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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Im Rückblick scheint es so, als habe Sebastian Kurz in seiner kurzen Amtszeit eine Ära geprägt. Entsprechend groß ist das Mitteilungsbedürfnis vieler.
Gerald Fleischmann war der Pressemann für Sebastian Kurz. Seit dessen politischen Anfängen als junger Integrationsstaatssekretär im österreichischen Innenministerium vor zwölf Jahren kümmerte sich Fleischmann darum, dass sein Schützling medial ins rechte Licht gesetzt wird. Er ging mit Kurz ins Außenministerium und ins Kanzleramt. Raunend wurde ihm zugeschrieben, mit Tricks und Druck eine kontrollierte Medienlandschaft aufbauen zu wollen, "Message Control" wurde das Schlagwort für diesen Vorwurf. Insofern gehört Chuzpe dazu, dass Fleischmann genau dies als Titel für sein Buch gewählt hat. Er verspricht, zu erzählen, "was Sie schon immer über Politik und Medien wissen wollten".
Also sammelt Fleischmann auf eher eklektische Weise allerlei Strategien, Taktiken und Tricks der PR-Gurus und Spindoktoren zwischen zwei Buchdeckeln zusammen. Dabei bekennt er freimütig, dass es natürlich nicht das eine, große Geheimnis gibt, das er etwa enthüllen könnte. Es verhalte sich eher so wie mit dem Rezept der Sachertorte: Man könne es in vielen Backbüchern nachlesen, doch komme es auf "Handwerk und Erfahrung" an. Und das ist es ja auch, weshalb das Buch nicht nur in Österreich auf ein reges Interesse stößt: Man hofft auf Kurz-Anekdoten, Hintergründe und Deutungen aus Fleischmanns eigenem Erleben. Ganz wird man da auch nicht enttäuscht. Aber es hätte dem Buch doch gutgetan, wenn der Autor darauf verzichtet hätte, das mit Sunzi-Zitaten und dergleichen zu garnieren.
Tatsächlich erkennt man manches Kommunikationsmuster aus den Kurz-Jahren wieder: die Portionierung dargebotenen Nachrichtenstoffs, damit das journalistische "Wolfsrudel" sich möglichst lange darum balgt. Das Aufblasen von Geschichten, um von anderen abzulenken. Die "Nicht-Entschuldigung-Entschuldigung" und der Gegenangriff. Das Einspannen vermeintlich objektiver Dritter. Es ist aber nicht so, dass diese Taktiken und Techniken dem kritischen Publikum nicht schon zu dem Zeitpunkt aufgefallen wären, während sie angewendet wurden. Daher kam ja gerade der Vorwurf der "Message Control". Aber dieser Vorwurf war schon immer etwas schwächlich. Denn es ist ja legitim, wenn Regierende versuchen, Botschaften in ihrem Sinn kontrolliert und dosiert zu setzen. Und Fleischmann greift überzeugend so manches Beispiel dafür auf, dass dies auch in Wien schon vor Kurz von anderen praktiziert worden ist, nicht zuletzt durch den sozialistischen Säulenheiligen Bruno Kreisky vor Jahrzehnten. Das Thema "Inserate", in dessen Zusammenhang die Staatsanwaltschaft auch gegen ihn selbst noch ermittelt, umgeht Fleischmann weiträumig. Sonst hätte er auch daran erinnern können, dass das großzügige Gießen der Medienlandschaft mit Regierungsanzeigen vom SPÖ-Kanzler Werner Faymann als System etabliert worden ist.
Originell ist Fleischmanns Metapher für das Erfolgsgeheimnis von Sebastian Kurz: die "Nirvana-Taktik". Fleischmann, der in seinen wilden Jahren selbst als Sänger einer Band so manches Feuerwerk abgebrannt haben soll, sagt über die berühmten amerikanischen Kollegen: "Nirvana spielte Melodien der Popper, aber mit Instrumenten des Heavy Metal . . . Das war es auch, was Sebastian Kurz und die von ihm initiierte Bewegung machte. Man hielt an den Melodien der ÖVP fest, aber gleichzeitig hatten der einstige ÖVP-Chef Kurz und die Mitglieder seines Teams über all die Jahre das mediale Handwerk der SPÖ-Medienorgel und die Methoden Bruno Kreiskys studiert." Wobei Fleischmann für seinen früheren Chef in Anspruch nimmt, dass Kurz auch inhaltlich mit seiner Politik die Zustimmung der Bevölkerung erreicht habe - sonst hätte das System nicht funktioniert.
Einen entgegengesetzten Blick hat Helmut Brandstätter. Der frühere Journalist - unter anderem beim ORF und als Herausgeber/Chefredakteur der Zeitung "Kurier" - ist Parlamentsabgeordneter der liberalen Neos. Er hat sich schon zuvor als scharfer Kritiker von Sebastian Kurz hervorgetan, sein Buch "Kurz & Kickl" (2019) zeichnete das Bild der gerade noch abgewendeten Errichtung einer Diktatur. Nun bietet er Rezepte zur "Heilung für eine verstörte Republik" an. Doch obwohl Brandstätter einige sachdienliche Reformvorschläge etwa zur Stärkung des Parlamentarismus oder zur Anpassung der Sicherheitsstrategie macht, kommt man doch in keinem Kapitel umhin, ihm beim Abarbeiten an Kurz zuzusehen.
