'Ray Carney was only slightly bent when it came to being crooked...'
To his customers and neighbors on 125th street, Carney is an upstanding salesman of reasonably-priced furniture, making a life for himself and his family. He and his wife Elizabeth are expecting their second child, and if her parents on Striver's Row don't approve of him or their cramped apartment across from the subway tracks, it's still home.
Few people know he descends from a line of uptown hoods and crooks, and that his façade of normalcy has more than a few cracks in it. Cracks that are getting bigger and bigger all the time.
See, cash is tight, especially with all those instalment plan sofas, so if his cousin Freddie occasionally drops off the odd ring or necklace at the furniture store, Ray doesn't see the need to ask where it comes from. He knows a discreet jeweller downtown who also doesn't ask questions.
Then Freddie falls in with a crew who plan to rob the Hotel Theresa - the 'Waldorf of Harlem' - and volunteers Ray's services as the fence. The heist doesn't go as planned; they rarely do, after all. Now Ray has to cater to a new clientele, one made up of shady cops on the take, vicious minions of the local crime lord, and numerous other Harlem lowlifes.
Thus begins the internal tussle between Ray the striver and Ray the crook. As Ray navigates this double life, he starts to see the truth about who actually pulls the strings in Harlem. Can Ray avoid getting killed, save his cousin, and grab his share of the big score, all while maintaining his reputation as the go-to source for all your quality home furniture needs?
HARLEM SHUFFLE is driven by an ingeniously intricate plot that plays out in a beautifully recreated Harlem of the early 1960s. It's a family saga masquerading as a crime novel, a hilarious morality play, a social novel about race and power, and ultimately a love letter to Harlem.
To his customers and neighbors on 125th street, Carney is an upstanding salesman of reasonably-priced furniture, making a life for himself and his family. He and his wife Elizabeth are expecting their second child, and if her parents on Striver's Row don't approve of him or their cramped apartment across from the subway tracks, it's still home.
Few people know he descends from a line of uptown hoods and crooks, and that his façade of normalcy has more than a few cracks in it. Cracks that are getting bigger and bigger all the time.
See, cash is tight, especially with all those instalment plan sofas, so if his cousin Freddie occasionally drops off the odd ring or necklace at the furniture store, Ray doesn't see the need to ask where it comes from. He knows a discreet jeweller downtown who also doesn't ask questions.
Then Freddie falls in with a crew who plan to rob the Hotel Theresa - the 'Waldorf of Harlem' - and volunteers Ray's services as the fence. The heist doesn't go as planned; they rarely do, after all. Now Ray has to cater to a new clientele, one made up of shady cops on the take, vicious minions of the local crime lord, and numerous other Harlem lowlifes.
Thus begins the internal tussle between Ray the striver and Ray the crook. As Ray navigates this double life, he starts to see the truth about who actually pulls the strings in Harlem. Can Ray avoid getting killed, save his cousin, and grab his share of the big score, all while maintaining his reputation as the go-to source for all your quality home furniture needs?
HARLEM SHUFFLE is driven by an ingeniously intricate plot that plays out in a beautifully recreated Harlem of the early 1960s. It's a family saga masquerading as a crime novel, a hilarious morality play, a social novel about race and power, and ultimately a love letter to Harlem.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2021Ein hinreißender Möbelhändler
Colson Whitehead schreibt weiter an seinem Projekt schwarzer Geschichte, diesmal als Thriller: "Harlem Shuffle"
Die Straßen von Harlem verlaufen noch immer so wie früher: Riverside Drive, 125th Street, Lenox Avenue. Aber längst wohnen dort, oberhalb des Central Parks von Manhattan, andere, weißere Leute als zu jener Zeit, die Colson Whitehead jetzt in seinem neuen Roman beschreibt: "Harlem Shuffle" spielt Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre. Mitten im Aufbruch der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gegen rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung. Eine Phase unter Hochspannung in der Geschichte der Vereinigten Staaten, als es auch in New York zu Protesten und Randalen kam. Nach den Vorkämpfern der schwarzen Emanzipationsbewegung jener Jahre sind seither einige der Straßen in Harlem umbenannt worden: Die Lenox Avenue wurde zum Malcolm X Boulevard. Ein Teil der 125. Straße heißt heute Martin Luther King Boulevard. Das schwarze Harlem drum herum, "die Hauptstadt aller Städte mit Ghettos", wie Bobby Womack es einmal besungen hat, verschwindet dagegen langsam, aber unaufhörlich. Die Gentrifizierung der letzten beiden Jahrzehnte hat es verwandelt.
