Wir leben ganz offensichtlich in schwierigen und unsicheren Zeiten. Die Welt scheint auf dem Kopf zu stehen, zumindest ist sie aus den Fugen geraten. Damit ist die große Zeit der Betrüger, Lügner und Volksverdummer von rechts gekommen. Zu deren Strategie gehört auch die Besetzung von Begriffen, die zur emotionalen Grundausstattung vieler Menschen gehören. Worte wie "Volk", "Heimat", "Vaterland" werden - ideologisch aufgeladen und verkitscht - zu Kampfbegriffen gegen die Idee einer freiheitlichen, humanen, liberalen Gesellschaft. Dagegen tritt dieses Buch an: Wir dürfen den Rechten nicht das Begriffs-Arsenal überlassen, mit denen wir alle für dumm verkauft werden sollen.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.08.2018Dschungel
der Wörter
Peter Zudeick will „Volk“ und
„Heimat“ vor den Rechten retten
„Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.“ Geschrieben hat das Kurt Tucholsky in der Endphase der Weimarer Republik. Dass Deutschland ein gespaltenes Land sei, wird gerade wieder sehr gern behauptet, und dass man nicht mehr unvoreingenommen von „Heimat“ und „Volk“ sprechen könne auch. Es herrscht ein Wort-Deutungsstreit in Deutschland, welche ideologische Richtung dabei welchen Standpunkt vertritt, ist oft gar nicht so leicht zu durchschauen. Meist geht es dabei recht philosophisch zu. Der Journalist Peter Zudeick hat nun versucht, ein paar Schneisen in den Wortdschungel zu schlagen. Dabei kommt er immerhin zu zwei klaren Bekenntnissen.
Satirische Betrachtungen sind eine Spezialität von Zudeick, hier aber meint er es ernst. Bei den Worten Heimat und Volk kennt er keinen Spaß – für ihn sind das „die allerselbstverständlichsten Worte“, die er sich nicht von den Rechten stehlen lassen will. Nur weil diese die Worte (dazu gehört auch „Vaterland“, das dann aber selbst Zudeick nach einiger Überlegung nicht mehr verteidigen möchte) missbrauchen, sie ideologisch verbrämen und gegen die freiheitliche und liberale Gesellschaft wenden. Zudeick befindet sich da in guter Gesellschaft, auch andere Autoren sind gerade auf Rettungsmission für bestimmte Begriffe. Sie wollen verhindern, dass sich die linksliberale Elite von „Volk“ und „Heimat“ verabschiedet.
Es ist spannend nachzuvollziehen, wie Zudeick die Entstehung von Heimat, Volk und Vaterland als leidlich unschuldige Wörter erklärt und dann die ideologische Aufladung im 18. und 19. Jahrhundert und die anschließende Umdeutung durch den NS-Staat interpretiert. Darin liegt die Stärke des schmalen Bands. Das ist alles gut und allgemein verständlich erklärt, die Problematik liegt allerdings in der Schlussfolgerung. Hier macht es sich Zudeick ein wenig einfach, wenn er sagt: Was die Nazis nicht explizit „erfunden“, sondern nur missbraucht haben, lässt sich ohne Weiteres auch heute wieder sagen.
Das ist vom emotionalen Standpunkt aus betrachtet womöglich nachvollziehbar. Doch was die Rechten, die Identitären und die AfD mit den Begriffen so treiben, bleibt im Dunkeln trotz der Warnung vor deren „systematischer Volksverdummung“. Dass sie etwa beide Wörter vor allem dazu nutzen, Exklusion zu betreiben, indem sie bestimmte unliebsame Gruppen von der Teilhabe ausschließen wollen.
Doch an dem Bekenntnis kann man sich ja reiben, es handelt sich schließlich um eine Streitschrift. Und die ist erfreulicherweise auf sehr aktuellem politischen Stand.
ROBERT PROBST
Peter Zudeick:
Heimat. Volk. Vaterland.
Eine Kampfansage an Rechts. Westend-Verlag Frankfurt 2018.
192 Seiten, 18 Euro.
E-Book: 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Wörter
Peter Zudeick will „Volk“ und
„Heimat“ vor den Rechten retten
„Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.“ Geschrieben hat das Kurt Tucholsky in der Endphase der Weimarer Republik. Dass Deutschland ein gespaltenes Land sei, wird gerade wieder sehr gern behauptet, und dass man nicht mehr unvoreingenommen von „Heimat“ und „Volk“ sprechen könne auch. Es herrscht ein Wort-Deutungsstreit in Deutschland, welche ideologische Richtung dabei welchen Standpunkt vertritt, ist oft gar nicht so leicht zu durchschauen. Meist geht es dabei recht philosophisch zu. Der Journalist Peter Zudeick hat nun versucht, ein paar Schneisen in den Wortdschungel zu schlagen. Dabei kommt er immerhin zu zwei klaren Bekenntnissen.
Satirische Betrachtungen sind eine Spezialität von Zudeick, hier aber meint er es ernst. Bei den Worten Heimat und Volk kennt er keinen Spaß – für ihn sind das „die allerselbstverständlichsten Worte“, die er sich nicht von den Rechten stehlen lassen will. Nur weil diese die Worte (dazu gehört auch „Vaterland“, das dann aber selbst Zudeick nach einiger Überlegung nicht mehr verteidigen möchte) missbrauchen, sie ideologisch verbrämen und gegen die freiheitliche und liberale Gesellschaft wenden. Zudeick befindet sich da in guter Gesellschaft, auch andere Autoren sind gerade auf Rettungsmission für bestimmte Begriffe. Sie wollen verhindern, dass sich die linksliberale Elite von „Volk“ und „Heimat“ verabschiedet.
Es ist spannend nachzuvollziehen, wie Zudeick die Entstehung von Heimat, Volk und Vaterland als leidlich unschuldige Wörter erklärt und dann die ideologische Aufladung im 18. und 19. Jahrhundert und die anschließende Umdeutung durch den NS-Staat interpretiert. Darin liegt die Stärke des schmalen Bands. Das ist alles gut und allgemein verständlich erklärt, die Problematik liegt allerdings in der Schlussfolgerung. Hier macht es sich Zudeick ein wenig einfach, wenn er sagt: Was die Nazis nicht explizit „erfunden“, sondern nur missbraucht haben, lässt sich ohne Weiteres auch heute wieder sagen.
Das ist vom emotionalen Standpunkt aus betrachtet womöglich nachvollziehbar. Doch was die Rechten, die Identitären und die AfD mit den Begriffen so treiben, bleibt im Dunkeln trotz der Warnung vor deren „systematischer Volksverdummung“. Dass sie etwa beide Wörter vor allem dazu nutzen, Exklusion zu betreiben, indem sie bestimmte unliebsame Gruppen von der Teilhabe ausschließen wollen.
Doch an dem Bekenntnis kann man sich ja reiben, es handelt sich schließlich um eine Streitschrift. Und die ist erfreulicherweise auf sehr aktuellem politischen Stand.
ROBERT PROBST
Peter Zudeick:
Heimat. Volk. Vaterland.
Eine Kampfansage an Rechts. Westend-Verlag Frankfurt 2018.
192 Seiten, 18 Euro.
E-Book: 11,99 Euro.
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