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Der Architekt Paul Neuhaus, frisch verlassen, erhält eine Einladung von seinen alten Freunden Ken-Ichi und Mitsuko. Der Bürgermeister eines Dorfes nahe beim Unglücksmeiler von Fukushima, Mitsukos Onkel, bittet Neuhaus, ihn zu besuchen. Die Gegend ist verstrahlt, die Dörfer sind verlassen, die kontaminierte Erde ist abgetragen. Die Regierung wünscht die Rückbesiedlung, aber die Menschen haben Angst. Der Bürgermeister will Neuhaus für eine Künstlerkolonie gewinnen - in der verstrahlten Zone -, um neue Hoffnung zu wecken. Neuhaus reist mit Mitsuko an und sie geraten in eine unentrinnbar intensive…mehr

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Produktbeschreibung
Der Architekt Paul Neuhaus, frisch verlassen, erhält eine Einladung von seinen alten Freunden Ken-Ichi und Mitsuko. Der Bürgermeister eines Dorfes nahe beim Unglücksmeiler von Fukushima, Mitsukos Onkel, bittet Neuhaus, ihn zu besuchen. Die Gegend ist verstrahlt, die Dörfer sind verlassen, die kontaminierte Erde ist abgetragen. Die Regierung wünscht die Rückbesiedlung, aber die Menschen haben Angst. Der Bürgermeister will Neuhaus für eine Künstlerkolonie gewinnen - in der verstrahlten Zone -, um neue Hoffnung zu wecken. Neuhaus reist mit Mitsuko an und sie geraten in eine unentrinnbar intensive Nähe zueinander. Ist in der schönen, verseuchten Landschaft Fukushimas eine Zukunft möglich wie auch in der Liebe zwischen Paul und Mitsuko? Sie beide begleitet die Lektüre Adalbert Stifters. So wie dort die geheimnisvolle Kette von Ursache und Wirkung die Bereiche des Lebens gleichermaßen verknüpft, so stellt die unheilvolle Kettenreaktion im Atommeiler in Fukushima nicht nur die Japaner vor die Frage, was diese Katastrophe über uns alle sagt. Sind wir im Zentrum der Gefahr nicht näher an unserer Wahrheit und an der unserer Gegenwart?

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Autorenporträt
Adolf Muschg, geboren 1934 in Zürich, war u. a. Professor für deutsche Sprache und Literatur an der ETH in Zürich und Präsident der Akademie der Künste Berlin. Sein umfangreiches Werk, darunter die Romane «Im Sommer des Hasen» (1965), «Albissers Grund» (1977), «Das Licht und der Schlüssel» (1984), «Der Rote Ritter» (1993), «Sutters Glück» (2004), «Eikan, du bist spät» (2005) und «Kinderhochzeit» (2008), wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Hermann-Hesse-Preis, der Georg- Büchner-Preis, der Grimmelshausen-Preis, der Grand Prix de Littérature der Schweiz und zuletzt der Preis der internationalen Hermann-Hesse-Gesellschaft. Im Verlag C.H.Beck erschienen Muschgs Reden «Was ist europäisch?» (2005), die Romane «Sax» (2010), «Löwenstern» (2012), «Die Japanische Tasche» (2015) und «Der weiße Freitag» (2017) sowie die Essays und Reden «Im Erlebensfall» (2014). Außerdem erschien ein biographisches Porträt Adolf Muschgs von Manfred Dierks «Lebensrettende Phantasie» (2014).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2018

Das wahre Leben in der Katastrophe

Die Immunität der Wildschweine gegen Strahlen: Der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg beschreibt in seinem neuen Roman eine Liebe in Japan.

Vor gerade einmal einem Jahr nahm Adolf Muschg seine Leser mit auf eine Schweizer Reise. Begleitet wurden sie von Goethe, der ihnen 1779 vorangegangen war und im Koordinatensystem des Germanisten Muschg einen zentralen Bezugspunkt markiert. Sie führte ins Hochgebirge und erschloss weniger bekannte Regionen in der Existenz des Schriftstellers, die ihrem Ende entgegenzugehen schien. Muschg schrieb auf persönliche, ungemein berührende und versöhnliche Art über seine japanische Frau und seine Krebserkrankung. Auch über die schweizerische Vergangenheitsbewältigung. Von Blocher träumte er. Im Zwiegespräch mit Goethe, der ausgiebig zu Wort kam, blickte er auf sein Leben zurück. Den Leser ließ er mit dem Eindruck zurück, dass der Abschied länger dauern würde.

