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Zu Beginn seiner Abhandlung »Über das einsame Leben« (De vita solitaria) schreibt Francesco Petrarca 1346: »Niemand schafft es, lange unter Wasser zu leben. Es ist unausweichlich, dass er auftaucht und das Antlitz, das er verbarg, offen zeigt.« René Descartes dagegen, in seinen Cogitationes privatae, notiert dreihundert Jahre später: »Wie die Komödianten […] Masken anziehen, so schreite ich, der ich am Schauspiel dieser Welt […] teilzunehmen gedenke, mit einer Maske bedeckt voran.« – Einmal die offene, einmal die verdeckte Konfrontation: bei Petrarca ein Ich, das sich schrittweise erst aus dem…mehr

Produktbeschreibung
Zu Beginn seiner Abhandlung »Über das einsame Leben« (De vita solitaria) schreibt Francesco Petrarca 1346: »Niemand schafft es, lange unter Wasser zu leben. Es ist unausweichlich, dass er auftaucht und das Antlitz, das er verbarg, offen zeigt.« René Descartes dagegen, in seinen Cogitationes privatae, notiert dreihundert Jahre später: »Wie die Komödianten […] Masken anziehen, so schreite ich, der ich am Schauspiel dieser Welt […] teilzunehmen gedenke, mit einer Maske bedeckt voran.« – Einmal die offene, einmal die verdeckte Konfrontation: bei Petrarca ein Ich, das sich schrittweise erst aus dem mittelalterlich-scholastischen Gefüge herauswindet; bei Descartes ein selbstbewusstes, aber skeptisches Subjekt, das sich angesichts der Erfahrungen der Inquisition lieber verdeckt auf die Bühne des Theatrum mundi begibt. Zwischen diesen beiden Selbstentwürfen liegt eine komplexe geistesgeschichtliche Entwicklung, der Thomas Leinkauf in seiner großangelegten, materialreichen Studie zur Philosophie des Humanismus und der Renaissance zwischen 1350 und etwa 1600 detailliert nachgeht. Auf allerhöchstem Niveau, dabei die historischen Grundbedingungen wie die rasante Wissensentwicklung und Weltexploration, Protestantismus und Konfessionalisierung, aber auch Faktoren wie die Ausbreitung der Pest und die Rivalität zum kirchlich-scholastischen Denken im Blick behaltend, beschreibt das Werk die faszinierende, komplizierte, von gegensätzlichen Kräften und Denkschulen vorangetriebene Entwicklung hin zum modernen Denken. Eine Einleitung, ausführliche Register und eine Bibliographie erschließen das Werk.
Autorenporträt
Thomas Leinkauf (geb. 1954) ist Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und Direktor der dortigen Leibniz-Forschungsstelle. Er ist Herausgeber der italienisch-deutschen Giordano-Bruno-Werkeausgabe.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2020

KURZKRITIK
Letzte Lieferung
Thomas Leinkauf über
Humanismus und Renaissance
Die große „Geschichte der Philosophie“ im C.-H.-Beck-Verlag, herausgegeben von Wolfgang Röd (SZ vom 29. November 2019) war mit dem Band XIV abgeschlossen, aber noch nicht komplett. Der Band VI, „Die Philosophie des Humanismus und der Renaissance“, fehlte und liegt nun endlich vor. Der Bearbeiter Thomas Leinkauf hatte in einem anderen Verlag eine zweibändige Ausgabe von 2000 Seiten zu dieser Epoche fertigzustellen. Diese 2000 Seiten nennen sich „Grundriss“! Die für diese Philosophiegeschichte gelieferte Arbeit ist ein Ausschnitt aus jener Edition und sprengt mit ihren 666 Seiten die Formate dieser Philosophiegeschichte entschieden – mit Ausnahme von Band V, der die Philosophie des Hoch- und Spätmittelalters darstellt.
Außerdem ist es nach Art gelehrt-sperriger, gleichwohl auch eindringlicher Schreibe abgefasst. Dabei spielt die Philosophie dieser Ära im Gesamt der Geschichte der Philosophie bekanntlich eine wenig bemerkenswerte Rolle, es sei denn, man zählt Leonardo da Vinci zu den Philosophen, während Nikolaus von Kues ein solcher war. Petrarca war zwar ein poeta doctus wie auch Boccaccio, aber primär waren sie Dichter.
Zu beklagen ist ferner, dass italienische Theologen, Gelehrte oder Poeten dominieren, als hätte der Humanismus hernach nicht als eine europäische Idee gewirkt. Man hat ein wenig den Eindruck, als sei dieser Band VI – das „kleinere Buch“ des Autors zum Thema – kein ganz organischer Teil der Beck’schen Gesamtkonzeption. Wie dem auch sei, die „Geschichte der Philosophie“, herausgegeben von Wolfgang Röd, ist nun endlich abgeschlossen und komplett.
WILLY HOCHKEPPEL
Thomas Leinkauf: Philosophie des Humanismus und der Renaissance. Geschichte der Philosophie Band VI. C. H. Beck Verlag, München 2020. 666 Seiten, 44 Euro.
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»Der Humanismus der Renaissance ist, wie auch derjenige der Antike, eine universale (weltweite) und grenzenlose, weil durch Denken bestimmte Seins- und Lebensform; wie der stoische Weise überall zuhause ist, so auch der umanista. Vor allem jedoch ist er zuhause in den Texten und er sieht und interpretiert den 'Text' der wirklichen Welt, die er seit Petrarca bis hin zu Giordano Bruno mit wachen Augen durchmisst, durch die und mit den Texte(n) der 'Alten' (antiqui).« Thomas Leinkauf