Colson Whiteheads Geschichte vom Möbelhändler und Teilzeitgangster Ray Carney spielt vor dieser Verwandlung. Und doch ist sie in "Harlem Shuffle" angelegt und immer präsent. Vermutlich hätte sich dieser Ray Carney gar nicht vorstellen können, dass es einmal dazu kommt: Dass also eines Tages seine Kinder und die seiner schwarzen Nachbarn von weißen Zuzüglern aus Vierteln verdrängt werden, die man zu Rays Zeit lieber jetzt als gleich freiwillig verlassen hätte - um vor Gewalt, Drogen, Armut und Perspektivlosigkeit zu fliehen. Und doch ist das seit Langem Alltag.
Das ist eine der Pointen dieses komplexen Romans, der sich so zugänglich liest wie kaum ein zweiter von Colson Whitehead: der gewaltige Umbruch sozialer und geographischer Zugehörigkeit, den Gentrifizierung mit sich bringt - und die Widersprüche, die sie zugleich produziert. Whitehead bringt es zwar so nicht explizit zur Sprache in diesem Buch. Aber man kann es nicht lesen, ohne permanent darüber nachzudenken, was aus diesen Straßen von Harlem heute geworden ist. Und deshalb kann man "Harlem Shuffle" auch genauso wenig ohne eine Straßenkarte lesen. Sonst verläuft man sich zwischen den vielen Adressen.
Und Ray Carney, der Möbelhändler und Teilzeitgangster, sammelt Adressen. Er wächst als Halbwaise auf zwischen der 127. und der 129. Straße - und will dorthin nur noch zurück, wenn er seine Tante besucht. Er will an den Riverside Drive, in eines der großen Apartment-Häuser, wo neuerdings weiße und schwarze Familien Seite an Seite zusammenwohnen. Und wo der Blick auf den mächtigen Hudson River fällt - und nicht auf Stundenhotels und Pfandhäuser und Junkies. "So wie er es sah", das ist Rays Maxime seit Schulzeiten, "lehrte einen das Leben, dass man nicht so leben musste, wie es einem gelehrt worden war. Man kam von einem bestimmten Ort, aber wichtiger war, wo man landen wollte."
Und Ray will landen. Er geht aufs College in Queens, studiert Betriebswirtschaft. Er heiratet eine Frau aus einer gutbürgerlichen schwarzen Familie, Elizabeth, und entdeckt ein Faible für Möbel. Er baut seinen eigenen Laden auf, "Carney's Furniture" auf der 125. Straße. Er träumt davon, Vertragspartner der Firma Bella Fontaine zu werden, Essecken aus Birkenholzfurnier, seidig glänzende Klapptische, mehrtürige Sideboards, die "Monte-Carlo-Kollektion". Aber Ray verkauft bis dahin auch Möbel aus Haushaltsauflösungen. Wobei sich manche dieser Haushalte vielleicht nicht ganz freiwillig aufgelöst haben und Ray aus diesen Auflösungen vielleicht nicht nur Möbel weiterverkauft, sondern auch schon mal Schmuck an die jüdischen Juweliere in Midtown. Einiges von diesem Zeug schafft Rays Cousin Freddie ran. Die beiden sind seit Kindertagen unzertrennlich. Aber Freddie bringt Ray nicht nur Hehlerware aus Einbrüchen, sondern regelmäßig großen Ärger. Und irgendwann ist der Ärger zu groß, und dann muss sein Cousin Ray alles riskieren, damit es doch gut ausgeht, und das ist das Fundament dieses Romans, der sich wie ein entspannter Thriller liest.
Über diesen Thriller hinweg hat der clevere Bestsellerautor Whitehead einen schwarzen Großstadtroman für ein Weltpublikum geschrieben. Er hat dafür wiedererkennbare Figuren geschaffen, irgendwo zwischen epischen und Comic-Helden: der Aufsteiger Ray, sein treulos krimineller Vater, der unverbesserliche Cousin Freddie, der gutherzige Berufsschläger Pepper, der kalte weiße Millionär Van Wyck und seine plumpen Schergen - und schließlich Elizabeth, Rays Ehefrau. Die vielleicht als Einzige wirklich versteht, was vor sich geht, die aber die coolste von allen sein könnte. Weil sie ahnt, was ihr Mann treibt, aber darüber hinwegsieht, weil auch sie nicht zurückwill in die gutbehütete Ödnis ihres Elternhauses in einem der guten schwarzen Viertel von Harlem.
Whitehead nutzt die Wiedererkennbarkeit seiner Figuren also, um eine Sozialstudie des kleineren und größeren schwarzen Bürgertums von Harlem zu schreiben, das Harlem nicht der schwarzen Show und der Musik, sondern der schwarzen Immobilien. Ein weiteres Element seines Projekts historischer Romane aus der Geschichte der Schwarzen seit den Zeiten der Sklaverei. "Harlem Shuffle" ist dabei ein witziges Buch, oft fast slapstickhaft, oft auch subtil, wenn sich Pepper, der Schläger, für einen Job von Ray mit einem Sessel aus dessen Laden bezahlen lässt und vorher Probe sitzt oder sich weiße und schwarze Gangster einfach nicht einigen können, wie man nur diesen Van Wyck richtig ausspricht. Weik? Oder Wick?
