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Biographie des BDI-Präsidenten Hans-Günther Sohl
Hans-Günther Sohl war einer der einflussreichsten deutschen Unternehmer der Nachkriegszeit. Seine Karriere begann mit dem Dritten Reich. 1933 trat er rein opportunistisch in die NSDAP ein und erhielt eine Stelle bei Krupp, wo er zum Vorstandsassistenten aufstieg. 1941 wechselte er in den Vorstand der Vereinigten Stahlwerke. Er trieb die Kriegsrüstung des NS-Regimes voran und hat den Einsatz von Zwangsarbeitern zumindest gebilligt.
1948 kehrte Sohl nach einer längeren Internierung zu den Stahlwerken zurück, deren Entflechtung er organisierte. 1953 wurde er für 20 Jahre Vorstandsvorsitzender der August-Thyssen-Hütte, die aus den Stahlwerken hervorging. Durch geschickte Zukäufe machte Sohl Thyssen zu einem diversifizierten Stahltrust nach amerikanischem Vorbild und zum größten Stahlkonzern Europas. Sohl saß in vielen Aufsichtsräten (Siemens, RWE, Dresdner Bank und Allianz). Von 1972 bis 1976 war er Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).
Sohl galt lange Zeit als autoritärer Stahlboss. Dieses Buch zeichnet ein differenzierteres Bild. Der Untergang des NS-Regimes, die Haft und der gemeinsame Kampf mit den Gewerkschaften gegen die alliierten Demontagen veränderten Sohl. So akzeptierte er die paritätische Mitbestimmung in der Schwerindustrie, verhinderte aber ihre Ausdehnung auf andere Branchen. Sohl wurde ein Fürsprecher der Sozialen Marktwirtschaft, der die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Betriebsräten und Gewerkschaftern suchte und mit sozialdemokratischen Regierungen bei allen Kontroversen loyal kooperierte. Diese Einstellung war das Resultat tiefgreifender Lernprozesse. Vor 1933 hatten die Großindustriellen Demokratie und Mitbestimmung noch kategorisch abgelehnt. Sohls Vorgänger als BDI-Präsident, Fritz Berg, hatte die SPD diffamiert und die Erschießung wild Streikender gefordert. Sohl dagegen wollte Konfrontationen vermeiden. Er blieb zeitlebens Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft, der im Ruhestand die neoliberale Wende ablehnte und sich auch mit ökologischen Themen beschäftigte.
Das flüssig geschriebene Buch benutzt die Biographie Sohls als Schlüssel zur Wirtschaftsgeschichte der frühen Bundesrepublik. Zwar gab es nach 1945 in der Wirtschaftselite eine hohe personelle Kontinuität. Jedoch erwiesen sich manche Unternehmer, zumal die jüngeren, als lernfähig. So entsprach auch Hans-Günther Sohl nicht dem Klischee des ultrakonservativen Ruhrindustriellen. HARTMUT BERGHOFF
Volker Berghahn: Hans-Günther Sohl als Stahlunternehmer und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie 1906-1989. Wallstein, Göttingen 2020, 589 Seiten, 56 Euro.
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