Ulrich Schaffer
GrundRechte – Ein Manifest
Und immer wieder stand und steht für mich die Frage nach meinen Grundbe-dürfnissen im Raum. Nicht zu wissen, welche diese sind, führt zum Glauben rechtlos zu sein, sie nicht für sich einzufordern und macht ängstlich, willen- und mutlos; macht unfähig,
zu widerstehen; macht unsicher – unsicher, ob man man selbst sein darf; macht beliebig bis zur…mehrUlrich Schaffer
GrundRechte – Ein Manifest
Und immer wieder stand und steht für mich die Frage nach meinen Grundbe-dürfnissen im Raum. Nicht zu wissen, welche diese sind, führt zum Glauben rechtlos zu sein, sie nicht für sich einzufordern und macht ängstlich, willen- und mutlos; macht unfähig, zu widerstehen; macht unsicher – unsicher, ob man man selbst sein darf; macht beliebig bis zur eigenen Unkenntlichkeit anpassungsfähig; machte mir Druck, alles richtig machen zu müssen, bis ich vergaß, was ich will und wer ich bin und macht es möglich, zu erstarren in seiner Persönlichkeitsentwicklung sowie süchtig zu werden.
Anregungen zum Weiterdenken in meiner Situation fand ich in dem kleinen Büchlein „Grundrechte – ein Manifest“ von Ulrich Schaffer. Dort fand ich ein- bis zweiseitige Texte – Gedichte – die mir beim Grübeln über meine Vergangenheit, Gefühle und Erlebtes in nassen Zeiten, nun in trockenen, wieder Mut machen, das scheinbare Wirre und Unwirkliche in meiner Entwicklung und meinem Verhalten mir und anderen gegenüber auf das Wesentliche zurückführen. Nämlich das Recht auf die Grundbedürfnisse: auf das Recht sich zu lieben, zu trauern, zu wachsen, sich zu verändern, aufzubegehren, ungehorsam zu sein, die Tradition nicht hochzuhalten, andere zu verletzen, un¬zufrieden zu sein, zu fragen, sich vor Menschen zu schützen, seine Freunde zu wählen und vieles andere mehr.
Mir als allzu oft verunsicherten Menschen sprechen die von tiefem Humanis-mus geprägten Texte Mut zu. Die Gedichte, kurzen Texte, des Friedens, des Glücks, der Selbstfindung motivieren, trösten und geben Raum für Ruhe. Sie sind liebe¬voll geschrieben und stellen den Menschen mit seinen Grundbedürf-nissen in den Mittelpunkt. Sie könnten die vielen von den Regierenden erlasse¬nen gesetzgebe¬rischen Akte der Ver- und Gebote im gesellschaftlichen Leben als Grundlage – als Manifest – für ein menschliches Miteinander ersetzen. Wie oft dachten und denken wir Abhängigen und Unabhängigen, trocken o-der/und clean an die Fehler, die wir machten, das Leid, was wir anderen zu-fügten und quälten uns und andere mit der Frage der Vergebung.
DU HAST DAS RECHT, FEHLER MACHEN ZU DÜRFEN.
Fehler sind schlimm, schlecht, furchtbar
und immer mit Schuld verbunden.
So hast du es gelernt
und tief in dich aufgenommen.
Fast bist du handlungsunfähig geworden,
weil die Angst vor dem Fehler-Machen
wie eine Drohung über dir hing.
Der beste Hochspringer
hat wahrscheinlich im Training
die Latte am häufigsten gerissen.
Er ist ein guter Hochspringer geworden,
weil er nach jedem Sprung wieder aufgestanden ist
und sich gemerkt hat, wo sein Fehler war.
Beim nächsten Sprung hat er versucht,
den Fehler zu korrigieren,
und hat nicht aufgegeben, trotz seiner Fehler.
Verhängnisvoll ist die Angst,
die jedes Risiko vermeidet,
die in der Untätigkeit die Lösung sieht,
der die Selbstgerechtigkeit wichtiger ist
als das Wachstum der Person
und die Gott als Fehlersucher versteht.
Weil du lebendig bist,
hast du das Recht, Fehler zu machen.
(aus: Schaffer, Ulrich; Grundrechte, Ein Manifest. – S. 18)
Wir leben unser Leben. Ein Leben mit Lust und Last, mit Freude und Leid, mit Energie, Beziehungen und Krisen in allen möglichen und auch unmöglichen Lebenslagen, Farben und Stimmungen. Vergebung setzt Schuld und fehlerhaftes Verhalten voraus. Wenn wir es mit dem Recht auf Fehler ernst meinen, dann setzt dies auch voraus, Verhalten und Schuldig-Werden nicht moralisch zu be- oder gar zu verurteilen. Dazu ermutigt uns auch der Text Schaffers: „Du hast das Recht, Fehler machen zu dürfen“. Und hier finde ich Trost, Zuversicht und irgendwie wird mir auch eine große Last von den Schultern genommen, wenn ich auf meine Vergangenheit mit all ihren Wirren und Widrigkeiten auch in nassen Zeiten zurückblicke.