Doch auch wenn es deswegen so wirken könnte, als habe Colson Whitehead zwischen gewichtigeren Projekten hier einmal kurz durchgeatmet - nachdem er zuletzt 2019 mit "Underground Rail-road" den Jahrhundertroman der amerikanischen Sklaverei geschrieben hat, aufsehenerregend preisgekrönt, als Serie verfilmt: Dieser neue Roman wirkt nur leicht, wirkt nur wie Genre-Imitat, wirkt nur so, als würde Whitehead sich an Kulissen bedienen, die wie von selbst Atmosphäre erzeugen: schäbige Bars, Puffs, Hotels, die ihre besseren Tage hinter sich haben, New York.
Denn hinter diesen Kulissen verbirgt sich abermals die große Erzählung der schwarzen Emanzipation. Im Juli 1964 kommt es nach dem gewaltsamen Tod eines fünfzehnjährigen schwarzen Jungen, erschossen von einem weißen Polizisten, zu Ausschreitungen in Harlem: ein wahres Kapitel aus der unendlichen Geschichte weißer Polizeigewalt gegen schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner jedes Alters, die bis heute anhält. Ray Carney läuft mitten in die Proteste hinein. Kriegt ein Flugblatt in die Hand, auf dem beschrieben ist, wie man einen Brandsatz baut, und hält es fest - und sorgt sich zugleich, wie sich die Randale auf seine neuen Geschäftsbeziehungen zur Möbelfirma Bella Fontaine auswirken. Dieser Ray Carney, der die feinen und nicht so feinen Unterschiede zwischen ihm und dem Rest der Welt genauestens studiert, um die Armut hinter sich lassen zu können, ohne seine schwarze Identität dabei preiszugeben, ist eine ambivalente, stolze, unvergessliche Figur.
Einmal fragt ihn der weiße Cop, den Ray besticht, damit er in Ruhe seine Zeitung lesen kann, ob Ray heute schon die Zeitung gelesen hat. "Wie kommen Sie darauf, dass wir dieselbe Zeitung lesen?", fragt Ray zurück, und in dieser kleinen Szene liegt die große Geschichte eines fundamentalen Risses begründet, den die Vereinigten Staaten bis heute nicht überwunden haben. Und es vielleicht auch niemals werden. TOBIAS RÜTHER.
Colson Whitehead, "Harlem Shuffle". Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, 384 Seiten, 25 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Colson Whitehead schreibt weiter an seinem Projekt schwarzer Geschichte, diesmal als Thriller: "Harlem Shuffle"
Die Straßen von Harlem verlaufen noch immer so wie früher: Riverside Drive, 125th Street, Lenox Avenue. Aber längst wohnen dort, oberhalb des Central Parks von Manhattan, andere, weißere Leute als zu jener Zeit, die Colson Whitehead jetzt in seinem neuen Roman beschreibt: "Harlem Shuffle" spielt Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre. Mitten im Aufbruch der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gegen rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung. Eine Phase unter Hochspannung in der Geschichte der Vereinigten Staaten, als es auch in New York zu Protesten und Randalen kam. Nach den Vorkämpfern der schwarzen Emanzipationsbewegung jener Jahre sind seither einige der Straßen in Harlem umbenannt worden: Die Lenox Avenue wurde zum Malcolm X Boulevard. Ein Teil der 125. Straße heißt heute Martin Luther King Boulevard. Das schwarze Harlem drum herum, "die Hauptstadt aller Städte mit Ghettos", wie Bobby Womack es einmal besungen hat, verschwindet dagegen langsam, aber unaufhörlich. Die Gentrifizierung der letzten beiden Jahrzehnte hat es verwandelt.
Colson Whiteheads Geschichte vom Möbelhändler und Teilzeitgangster Ray Carney spielt vor dieser Verwandlung. Und doch ist sie in "Harlem Shuffle" angelegt und immer präsent. Vermutlich hätte sich dieser Ray Carney gar nicht vorstellen können, dass es einmal dazu kommt: Dass also eines Tages seine Kinder und die seiner schwarzen Nachbarn von weißen Zuzüglern aus Vierteln verdrängt werden, die man zu Rays Zeit lieber jetzt als gleich freiwillig verlassen hätte - um vor Gewalt, Drogen, Armut und Perspektivlosigkeit zu fliehen. Und doch ist das seit Langem Alltag.
