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Zum 200. Geburtstag von Gustav Freytag am 13. Juli 2016. Gustav Freytag (1816 -1895) war zu seinen Lebzeiten der meistgelesene Schriftsteller im Deutschen Kaiserreich. Sein Roman »Soll und Haben" und seine mehrbändigen Kulturgeschichten erreichten mit immer neuen Auflagen Millionen von Lesern. Unter seiner Herausgeberschaft entwickelte sich die Zeitschrift »Die Grenzboten" zwischen 1848 und 1870 zum führenden Sprachrohr der deutschen Nationalliberalen. Bernt Ture von zur Mühlen unterzieht das gängige Freytag-Bild einer kritischen Überprüfung: Geriet der populäre Schriftsteller und Publizist,…mehr

Produktbeschreibung
Zum 200. Geburtstag von Gustav Freytag am 13. Juli 2016. Gustav Freytag (1816 -1895) war zu seinen Lebzeiten der meistgelesene Schriftsteller im Deutschen Kaiserreich. Sein Roman »Soll und Haben" und seine mehrbändigen Kulturgeschichten erreichten mit immer neuen Auflagen Millionen von Lesern. Unter seiner Herausgeberschaft entwickelte sich die Zeitschrift »Die Grenzboten" zwischen 1848 und 1870 zum führenden Sprachrohr der deutschen Nationalliberalen. Bernt Ture von zur Mühlen unterzieht das gängige Freytag-Bild einer kritischen Überprüfung: Geriet der populäre Schriftsteller und Publizist, der sich auch als lautstarker Polenverächter äußerte, mit der negativen Darstellung von Juden in »Soll und Haben" in den Ruf des Antisemiten, so hat er doch andererseits differenzierte Personen geschaffen und in Aufsätzen und Flugschriften zum Kampf gegen jede Art von Antisemitismus aufgerufen. Diese erste umfassende Biographie zeichnet den Lebensweg des gebürtigen Schlesiers und preußischen Patrioten nach: Privatdozentur in Breslau, frühe Erfolge als Dramatiker, Kauf des »Grenzboten", sensationeller Aufstieg zum führenden deutschen Romancier, gescheiterte Karriere als Reichstagsabgeordneter, Berater des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Der 200. Geburtstag Gustav Freytags ist Anlass, sich mit Leben und Werk des umstrittenen Mannes zu beschäftigen.

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Autorenporträt
Bernt Ture von zur Mühlen, geb. 1939, ist Buchwissenschaftler. Er veröffentlichte zahlreiche buchwissenschaftliche Publikationen, u.a. »Napoleons Justizmord am deutschen Buchhändler Johann Philipp Palm" (2003).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Gustav Freitag, "der Superpreuße" wie er im Buche steht, der erfolgreichste Schriftsteller der Kaiserzeit, hat zu seinem zweihundertsten Geburtstag von Bernt Ture von zur Mühlen eine Biografie auf den Leib geschrieben bekommen, so Rezensent Benedikt Erenz. Die Widersprüche von Freytags Leben klingen an: sowohl sein ambivalentes Verhältnis zu einem Staat, den er verehrte, der ihm aber immer wieder nachstellte, als auch der Zulauf, den Freytags Bücher ungewollt dem Antisemitismus bescherten, erklärt der Rezensent. Allerdings widmet Mühlen dem historischen Kontext zu wenig Raum, um etwa die Intention und abweichende Wirkung von Erfolgstiteln wie "Soll und Haben" verständlich zu machen, ein Buch, das immerhin lange Zeit eine Art "Grundbuch des Antisemitismus" war, kritisiert Erenz.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2016

Österreich bleibt draußen
Eine Biographie bilanziert das Leben Gustav Freytags

Dass Bernt Ture von zur Mühlen, der Verfasser einer neuen Biographie zu Gustav Freytag, seinem Gegenstand blind zugetan wäre, kann man nicht behaupten. Und auch nicht, dass der ehemalige Gymnasiallehrer mit seinem Buch die Trommel für den vergessenen Autor rührte: Dessen heutiger zweihundertster Geburtstag "könnte der Anlass sein, sich mit dem Leben und Schaffen des meistgelesenen deutschen Schriftstellers des 19. Jahrhunderts zu beschäftigen", schreibt von zur Mühlen vorsichtig. Denn schließlich könnte der Tag ebenso gut einfach vorüberziehen.

Gründe dafür, den Autor ruhen zu lassen, nennt der Biograph genug: Er notiert Freytags "altkluges und belehrendes Auftreten", seine gehässigen Bemerkungen über seine Freunde, geäußert immer nur hinter deren Rücken, schließlich seinen "autoritären und selbstherrlichen Führungsstil" und die Täuschungsmanöver gegenüber Gönnern und Lesern. Und gar die Werke! Auf eine mäßige Promotion folgt eine offenbar ebenso mäßige Habilitation, das Schauspiel "Deutsche Geister" nennt der Biograph einen "elenden Schmarren", die Romanfolge "Die Ahnen" sind voller "allgemein verbreiteter Stereotype", Freytags "lustlos und schludrig" verfasste Autobiographie ist von "dürftiger Qualität", und dass der Erfolgsroman "Soll und Haben" mit antisemitischen Klischees spielt, weil sein Autor wusste, dass derlei beim Publikum ankam, ist ebenso traurig wie dessen tiefe Abneigung gegen alles Polnische.

