Zwei Bücher, die Geschichte machten Mit einem Vorwort von Joachim Gauck, Freund und Weggefährte Kempowskis Die "politischen Befragungsbücher" Walter Kempowskis gehören zum Grundbestand der Auseinandersetzung der Deutschen mit dem Nationalsozialismus. Jetzt werden sie wieder aufgelegt.
Ende der 1950er Jahre begann Walter Kempowski, seine Verwandten nach ihren Erinnerungen an Kindheit, Jugend und die Zeit des Dritten Reichs zu befragen. Sorgfältig notierte der angehende Schriftsteller alles in den "roten Bänden", Grundstock für sein Romanprojekt der "Deutschen Chronik", das ihn berühmt machte. Parallel dazu fing er an, Nachbarn, Bekannten und Passanten zwei Fragen zu stellen: "Haben Sie Hitler gesehen?" und "Haben Sie davon gewusst?" (nämlich von den KZs). Kempowski betrat mit dieser systematischen Befragung Neuland und brach damit im Wirtschaftswunderland Deutschland ein Tabu. Denn Vergessen und Verdrängen war das Gebot der Stunde.
1973 veröffentlichte Kempowski den Frageband um Hitler; er wurde (auch international) ein Bestseller. 1979 folgte der zweite Band. Die beiden Bücher haben ihren festen Platz im Kempowskischen Kosmos und waren wichtige Schritte hin zum "Echolot", "einer der größten Leistungen der Literatur unseres Jahrhunderts" (Frank Schirrmacher).
Ende der 1950er Jahre begann Walter Kempowski, seine Verwandten nach ihren Erinnerungen an Kindheit, Jugend und die Zeit des Dritten Reichs zu befragen. Sorgfältig notierte der angehende Schriftsteller alles in den "roten Bänden", Grundstock für sein Romanprojekt der "Deutschen Chronik", das ihn berühmt machte. Parallel dazu fing er an, Nachbarn, Bekannten und Passanten zwei Fragen zu stellen: "Haben Sie Hitler gesehen?" und "Haben Sie davon gewusst?" (nämlich von den KZs). Kempowski betrat mit dieser systematischen Befragung Neuland und brach damit im Wirtschaftswunderland Deutschland ein Tabu. Denn Vergessen und Verdrängen war das Gebot der Stunde.
1973 veröffentlichte Kempowski den Frageband um Hitler; er wurde (auch international) ein Bestseller. 1979 folgte der zweite Band. Die beiden Bücher haben ihren festen Platz im Kempowskischen Kosmos und waren wichtige Schritte hin zum "Echolot", "einer der größten Leistungen der Literatur unseres Jahrhunderts" (Frank Schirrmacher).
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2012Zwei Fragen nur
1973 und 1979 veröffentlichte Walter Kempowski seine beiden Befragungsbücher zu Hitler. Hunderten Deutschen hatte er seit Ende der fünfziger Jahre die simple Frage gestellt, ob sie Hitler gesehen beziehungsweise ob sie von den Verbrechen des Nationalsozialismus gewusst hätten. Beruf und Geburtsjahrgang ergänzen die meist kurzen Antworten, keine Namen verrät Kempowski, eine Kommentierung versagt er sich. Eine kühl zurückgenommene Collagetechnik, die der 2007 verstorbene Schriftsteller später mit dem mehrbändigen "Echolot" krönen sollte - und auch dort nur eine einzige von ihm verfasste Seite beisteuerte. Die Fragebücher sind integraler Bestandteil seiner "Deutschen Chronik"; nun sind sie erstmals in einem Band versammelt. Den damaligen Nachwort-Autoren Sebastian Haffner und Eugen Kogon gesellt sich der Vorwortschreiber Joachim Gauck hinzu, allerdings ohne substantiellen Gewinn an Einsicht. Den Kompositeur Kempowski als "Buchhalter der Zeitgeschichte" zu charakterisieren, wirkt unangemessen. Die von ihm zusammengetragenen Erinnerungsschnipsel eint die Haltung, damals nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen zu haben. Obendrein: Wie anschaulich Haffner die nach innen durchfärbende "Schutzfarbe" beschreibt, die sich viele Deutsche in der Diktatur zulegten, das erklärt mehr als manche Holocaust-Gedenkstätte und ist auch heute noch unbedingt lesenswert. Gerade für eine Generation, die immer weniger über den Wunderglauben an den "Führer" weiß. (Walter Kempowski: "Haben Sie Hitler gesehen? Haben Sie davon gewußt?" Deutsche Antworten. Knaus Verlag, München 2012. 349 S., geb., 19,99 [Euro]). hhm
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
1973 und 1979 veröffentlichte Walter Kempowski seine beiden Befragungsbücher zu Hitler. Hunderten Deutschen hatte er seit Ende der fünfziger Jahre die simple Frage gestellt, ob sie Hitler gesehen beziehungsweise ob sie von den Verbrechen des Nationalsozialismus gewusst hätten. Beruf und Geburtsjahrgang ergänzen die meist kurzen Antworten, keine Namen verrät Kempowski, eine Kommentierung versagt er sich. Eine kühl zurückgenommene Collagetechnik, die der 2007 verstorbene Schriftsteller später mit dem mehrbändigen "Echolot" krönen sollte - und auch dort nur eine einzige von ihm verfasste Seite beisteuerte. Die Fragebücher sind integraler Bestandteil seiner "Deutschen Chronik"; nun sind sie erstmals in einem Band versammelt. Den damaligen Nachwort-Autoren Sebastian Haffner und Eugen Kogon gesellt sich der Vorwortschreiber Joachim Gauck hinzu, allerdings ohne substantiellen Gewinn an Einsicht. Den Kompositeur Kempowski als "Buchhalter der Zeitgeschichte" zu charakterisieren, wirkt unangemessen. Die von ihm zusammengetragenen Erinnerungsschnipsel eint die Haltung, damals nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen zu haben. Obendrein: Wie anschaulich Haffner die nach innen durchfärbende "Schutzfarbe" beschreibt, die sich viele Deutsche in der Diktatur zulegten, das erklärt mehr als manche Holocaust-Gedenkstätte und ist auch heute noch unbedingt lesenswert. Gerade für eine Generation, die immer weniger über den Wunderglauben an den "Führer" weiß. (Walter Kempowski: "Haben Sie Hitler gesehen? Haben Sie davon gewußt?" Deutsche Antworten. Knaus Verlag, München 2012. 349 S., geb., 19,99 [Euro]). hhm
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