Das ist eine der Pointen dieses komplexen Romans, der sich so zugänglich liest wie kaum ein zweiter von Colson Whitehead: der gewaltige Umbruch sozialer und geographischer Zugehörigkeit, den Gentrifizierung mit sich bringt - und die Widersprüche, die sie zugleich produziert. Whitehead bringt es zwar so nicht explizit zur Sprache in diesem Buch. Aber man kann es nicht lesen, ohne permanent darüber nachzudenken, was aus diesen Straßen von Harlem heute geworden ist. Und deshalb kann man "Harlem Shuffle" auch genauso wenig ohne eine Straßenkarte lesen. Sonst verläuft man sich zwischen den vielen Adressen.
Und Ray Carney, der Möbelhändler und Teilzeitgangster, sammelt Adressen. Er wächst als Halbwaise auf zwischen der 127. und der 129. Straße - und will dorthin nur noch zurück, wenn er seine Tante besucht. Er will an den Riverside Drive, in eines der großen Apartment-Häuser, wo neuerdings weiße und schwarze Familien Seite an Seite zusammenwohnen. Und wo der Blick auf den mächtigen Hudson River fällt - und nicht auf Stundenhotels und Pfandhäuser und Junkies. "So wie er es sah", das ist Rays Maxime seit Schulzeiten, "lehrte einen das Leben, dass man nicht so leben musste, wie es einem gelehrt worden war. Man kam von einem bestimmten Ort, aber wichtiger war, wo man landen wollte."
Und Ray will landen. Er geht aufs College in Queens, studiert Betriebswirtschaft. Er heiratet eine Frau aus einer gutbürgerlichen schwarzen Familie, Elizabeth, und entdeckt ein Faible für Möbel. Er baut seinen eigenen Laden auf, "Carney's Furniture" auf der 125. Straße. Er träumt davon, Vertragspartner der Firma Bella Fontaine zu werden, Essecken aus Birkenholzfurnier, seidig glänzende Klapptische, mehrtürige Sideboards, die "Monte-Carlo-Kollektion". Aber Ray verkauft bis dahin auch Möbel aus Haushaltsauflösungen. Wobei sich manche dieser Haushalte vielleicht nicht ganz freiwillig aufgelöst haben und Ray aus diesen Auflösungen vielleicht nicht nur Möbel weiterverkauft, sondern auch schon mal Schmuck an die jüdischen Juweliere in Midtown. Einiges von diesem Zeug schafft Rays Cousin Freddie ran. Die beiden sind seit Kindertagen unzertrennlich. Aber Freddie bringt Ray nicht nur Hehlerware aus Einbrüchen, sondern regelmäßig großen Ärger. Und irgendwann ist der Ärger zu groß, und dann muss sein Cousin Ray alles riskieren, damit es doch gut ausgeht, und das ist das Fundament dieses Romans, der sich wie ein entspannter Thriller liest.
Über diesen Thriller hinweg hat der clevere Bestsellerautor Whitehead einen schwarzen Großstadtroman für ein Weltpublikum geschrieben. Er hat dafür wiedererkennbare Figuren geschaffen, irgendwo zwischen epischen und Comic-Helden: der Aufsteiger Ray, sein treulos krimineller Vater, der unverbesserliche Cousin Freddie, der gutherzige Berufsschläger Pepper, der kalte weiße Millionär Van Wyck und seine plumpen Schergen - und schließlich Elizabeth, Rays Ehefrau. Die vielleicht als Einzige wirklich versteht, was vor sich geht, die aber die coolste von allen sein könnte. Weil sie ahnt, was ihr Mann treibt, aber darüber hinwegsieht, weil auch sie nicht zurückwill in die gutbehütete Ödnis ihres Elternhauses in einem der guten schwarzen Viertel von Harlem.
Whitehead nutzt die Wiedererkennbarkeit seiner Figuren also, um eine Sozialstudie des kleineren und größeren schwarzen Bürgertums von Harlem zu schreiben, das Harlem nicht der schwarzen Show und der Musik, sondern der schwarzen Immobilien. Ein weiteres Element seines Projekts historischer Romane aus der Geschichte der Schwarzen seit den Zeiten der Sklaverei. "Harlem Shuffle" ist dabei ein witziges Buch, oft fast slapstickhaft, oft auch subtil, wenn sich Pepper, der Schläger, für einen Job von Ray mit einem Sessel aus dessen Laden bezahlen lässt und vorher Probe sitzt oder sich weiße und schwarze Gangster einfach nicht einigen können, wie man nur diesen Van Wyck richtig ausspricht. Weik? Oder Wick?
Doch auch wenn es deswegen so wirken könnte, als habe Colson Whitehead zwischen gewichtigeren Projekten hier einmal kurz durchgeatmet - nachdem er zuletzt 2019 mit "Underground Rail-road" den Jahrhundertroman der amerikanischen Sklaverei geschrieben hat, aufsehenerregend preisgekrönt, als Serie verfilmt: Dieser neue Roman wirkt nur leicht, wirkt nur wie Genre-Imitat, wirkt nur so, als würde Whitehead sich an Kulissen bedienen, die wie von selbst Atmosphäre erzeugen: schäbige Bars, Puffs, Hotels, die ihre besseren Tage hinter sich haben, New York.
