»Ich würde Anwältin werden wie die Anwältinnen in den amerikanischen Serien, die um 20:15 Uhr in unserem Wohnzimmer liefen, durch Gerichtssäle, durch Manhattan, durch unseren Bildschirm. Ich würde anziehend sein. Blicke auf mich ziehen, sie halten und mir hinterher schauen lassen.« | 16
So und
anders schildert die Autorin die Kindheitsvisionen ihrer weiblichen Zukunft. Moshtari Hilal ist…mehr»Ich würde Anwältin werden wie die Anwältinnen in den amerikanischen Serien, die um 20:15 Uhr in unserem Wohnzimmer liefen, durch Gerichtssäle, durch Manhattan, durch unseren Bildschirm. Ich würde anziehend sein. Blicke auf mich ziehen, sie halten und mir hinterher schauen lassen.« | 16
So und anders schildert die Autorin die Kindheitsvisionen ihrer weiblichen Zukunft. Moshtari Hilal ist Manhattan geworden und mehr als das. Auf 220 Seiten zeichnet sie die Kartographie ihrer Hässlichkeit. Die nicht zufällige Fixierung auf Nase, Haut und Körperbehaarung, die sie auch in ihrer Kunst thematisiert, spickt sie in diesem Essay mit Autobiographischem und Auszügen ihrer Werke. Sie fügt Gedanken und historisches Wissen zu den internalisierten Weißen und oft explizit rassistischen Traditionen einer hellen reinen haarlosen Haut und einer zierlichen Nase hinzu und stößt auf die Codes, Disziplinierungen und Begrenzungen der rassifizierten, objektifizierten Linien von Schönheit und Hässlichkeit.
Die Mischung aus Erfahrungen, Lyrik, Kunst, Phänomenen, Geschichte und Forschung ist gelungen. Im Sound ist Hässlichkeit leise, provokant, nüchtern und emotional. Durch ihre Werke werden optische Sinneskanale mit angesprochen.
Hilal lässt nachdenken über Schönheit und Hässlichkeit, sie zeigt, wie wirkmächtig Schönheitsideale gerade für Frauen insb. rassifizierte Frauen sind und wie sie sanktionieren. Der Wunsch, diese beiseite zu legen, vom Objekt zum Subjekt die Kontrolle über den eigenen Körper zu finden, scheint durch, die Fallstricke und Begrenzungen ebenso. Hilal zieht soghaft in ihre Gedanken und biographisch gereiften Standpunkte. Ihre in Worte und Werke übersetzten Erfahrungen und das Sichtbarmachen der unbehaglichen Traditionen überzeugen. Hilal erzeugt auch Reibung, denn hier schreibt eine Frau, die in vielerlei Hinsicht Schönheitsidealen entspricht, auch mit ihnen spielt und es lässt sich ergänzen, weiterdenken, erfragen und erspüren. Wie viel Sanktionierung steckt in Hässlichkeit? Was bedeutet Ästhetik, was kann sie bedeuten und wird sich nicht immer Leid und Ausschluss damit verbinden?
Gibt es Schönheit und Hässlichkeit beyond? Hilal weitet ihre Gedanken auf Gesundheit, Krankheit, Behinderung, Alter und Tod aus und es gelingt auch hier, doch gewinnt sie am meisten mit der Auseinandersetzung mit Dimensionen, die sie persönlichst berühren.
Aber wow, Hässlichkeit denkt und wirkt in mir weiter, verbindet sich mit eigenen Sanktionierungserfahrungen und Profitationen. Der Text lässt mich suchen nach Subversion, denn ich bin ein hoffnungsloser Fall. Das Warten auf diesen inspirierenden Essay zum Thema Ästhetik und Hässlichkeit hat sich gelohnt.
Sehr empfehlenswert.