Brandstätter hatte sein eigenes Kurz-Erlebnis, mehrmals kommt er darauf zu sprechen. Der ÖVP-Politiker habe ihn einmal mit der Alternative konfrontiert: Entweder du bist mein Freund oder mein Feind. Das sei eigentlich eine "erpresserische Drohung" gewesen, es sei mitgeschwungen, dass es nachteilige Folgen habe, nicht Freund zu sein. Ob nun wegen Kurz' langem Arm, sei dahingestellt, jedenfalls wurde Brandstätter später als "Kurier"-Chef abgelöst.
Bei Brandstätter ist "Message Control" ein schlimmer Vorwurf. "In der Anordnung des Systems Kurz hatten Medien nicht so zu berichten, wie sie wollten, sie hatten nicht die Regierung zu kontrollieren oder gar zu kritisieren, nein, ihre Aufgabe war die gefällige Aufarbeitung von Geschichten und Bildern, die sein Team entwickelt hatte." Mittel zu diesem Zweck sei eine invasive Personalpolitik beim ORF gewesen. Bei den Zeitungen sei mittels Inseratevergabe Druck ausgeübt worden. Regelmäßig habe Kurz selbst oder Fleischmann oder ein anderer Mitarbeiter aus den aufgeblähten Regierungsapparaten angerufen, je nachdem freundlich oder herrisch. Interessant ist, dass sich die Darstellungen Fleischmanns und Brandstätters in der Sache gar nicht so sehr widersprechen. Nur dass das, was Fleischmann "Übernahme der SPÖ-Medienorgel" nennt, bei Brandstätter als fundamental neue und bedrohliche Qualität der Einflussnahme dargestellt wird.
Florian Scheuba betrachtet die "türkise" Zeit aus einem ähnlichen Blickwinkel, aber sarkastisch statt alarmistisch. Das macht die Lektüre von "Wenn das in die Hose geht, sind wir hin" (das Zitat stammt aus einem der berüchtigten Chats von Kurz-Intimus Thomas Schmid) nicht weniger einseitig, aber kurzweiliger. "Dass Message Control genauso für sein eigenes Gedächtnis gilt", schreibt Scheuba über Kurz, zeigten einige seiner Aussagen: "Mir übergeben laufend irgendwelche Personen irgendwelche Papiere" oder "Ich habe nie nach Spenden gefragt, sondern mich dafür bedankt". Man muss allerdings einigermaßen bewandert sein in der politischen Landschaft Österreichs, um Scheubas Spott und Spitzen zu verstehen. Das Büchlein ist eine lose verbundene Sammlung von Kolumnen und Kommentaren, die teils bereits in linken Medien publiziert wurden und sich auf spezifische Tagesaufreger beziehen.
Auch Sebastian Kurz hat seine Sicht auf die Dinge zum Besten gegeben, niedergeschrieben durch die "Krone"-Journalistin Conny Bischofberger. Zum Reizthema "Message Control" sagt er, es sei nicht darum gegangen, "Medien zu kontrollieren, sondern vielmehr darum, uns selbst zu kontrollieren. Das, was wir sagten. Und wie wir es sagten." Deshalb, und nicht etwa aus Machtgier, habe er in seiner Partei die volle Hoheit über die Personalauswahl durchgesetzt und mit seinen Koalitionspartnern (die FPÖ, nach "Ibiza" die Grünen) weitgehend geschlossene Kommunikationsmuster vereinbart. Dass es nicht nur in der Koalition, sondern sogar innerhalb der ÖVP kaum noch öffentlich ausgetragenen Streit gegeben habe, habe manche Journalisten doch sehr irritiert. Sie hätten versucht, das Phänomen zu benennen. "Und damit war der Begriff 'Message Control' geboren."
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass Kurz aus der Politik ausscheiden musste. Er wurde im Zuge von Affären und staatsanwaltlichen Ermittlungen herausgedrängt durch die grünen Koalitionspartner. Seither sind allein vier Bücher erschienen, die sich mit ihm befassen. Nimmt man die zuvor erschienenen Kurz-Bücher dazu, so kommt man auf rund ein Dutzend. Das ist erstaunlich für einen Politiker, dessen Kanzlerschaften von 17 und 21 Monaten eigentlich eher Episode sind denn eine Ära, rein zeitlich betrachtet. In Interviews meldet er sich ab und an zu Wort. In die Politik will er demzufolge nicht wieder zurück. Fleischmann, der inzwischen für den aktuellen ÖVP-Chef Karl Nehammer arbeitet, schreibt in seinem Buch - ganz allgemein - auch über politische Rückkehrer. Er zitiert dabei den rührseligen Schluss des Sandalenfilms "Ben Hur", in dem der Protagonist auf Rache verzichtet. Fleischmann rät seinen Lesern: "Denken Sie daran, wenn Sie Rachegelüste verspüren. Ein einfaches Comeback tut es auch." STEPHAN LÖWENSTEIN
Gerald Fleischmann: Message Control. Was Sie schon immer über Politik und Medien wissen wollten.
edition a, Wien 2023. 304 S., 26,- Euro.
Helmut Brandstätter: Heilung für eine verstörte Republik.
Kremayr & Scheriau, Wien 2022. 160 S., 22,- Euro.
Florian Scheuba: Wenn das in die Hose geht, sind wir hin. Chats, Macht und Korruption. Eine Spurensuche.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2022. 160 S., 18,- Euro.
Sebastian Kurz/ Conny Bischofberger: Reden wir über Politik.
edition a, Wien 2022. 240 S., 24,- Euro.
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