Denn hinter diesen Kulissen verbirgt sich abermals die große Erzählung der schwarzen Emanzipation. Im Juli 1964 kommt es nach dem gewaltsamen Tod eines fünfzehnjährigen schwarzen Jungen, erschossen von einem weißen Polizisten, zu Ausschreitungen in Harlem: ein wahres Kapitel aus der unendlichen Geschichte weißer Polizeigewalt gegen schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner jedes Alters, die bis heute anhält. Ray Carney läuft mitten in die Proteste hinein. Kriegt ein Flugblatt in die Hand, auf dem beschrieben ist, wie man einen Brandsatz baut, und hält es fest - und sorgt sich zugleich, wie sich die Randale auf seine neuen Geschäftsbeziehungen zur Möbelfirma Bella Fontaine auswirken. Dieser Ray Carney, der die feinen und nicht so feinen Unterschiede zwischen ihm und dem Rest der Welt genauestens studiert, um die Armut hinter sich lassen zu können, ohne seine schwarze Identität dabei preiszugeben, ist eine ambivalente, stolze, unvergessliche Figur.
Einmal fragt ihn der weiße Cop, den Ray besticht, damit er in Ruhe seine Zeitung lesen kann, ob Ray heute schon die Zeitung gelesen hat. "Wie kommen Sie darauf, dass wir dieselbe Zeitung lesen?", fragt Ray zurück, und in dieser kleinen Szene liegt die große Geschichte eines fundamentalen Risses begründet, den die Vereinigten Staaten bis heute nicht überwunden haben. Und es vielleicht auch niemals werden. TOBIAS RÜTHER.
Colson Whitehead, "Harlem Shuffle". Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, 384 Seiten, 25 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2021Herz der Stadt
in Flammen
In Colson Whiteheads „Harlem Shuffle“
ist der tiefe Ernst früherer Romane
verspielten Geschichten über Kampf und Konsum
des schwarzen New York gewichen
VON SONJA ZEKRI
Die große Stadt New York wird durch Geld am Laufen gehalten, durch Umschläge, die von Hehlern zu Cops zu Nutten zur Mafia wandern. Sie wird durch den Kreislauf der Waren am Laufen gehalten, durch Gier und durch Hass. Und manchmal auch durch ein Eiersalat-Sandwich. Dass der weiße Polizist Munson für den schwarzen Gelegenheitsdealer und Möbelhändler Ray Carney einen Zuhälter aus dem Weg räumt, erklärte sich beispielsweise durch einen gestohlenen Lunch. Ein Polizistenfreund des Zuhälters hatte Munson irgendwann ein Eiersalat-Sandwich aus dem Kühlschrank geklaut, was nun eine großräumige, weit über Harlem hinausreichende Bewegung in Gang setzt.
In Colson Whiteheads Roman „Harlem Shuffle“ ist die Eiersalat-Sache eine von vielen Nebengeschichten. Mit Harlem hat der Roman einen epischen Titelhelden, mit dem kriminellen Möbelhändler Raymond Carney einen originellen Protagonisten. Aber wer nicht wenigstens ein bisschen Sinn für barocke Milieuschilderungen hat, für intelligentes Namedropping und labyrinthische Plots, der könnte Whiteheads Buch versponnen finden oder verspielt, vielleicht sogar ein wenig eitel.
Ganz sicher jedenfalls ist es kilometerweit entfernt vom tödlichen Ernst des Sklaven-Epos „Underground Railroad“, das Whitehead den Pulitzer-Preis einbrachte, oder vom Realismus der „Nickel Boys“. Wenn man diese Bücher als Verzweiflungsschreie in den Trump-Jahren begreifen will, dann ist „Harlem Shuffle“ das Buch für die Biden-Ära.
Wie die „Nickel Boys“ spielt auch „Harlem Shuffle“ in den Sechzigerjahren. Nur beschreibt Whitehead in den fünf Jahren zwischen 1959 und 1964 zwar eine Überhitzung durch die Bürgerrechtsbewegung und die Rassenunruhen, aber eben auch durch urbanen Fortschritt. Dieses Harlem ist nicht mehr die stickige Kloake aus Anne Petrys „Die Straße“, sondern ein Konsumuniversum mit neuen Fast-Food-Restaurants und Plattenläden. Schier endlos kann Ray Carney von elegant geschwungenen Tischbeinen und makellosen Sattlernähten schwelgen, von den Vorzügen chemisch behandelter Bouclé-Polster und versteckten Cocktail-Fächern. Andächtig wie einen Rosenkranz zelebriert er die Namen der Interieurmarken. Collins Hathaway. Argent. Bella Fontaine.