All dies führt der Biograph an, manches davon weiß man überhaupt erst aufgrund seiner Recherche, für die er etwa den reich überlieferten Briefbestand auswertete. Lässt man sich dennoch auf das schmale Buch ein, wird man allerdings belohnt. Denn ob Freytag nun tatsächlich so viel wie keiner seiner deutschen Zeitgenossen gelesen worden ist oder nicht: Sein Werdegang als Publizist weist über seine Person weit hinaus und ermöglicht einen ergiebigen Blick auf die politischen, literarischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Preußen des neunzehnten Jahrhunderts.

Geboren am 13. Juli 1816 als Sohn eines schlesischen Arztes, Enkel eines Pfarrers und Urenkel eines Bauern, wurde Freytag schon früh zu einem Onkel in die niederschlesische Stadt Oels geschickt, um dort das Gymnasium zu besuchen. Offenbar kam er dort bereits mit glänzenden Lateinkenntnissen an, die ihm über seinen gesamten Bildungsweg halfen, Defizite auf anderen Feldern auszugleichen. Eine akademische Laufbahn zerschlug sich, weil er bei der Bewerbung um einen Germanistik-Lehrstuhl einem weit besser qualifizierten Konkurrenten unterlag. Als Lyriker blieb er bedeutungslos, als Theaterautor feierte er mit dem Zeitstück "Die Journalisten" einige Erfolge. Nötig hatte er all das nicht, denn, so betont sein Biograph, Freytags Familie hatte ihren Besitz so gut angelegt, dass der Sohn davon zehren konnte.

Seine Stunde schlug, als er 1848 die Zeitschrift "Die Grenzboten" übernahm, gemeinsam mit Julian Schmidt, dem Vorkämpfer für den literarischen Realismus. Freytag nutzte das national-liberale Periodikum für die Verbreitung seiner politischen Ansichten, die auf die deutsche Einigung unter Ausschluss von Österreich hinausliefen. Er gewann politischen Einfluss, fand Zugang zum preußischen Königshaus und freundete sich vor allem mit Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha an, der ihn vor Verfolgung schützte, als er beschuldigt wurde, als Journalist Staatsgeheimnisse verraten zu haben.

Mit den "Grenzboten" verdiente Freytag gutes Geld, zum Millionär aber wurde er mit seinem Roman "Soll und Haben", der sich mit Akribie am Beispiel eines Handelshauses den wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit widmet. Den antisemitischen Klischees des Romans stellt der Biograph gerechterweise Freytags späteren publizistischen Kampf gegen Antisemitismus gegenüber und eine Reihe positiv gezeichneter Juden in anderen Werken. Eine Renaissance des Autors wird das Buch dennoch kaum einleiten. Aber als Anregung, in den online zugänglichen "Grenzboten"-Artikeln zu stöbern, dient es zuverlässig.

TILMAN SPRECKELSEN

Bernt Ture von zur Mühlen: "Gustav Freytag".

Biographie.

Wallstein Verlag, Göttingen 2016. 272 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Sie (die Biographie) avanciert sicher zu einem Standardwerk der Gustav-Freytag-Forschung.« (Manfred Orlick, amazon.de, 07.07.2016) »Ein gut lesbares Bändchen (...), das in die Mentalitäts- und Kulturgeschichte des liberalen Bürgertums des 19. Jahrhunderts einführt.« (Joachim Schmiedl, sehepunkte.de, 15.07.2016) »ein sachkundiges und leicht lesbares Werk, das vor allem den einen Vorzug hat: Es stellt Freytag in seine Zeit.« (Karin Grossmann, Sächsische Zeitung, 09./10.07.2016) »eine für den Einstieg in Freytag vorzüglich geeignete, wohltuend sachliche Biografie« (Tilman Krause, Die Welt, 13.07.2016) »der Text (entwickelt) ein wesentlich differenziertes Bild von Freytag als Person, als es bislang zur Verfügung stand« (Christine Achinger, literaturkritik.de, Nr 7, Juli 2016) »Möge sie dazu beitragen, Freytags Werk unvoreingenommener gegenüberzustehen und womöglich wiederzuentdecken« (Walter Neumann, Schlesischer Kulturspiegel 51, 2016) »ein lange überfälliges Orientierungswerk zu einer Schlüsselfigur des 19. Jahrhunderts.« (Katja Mellmann, Arbitrium 36(1), 2018)