Ein Jahr danach gehen das Leben und das Lesen weiter. Sie führen in ein von Strahlen verseuchtes Gebiet, nach Fukushima, und als inspirierender, kommentierender Begleiter bemüht der Gegenwartsschriftsteller diesmal Adalbert Stifter. Auf dem Furkapass hatte der Seilschaft Goethes, die von Muschg aus sicherer Distanz beobachtet wird, ein Gletschersturz gedroht. In Fukushima sind die Naturkatastrophen bereits eingetreten: "Erdbeben, Tsunami, und dann: der SuperGAU." Muschg erzählt, wie der deutsche Architekt Paul Neuhaus, der in Fukushima eine Künstlerkolonie bauen soll, zu einer japanischen Geliebten kommt - und am Schluss ohne sie nach Europa zurückkehren wird. Neuhaus ist auch schriftstellerisch tätig und Verfasser eines Werks "Hier und Jetzt", das ins Japanische übersetzt wurde. Adolf Muschg suggeriert viele Bezüge zu seinem eigenen Leben, zahlreich sind die literarischen Querverbindungen zwischen "Heimkehr nach Fukushima" und seinen früheren Romanen. Auch mit der "Heimkehr" - wohin auch immer - hat es eine (mindestens) doppelte Bewandtnis.

Die Geschichte beginnt im alemannischen Raum mit einem Brief und einem gastronomischen Abstecher ins Elsass. Die Beziehung zwischen Paul und seiner Lebensgefährtin Suzanne ist nicht mehr ganz so innig. "Adalbert der Langweiler" ist bereits dabei und kommentiert die sanft bröckelnde Verbindung. Der Brief ist an sie beide adressiert. Abgeschickt hat ihn Ken Tenma, Neuhaus' ehemaliger Student. Es ist die Einladung an den Architekten, die Künstlerkolonie zu bauen, um die delokalisierten Bewohner zur Rückkehr zu bewegen. Stifter kommt ins Handgepäck: "Der ist aber nie geflogen", sagt sie. Er: "Trotzdem schützt er vor Strahlen." Mit ihm, aber ohne Suzanne fliegt Paul Neuhaus am 21. April 2017 in der ersten Klasse von Zürich-Kloten nach Tokio. Er liest dabei die "Nachkommenschaften".

Die Reise führt in ein Labyrinth. Aber sie finden sich - wie abgemacht nicht am Flughafen, sondern im Hotel. Ken wird von seiner in Weiß gekleideten Frau begleitet, "Mitsuko war Paul schon im Traum erschienen". Aus gesundheitlichen Gründen muss Ken auf die Fahrt nach Fukushima verzichten. Bürgermeister Irie will hier die "zerstreuungswütige Gesellschaft" erneuern. Nach Hiroshima, so erklärt er Neuhaus, waren die "Überlebenden in Sonntagsreden zwar gefeiert, in der Praxis aber isoliert worden". Fukushima sei die große Chance für ein "Recycling", für die "Rückkehr vom Virtuellen auf das Reelle". Das wahre Leben "findet unter den Bedingungen der Katastrophe" statt. Sie macht bekanntlich auch die Liebe ganz besonders intensiv. Eine gute Investition wäre auch der Erwerb einer Immobilie, rät Irie, der als Makler arbeitet.

Neuhaus und Mitsuko, die in Fukushima geboren wurde, fahren allein. Am Beginn ihrer Beziehung kann sich Muschg einen Hinweis auf den Film "Hiroshima mon amour" nicht verkneifen. Bei ihm geht es dann aber - nach einem Traum, in dem Neuhaus die Diagnose Atombombe im Kopf gestellt wird - ganz anders zur Sache als bei Marguerite Duras. Beim Besuch des zerfallenen Hauses schlägt der Geigerzähler aus: Die Wildschweine, die Mitsuko mit Pfefferspray vertreiben musste, sind zurück, doch diesmal ist kein Keiler dabei. Beider wildentschlossener Kampf gegen die Sauen ist der Auftakt zur ersten Kopulation. Mit gleicher Entschlossenheit steigt sie aus ihrem Schutzanzug, macht sich völlig frei und reißt ihn auch dem überrumpelten Neuhaus vom Leib. Sie springt auf ihn, "Wippen und Wüten finden kein Ende", Paul muss um das Gleichgewicht kämpfen, "sie fest- und vom verstrahlten Boden fernhalten, um jeden Preis".

Die Übung wird an unterschiedlichsten Orten wiederholt, und Muschg beschreibt die Paarung mit reichlich unverbrauchten Begriffen. Mal machen sie "die Schildkröte", "er der Schild, sie die Kröte". Bei einem früheren Beischlaf "zeichnete er die feine Naht nach, bis sein Finger auf den mit Fältchen verschnürten After stieß, und sprunghaft schwoll ihm der Kamm".