Durch diese sprachliche Komplettmöblierung wirkt der Text manchmal etwas verstopft, zumal nicht alle Namen deutschen Lesern geläufig sein dürften. Andererseits ist die Feier amerikanischer Kaufkraft für Whitehead nichts Neues. Der Zombie-Roman „Zone One“ beispielsweise ließ die zerfledderte Fülle der Warenwelt noch im fahlen Glanz der Apokalypse aufscheinen.
In „Harlem Shuffle“ liegen die Dinge anders, Möbel, Kleidung oder Autos sind nicht Symbole des Untergangs, sondern der Befreiung. Wer sich eine Sitzecke aus einem weißen Geschäft leisten kann, der hat es geschafft. Der Kapitalismus als Motor der Emanzipation, frei nach dem alten amerikanischen Credo: „Wir tun Wunder, wir tun Unrecht, und wir legen nie die Hände in den Schoß.“
Anfangs stehen die Zeichen durchaus günstig, dass Carney Frau und Kinder auf ehrliche Weise durchbringen kann. Zwar vergeht kein Besuch seiner Schwiegereltern, bei dem sie ihn nicht spüren ließen, dass sie sich für ihre Tochter einen solventeren, gebildeteren, hellhäutigeren Mann wünschten, dabei ahnen sie nicht mal etwas von seinen Hehlereien. Immerhin ist er kein „krummer Hund“ wie sein Vater, der gefürchtete Kriminelle. Ein gestohlenes Halsband hier, ein Radio dort, damit hätte sich Carney durchaus zufriedengegeben, hätte Cousin Freddy, der ewige Unglücksrabe, nicht das Hotel Theresa ausgeraubt.
Ausgerechnet das Theresa, wo die Rassentrennung 1940 aufgehoben wurde und die Prominenz aus Musik und Film absteigt, das Theresa, der „Mittelpunkt der schwarzen Welt“: „Die Bigband betrat die Lobby in Hepcat-Formation, hintereinander, als erschienen sie auf der Bühne, denn dieser Auftritt war ebenso sehr ein Gig wie jedes ihrer abendlichen Konzerte, eine Zurschaustellung von Glamour, eine Bekräftigung schwarzer Exzellenz.“ Das Theresa auszurauben war so, „als würde man gegen die Freiheitsstatue pinkeln“. Entsprechend dramatisch sind die Folgen. In drei Schritten entfaltet Whitehead das Panorama einer Welt, in der schwarze Gangster mit Namen wie Chink Montague oder Chet the Vet die Messer schwingen und noch die Arrivierten, die schwarzen Richter, Bauunternehmer und Politiker, bis zum Hals im Dreck stecken. Der Bankier Wilfred Duke lässt sich von Carney bezahlen, damit er ihn im noblen Dumas-Club unterbringt, aber dann erweist er sich als Betrüger im großen Stil, als das „weiße System hinter einer schwarzen Maske“, was ihm Carney, dann doch Sohn seines Vaters, auf effektive, dabei völlig unblutige Weise heimzahlt.
Whitehead ist ein blendender Unterhalter. Leichthändig spielt er mit Stil und Tempo. Er zitiert Hardboiled-Literaten wie Dashiell Hammett oder James Ellroy, Film Noir und Tarantino, und das ist mehr als eine Verneigung, mehr als Appropriation. Einmal steht Carney vor dem Maharaja-Kino, wo Filme über jugendliche Straftäter „mit zornigen weißen Jungs“ in der Hauptrolle laufen, und er ärgert sich: „Über ihre dunkelhäutigen Harlem-Versionen wurden keine Filme gedreht.“ Die Kulturgeschichte, auch die Geschichte der Stadt New York, ist noch immer vor allem eine der Weißen, auch wenn in jüngster Zeit mehr schwarze Autoren verlegt werden. Eine Aufgabe von „Harlem Shuffle“ besteht darin, die Lücke zu schließen. Sofort ergeben sich neue, differenzierte Perspektiven, etwa auf die Proteste von 1964. Nachdem ein weißer Polizist einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen hat, steht Harlem in Flammen. Carney, einerseits genauso erbittert wie alle Schwarzen, ist vor allem Geschäftsmann und hält von der Randale gar nichts.
Außerdem hat sich Freddy mit einem schwulen weißen Junkie namens Linus Millicent Percival Van Wyck eingelassen, der aus einer ebenso reichen wie verkommenen Familie stammt. Diesen Weißen geht es nicht um Kinkerlitzchen, nicht um Juwelen-Colliers oder geklaute Stereoanlagen. Sie drehen das ganze große Rad, sie greifen nach der Stadt selbst. Insofern ist es nur logisch, dass Carney am Ende vor der Baustelle eines spektakulären Gebäudes namens World Trade Center steht. Er, der unerschrockene Wanderer zwischen der schwarzen und der weißen Welt, zwischen Legalität und Verbrechen, wird auch im neuen Harlem, im neuen New York sein Ding machen. „Schwarze fanden immer einen Weg“, schreibt Whitehead, „wenn nicht, hätte der weiße Mann sie schon längst ausgerottet.“ Womöglich ist robuster Pragmatismus für das Überleben doch wichtiger als ein neues Sofa.
