016 wussten die meisten Amerikaner, wie sie den FBI-Direktor James Comey bewerten sollen. Sie orientierten sich dabei strikt an den Parteilinien. Den Demokraten war der politisch den Republikanern nahestehende Mann eine Hassfigur - er war derjenige, der ihre Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton um den Sieg gebracht hatte. Die Republikaner stimmten zwar damit überein, dass er Clinton den Sieg gekostet habe, für sie war das aber ein Grund zur Freude - Comey also ein guter Mann. Diese Bewertung hat sich jedoch verändert. Comey ließ das FBI die Einmischung Russlands in den Wahlkampf untersuchen und wurde wahrscheinlich deswegen von Präsident Donald Trump entlassen. Seitdem arbeitete sich der Präsident an ihm ab, was Comey in den Augen der Liberalen ein gutes Stück rehabilitiert. Für die Trump-Anhänger ist er nun aber eine Persona non grata, deren Glaubwürdigkeit sie mit allen Möglichkeiten zu unterminieren versuchen.
Comey war durchaus klar, dass er es sich mit einem der beiden politischen Lager in Amerika verscherzen werde, als er elf Tage vor der Präsidentenwahl einen Brief an den Kongress sandte. Doch dass beide Seiten wütend auf ihn sein würden, habe er nicht kommen sehen, schreibt er in seinem Buch "Größer als das Amt: Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an" (Originaltitel: "A Higher Loyalty - Truth, Lies, And Leadership"), das zum Teil auf den Aufzeichnungen basiert, die er sich nach Gesprächen mit Trump gemacht hatte.
Die Fakten sind bekannt: Comey schrieb als FBI-Direktor kurz vor der Wahl einen Brief an das amerikanische Parlament, in dem er ankündigte, das FBI werde die Untersuchung gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre wiederaufnehmen, weil neue Beweise aufgetaucht seien. Nun beschreibt Comey die Gewissensnöte, die er vor der Entscheidung gehabt habe. Die eine Möglichkeit sei gewesen, nichts verlautbaren zu lassen und damit möglicherweise die Wahl einer Politikerin zu begünstigen, gegen die eine Untersuchung der Bundespolizei lief. Die andere, für die er sich entschieden hat, war, die Parlamentarier - und damit die Öffentlichkeit - zu informieren und möglicherweise auf diese Weise Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Comey sagt heute, er bete, dass das nicht der Fall gewesen sei, denn das FBI müsse immer unparteiisch sein. Seinen eigenen Ansprüchen an sich selbst nach habe er aber nicht anders handeln können, schreibt er.
Einer, der Comeys Ansprüchen nicht genügt, ist Donald Trump. Der Präsident der Vereinigten Staaten regiere das Land wie ein Mafia-Boss, so Comey. Er erwarte absolute Loyalität von seinen Mitarbeitern und denke in einfachen Freund-Feind-Kategorien. Dass der Direktor des FBI ihm nicht huldigen wollte, habe Trump nicht verstanden. Dieser sei nicht fähig, das Amt des Präsidenten angemessen auszuführen, und eine Gefahr für die amerikanischen Werte. Er agiere völlig losgelöst von Moral und Wahrheit, versuche im Gegenteil "einen Kokon alternativer Realität" um sich und seine Mitarbeiter zu weben. Trump werde nur von seinem Ego angetrieben, schreibt Comey.
Seine Zusammenkünfte und Gespräche mit dem Präsidenten sind aus Comeys Aussagen im Kongress bekannt. Genauso wie Trumps Frage, ob Comey die Untersuchung gegen dessen kurz zuvor entlassenen Sicherheitsberater Michael Flynn fallenlassen könne. Diese Aufforderung wird derzeit vom Sonderermittler Robert Mueller dahingehend untersucht, ob Trump damit die Justiz behindern und die Ermittlungen in der Russland-Affäre unterminieren wollte, was strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Bislang nicht so eingehend ist Trumps Obsession mit dem "Steele Dossier" bekannt. Immer wieder habe der Präsident Comey darauf angesprochen, ihn gar aufgefordert, dieses zu untersuchen, um zu beweisen, dass es falsch sei. Die Vorstellung, dass besonders seine Frau Melania glauben könne, er habe in einem Moskauer Hotel Umgang mit Prostituierten gehabt und diese aufgefordert, auf das Bett zu urinieren, schien den Präsidenten stark zu beschäftigen - weniger die Behauptung, der russische Geheimdienst besitze Videoaufnahmen davon.
James Comey versucht in seinem Buch darzulegen, was ethische Führung ist und wie er im Laufe seines Lebens diese Standards entwickelt hat. Gute Führung hat für ihn viel mit Kritikfähigkeit und moralischer Integrität zu tun. Eigenschaften, die der gegenwärtige Präsident nicht besitze. Doch auch Comey muss sich fragen lassen, ob er seinen eigenen Ansprüchen immer gerecht wird. Auch wenn er nachvollziehbar aufzeigt, warum er bestimmte Dinge getan hat, ist nicht zu erkennen, dass er Kritik an seinem Verhalten gelten lässt. Bis auf ein paar Kleinigkeiten würde er immer wieder so handeln, schreibt der ehemalige FBI-Direktor. Diese Pose des rechtschaffenen Mannes, in die Comey sich immer wieder wirft, sorgt spätestens ab der Mitte des Buches für einen leichten Überdruss.
Nichtsdestotrotz ist Comey ein Buch gelungen, das nicht nur wegen der Passagen über Clinton und Trump, sondern auch wegen der eingestreuten Anekdoten und der kursorischen Beschreibung seines Lebensweges lesenswert ist. Von dem reißerischen Untertitel und Klappentext sollte man sich dabei weder blenden noch abhalten lassen.
OLIVER KÜHN
James Comey: Größer als das Amt. Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an, Droemer-Verlag, München 2018, 384 Seiten.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Comey schreibt mit der Präzision eines Staatsanwalts, dem Talent eines Romanciers und dem Ehrgeiz eines begabten Narzissten." 20180421