Drei Frauen gehen aus unterschiedlichen Gründen nicht nach Hause, jede streift für sich durch die Stadt, bevor der Tag vorbei ist. Für Kata ist sie voller Erinnerungen, die sie vermeidet. Als Kind, wenn die Mutter wohnungslos war, hat sie viel Zeit draußen verbracht. Jetzt, im Gehen, fällt ihr auf, dass der öffentliche Raum manche Menschen ausschließt. Katas Kindheit war anders als die von Mira, ihrer Pflegeschwester, bei der sie auch heute noch unterkommt, wenn sie zu Besuch hier ist. Mira verbringt immer weniger Zeit in ihrer Wohnung, sie ist ihr nicht durchlässig genug. Auf ihrem Streifzug denkt sie über Formen der Gemeinschaftlichkeit nach, in Nischen der Stadt, bevor sie selbst in eine solche stolpert. Sarah wiederum bewegt sich an den Rändern, aus der Stadt und ihrem Leben hinaus. Sie hat gerade ihre Sachen in einen stillgelegten Trakt eines Krankenhauses übersiedelt. Anders als Elias, mit dem sie nur noch die gemeinsame Wohnung verbindet, weiß sie, dass dies auch ein Abschied ist. Dieses Buch lotet einen Raum aus, in dem sich Begegnung und Ausweichen, Fragilität und Widerständigkeit, Begehren und Verweigern verdichten. Es ist aufregend behutsam, zugleich tastend und sicher, erzählt.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Fluide Identitäten" hat sich Anna Maria Stadler in ihrem zerklüfteten zweiten Roman vorgenommen, so Rezensentin Rose-Maria Gropp, die in diesem Buch von drei jungen Frauen Kata, Mira und Sarah liest, die einander kennen und ihre Lebenswege durch eine unbenannte Stadt mit großer Ähnlichkeit zu Salzburg abschreiten. Kata denkt bei ihren Streifzügen oft an ihre wohnungslose Mutter, erfahren wir, und nimmt auch die Stadt aus diesem Blickwinkel wahr, während Mira draußen nach der Freiheit sucht, und Sarah sich den Randbereich vornimmt, auf der Suche nach einem neuen Leben. Alle drei spiegeln die Außenwelt innerlich und tragen das Innere nach Außen, meint die Rezensentin, die das aus der österreichischen Literatur schon von Peter Handke kennt. Hier zeigt sich ihr aber stärker noch die Zerrissenheit des Subjekts, ausgedrückt durch eine Lakonie, der Stadler trotz aller Sprachskepsis bisweilen erstaunliche Bilder abtrotzt. Die Richtung stimmt, ruft die Kritikerin der Autorin zu.
© Perlentaucher Medien GmbH
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