Mitsuko wird unvermittelt aus dem Verkehr gezogen. Neuhaus ahnt es, als er Kens Stimme aus dem Nachbarzimmer, in dem seine Geliebte logiert, vernimmt. In dessen "trüben Augen zeigte sich eine Spur Amüsement". Pauls Gedanken kehren zu Suzanne zurück. Er ist ein bisschen lebensmüde geworden. "Nie war er der Versuchung, Schluss zu machen, näher gewesen - und nie hatte ihn der Aufwand, der dafür nötig wäre, weiter davon entfernt." Lieber wäre er umgehend abgereist, aber er musste noch ein paar Tage im Hotel bleiben, das Zimmer verließ er kaum noch. Nach dem letzten Frühstück steht plötzlich Mitsuko mit einem Reisekoffer vor der Glastüre des Restaurants.

Adolf Muschgs "Heimkehr nach Fukushima" geht mit der Abreise nach Zürich zu Ende. Aber japanische Bücher liest man bekanntlich von hinten nach vorn. Doch Pauls Geliebte bleibt zu Hause, im Koffer befindet sich ein Geschenk: der Schutzanzug, den sie in der verstrahlten Zone getragen "und abgelegt" hatten, frisch gewaschen und gebügelt. Auf dem Gang zum Gate sagt der Architekt nur noch, dass er das verfallene und verseuchte Haus kaufen wolle. Von der Künstlerkolonie war schon länger nicht mehr die Rede.

Diese westöstliche Lebens- und Liebesgeschichte voller Weisheit und Humor ist ein ungemein frischer Roman, den man mit viel Vergnügen liest. Darüber hinaus ist er eine Einführung in die japanische Kultur und Lebensart sowie eine geradezu dokumentarische Lektüre über einen Alltag, in dem der Geigerzähler wichtiger ist als die Uhr. Auch mit der geradezu metaphysischen Beziehung der Japaner zum Atom beschäftigt sich der Verfasser. In Tschernobyl konnte man die Region einfach aufgeben, "wir kämpfen um jedes Stück Boden", erklärt der Bürgermeister: "Aus dem Störfall haben wir auch ökologisch viel gelernt." Die Wildschweine beteiligen sich an der Dekontamination: Sie nehmen mit der Nahrung Radioaktivität auf, ohne dass ihre Chromosomen darunter leiden. Mit der Wiederbesiedlung will Bürgermeister Irie die moralische Aufrüstung der "zerstreuungswütigen" Gesellschaft betreiben, es geht ihm um die Rückkehr von der Virtualität in die Realität. Das wahre Leben findet bekanntlich unter den Bedingungen der Katastrophe statt.

JÜRG ALTWEGG

Adolf Muschg: "Heimkehr nach Fukushima". Roman.

C.H. Beck Verlag, München 2018. 244 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Offenbar amüsiert hat Rezensent Jürgen Altwegg Adolf Muschgs neuen Roman "Heimkehr nach Fukushima" gelesen. "Ungemein frisch" nennt der Kritiker die Geschichte um den deutschen Architekten Paul, der sich in Begleitung der Japanerin Mitsuko nach Fukushima begibt, um im atomverseuchten Gelände eine Künstlerkolonie aufzubauen, bald aber nur noch Augen für Mitsuko hat. Wie Muschg westöstliche "Weisheit", Witz, japanische Kultur und den Umgang der Japaner mit Atomkraft in einen Roman gießt, hat Altwegg gut gefallen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine Geschichte von den großen und kleinen Katastrophen des Lebens, von Liebe, Verlust und Neuanfang."
Rhein-Neckar-Zeitung, Zhe Weber

"Kultur und Mentalität Japans spielen in dieser bizarren Liebesgeschichte eine zentrale Rolle."
Die Zeit, Ulrich Greiner

"Muschgs Roman ist ein sprachliches und erzählerisches Kunstwerk."
taz, Marlen Hobrack

"Ein tiefgründiger, philosophischer Roman, der Reflexionen über Schicksal und Eigenverantwortlichkeit mit überraschenden Beobachtungen und Erkenntnissen paart."
SWR2 Lesenswert

"Diese westöstliche Lebens- und Liebesgeschichte voller Weisheit und Humor ist ein ungemein frischer Roman, den man mit viel Vergnügen liest."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Jürg Altwegg

"Nicht nur ein Alterswerk von großer erzählerischer Subtilität am Beispiel ruppiger Gegenstände, es ist tatsächlich ein Meisterwerk: 'hell erleuchtetes Weltall'!"
ORF Ex Libris, Peter Zimmermann

"Sehr elegant und eloquent, spannende Charaktere, schlüssige Geschichte."
SR2, Bianca Schwarz

"Ein Roman, der die Katastrophe von Fukushima klug und erhellend in Literatur verwandelt."
WDR, Barbara Geschwende

"Wo noch ein Rest von Leben ist, wo noch irgendeiner den Geigenzähler knacken hört, gehen die Geschichten weiter. Muschg ist ihr großartiger Erzähler!"
Alexander Solloch, NDR Kultur, 27. Juli 2018

"Seelenkundig und lebensprall gleichermaßen."
Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 20. Juli 2018

"Muschg hat etwas zu sagen, und wie er es sagt ist köstlich."
Berner Zeitung…mehr