Möbel, Kleidung oder Autos sind
nicht Symbole des Untergangs
sondern der Befreiung
Zwischen Rassenunruhen und urbanem Aufschwung: Straßenszene aus Harlem in den Sechzigerjahren während Protesten gegen Polizeigewalt.
Foto: imago/UIG
Colson Whitehead:
Harlem Shuffle. Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, München 2021.
384 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
in Flammen
In Colson Whiteheads „Harlem Shuffle“
ist der tiefe Ernst früherer Romane
verspielten Geschichten über Kampf und Konsum
des schwarzen New York gewichen
VON SONJA ZEKRI
Die große Stadt New York wird durch Geld am Laufen gehalten, durch Umschläge, die von Hehlern zu Cops zu Nutten zur Mafia wandern. Sie wird durch den Kreislauf der Waren am Laufen gehalten, durch Gier und durch Hass. Und manchmal auch durch ein Eiersalat-Sandwich. Dass der weiße Polizist Munson für den schwarzen Gelegenheitsdealer und Möbelhändler Ray Carney einen Zuhälter aus dem Weg räumt, erklärte sich beispielsweise durch einen gestohlenen Lunch. Ein Polizistenfreund des Zuhälters hatte Munson irgendwann ein Eiersalat-Sandwich aus dem Kühlschrank geklaut, was nun eine großräumige, weit über Harlem hinausreichende Bewegung in Gang setzt.
In Colson Whiteheads Roman „Harlem Shuffle“ ist die Eiersalat-Sache eine von vielen Nebengeschichten. Mit Harlem hat der Roman einen epischen Titelhelden, mit dem kriminellen Möbelhändler Raymond Carney einen originellen Protagonisten. Aber wer nicht wenigstens ein bisschen Sinn für barocke Milieuschilderungen hat, für intelligentes Namedropping und labyrinthische Plots, der könnte Whiteheads Buch versponnen finden oder verspielt, vielleicht sogar ein wenig eitel.
Ganz sicher jedenfalls ist es kilometerweit entfernt vom tödlichen Ernst des Sklaven-Epos „Underground Railroad“, das Whitehead den Pulitzer-Preis einbrachte, oder vom Realismus der „Nickel Boys“. Wenn man diese Bücher als Verzweiflungsschreie in den Trump-Jahren begreifen will, dann ist „Harlem Shuffle“ das Buch für die Biden-Ära.
Wie die „Nickel Boys“ spielt auch „Harlem Shuffle“ in den Sechzigerjahren. Nur beschreibt Whitehead in den fünf Jahren zwischen 1959 und 1964 zwar eine Überhitzung durch die Bürgerrechtsbewegung und die Rassenunruhen, aber eben auch durch urbanen Fortschritt. Dieses Harlem ist nicht mehr die stickige Kloake aus Anne Petrys „Die Straße“, sondern ein Konsumuniversum mit neuen Fast-Food-Restaurants und Plattenläden. Schier endlos kann Ray Carney von elegant geschwungenen Tischbeinen und makellosen Sattlernähten schwelgen, von den Vorzügen chemisch behandelter Bouclé-Polster und versteckten Cocktail-Fächern. Andächtig wie einen Rosenkranz zelebriert er die Namen der Interieurmarken. Collins Hathaway. Argent. Bella Fontaine.
Durch diese sprachliche Komplettmöblierung wirkt der Text manchmal etwas verstopft, zumal nicht alle Namen deutschen Lesern geläufig sein dürften. Andererseits ist die Feier amerikanischer Kaufkraft für Whitehead nichts Neues. Der Zombie-Roman „Zone One“ beispielsweise ließ die zerfledderte Fülle der Warenwelt noch im fahlen Glanz der Apokalypse aufscheinen.
In „Harlem Shuffle“ liegen die Dinge anders, Möbel, Kleidung oder Autos sind nicht Symbole des Untergangs, sondern der Befreiung. Wer sich eine Sitzecke aus einem weißen Geschäft leisten kann, der hat es geschafft. Der Kapitalismus als Motor der Emanzipation, frei nach dem alten amerikanischen Credo: „Wir tun Wunder, wir tun Unrecht, und wir legen nie die Hände in den Schoß.“
Anfangs stehen die Zeichen durchaus günstig, dass Carney Frau und Kinder auf ehrliche Weise durchbringen kann. Zwar vergeht kein Besuch seiner Schwiegereltern, bei dem sie ihn nicht spüren ließen, dass sie sich für ihre Tochter einen solventeren, gebildeteren, hellhäutigeren Mann wünschten, dabei ahnen sie nicht mal etwas von seinen Hehlereien. Immerhin ist er kein „krummer Hund“ wie sein Vater, der gefürchtete Kriminelle. Ein gestohlenes Halsband hier, ein Radio dort, damit hätte sich Carney durchaus zufriedengegeben, hätte Cousin Freddy, der ewige Unglücksrabe, nicht das Hotel Theresa ausgeraubt.
Ausgerechnet das Theresa, wo die Rassentrennung 1940 aufgehoben wurde und die Prominenz aus Musik und Film absteigt, das Theresa, der „Mittelpunkt der schwarzen Welt“: „Die Bigband betrat die Lobby in Hepcat-Formation, hintereinander, als erschienen sie auf der Bühne, denn dieser Auftritt war ebenso sehr ein Gig wie jedes ihrer abendlichen Konzerte, eine Zurschaustellung von Glamour, eine Bekräftigung schwarzer Exzellenz.“ Das Theresa auszurauben war so, „als würde man gegen die Freiheitsstatue pinkeln“. Entsprechend dramatisch sind die Folgen. In drei Schritten entfaltet Whitehead das Panorama einer Welt, in der schwarze Gangster mit Namen wie Chink Montague oder Chet the Vet die Messer schwingen und noch die Arrivierten, die schwarzen Richter, Bauunternehmer und Politiker, bis zum Hals im Dreck stecken. Der Bankier Wilfred Duke lässt sich von Carney bezahlen, damit er ihn im noblen Dumas-Club unterbringt, aber dann erweist er sich als Betrüger im großen Stil, als das „weiße System hinter einer schwarzen Maske“, was ihm Carney, dann doch Sohn seines Vaters, auf effektive, dabei völlig unblutige Weise heimzahlt.
Whitehead ist ein blendender Unterhalter. Leichthändig spielt er mit Stil und Tempo. Er zitiert Hardboiled-Literaten wie Dashiell Hammett oder James Ellroy, Film Noir und Tarantino, und das ist mehr als eine Verneigung, mehr als Appropriation. Einmal steht Carney vor dem Maharaja-Kino, wo Filme über jugendliche Straftäter „mit zornigen weißen Jungs“ in der Hauptrolle laufen, und er ärgert sich: „Über ihre dunkelhäutigen Harlem-Versionen wurden keine Filme gedreht.“ Die Kulturgeschichte, auch die Geschichte der Stadt New York, ist noch immer vor allem eine der Weißen, auch wenn in jüngster Zeit mehr schwarze Autoren verlegt werden. Eine Aufgabe von „Harlem Shuffle“ besteht darin, die Lücke zu schließen. Sofort ergeben sich neue, differenzierte Perspektiven, etwa auf die Proteste von 1964. Nachdem ein weißer Polizist einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen hat, steht Harlem in Flammen. Carney, einerseits genauso erbittert wie alle Schwarzen, ist vor allem Geschäftsmann und hält von der Randale gar nichts.
Außerdem hat sich Freddy mit einem schwulen weißen Junkie namens Linus Millicent Percival Van Wyck eingelassen, der aus einer ebenso reichen wie verkommenen Familie stammt. Diesen Weißen geht es nicht um Kinkerlitzchen, nicht um Juwelen-Colliers oder geklaute Stereoanlagen. Sie drehen das ganze große Rad, sie greifen nach der Stadt selbst. Insofern ist es nur logisch, dass Carney am Ende vor der Baustelle eines spektakulären Gebäudes namens World Trade Center steht. Er, der unerschrockene Wanderer zwischen der schwarzen und der weißen Welt, zwischen Legalität und Verbrechen, wird auch im neuen Harlem, im neuen New York sein Ding machen. „Schwarze fanden immer einen Weg“, schreibt Whitehead, „wenn nicht, hätte der weiße Mann sie schon längst ausgerottet.“ Womöglich ist robuster Pragmatismus für das Überleben doch wichtiger als ein neues Sofa.
Möbel, Kleidung oder Autos sind
nicht Symbole des Untergangs
sondern der Befreiung
Zwischen Rassenunruhen und urbanem Aufschwung: Straßenszene aus Harlem in den Sechzigerjahren während Protesten gegen Polizeigewalt.
Foto: imago/UIG
Colson Whitehead:
Harlem Shuffle. Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, München 2021.
384 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Colson Whitehead's dazzling new thriller...In Harlem Shuffle, Whitehead flexes his literary muscles further, extending the boundaries and expectations of crime writing. The book is also a social drama interrogating the nature of prejudice and how an environment limits ambition. Guardian, Book of the Day