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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Max Brods Buch über Heinrich Heine von 1934 ist eine Entdeckung. Gerade weil sie so viel über den Biographen selbst verrät und einige bemerkenswerte Fehlschlüsse enthält.
Wer heute von Max Brod hört, denkt meist an Franz Kafka, aber das war es dann schon. Dass Brod in den zwanziger und dreißiger Jahren auch selbst ein berühmter und vielgelesener Autor war, ist heute fast vergessen. Der Schlagschatten des Nationalsozialismus beendete eine große Karriere und wich nicht mehr, auch nach 1945 nicht. Im Wallstein Verlag, der für den Wagemut berühmt ist, auch abgelegene Stuben unseres kulturellen Gedächtnisses auszuleuchten, erscheint seit 2013 eine Brod-Werkausgabe und innerhalb dieser nun Brods Heine-Biographie, die zuerst 1934 zeit- und ausstattungsgleich in Amsterdam (bei Allert de Lange) und Wien/Leipzig (bei E. P. Tal), dann 1935 in zweiter Auflage (nur bei de Lange) und dann wieder 1956 in West-Berlin (bei Herbig) veröffentlicht worden ist. Mit immerhin drei Auflagen hatte sie zwar einen Achtungserfolg, blieb aber etwas für Connaisseure. So ist das Buch heute eine Entdeckung.
Man lernt aus ihm freilich mehr über Brod als über Heine. Heine ist nur der Zankapfel. Ihn den Linksliberalen zu entreißen und für den Zionismus zu vereinnahmen ist Brods zentrale Absicht; von dieser Idee her muss man das Buch lesen. Es ist ein kulturpolitisches Buch, kein Beitrag zur Heine-Forschung. Es debattiert viel und berichtet wenig. Es setzt voraus, dass die Assimilation der Juden ein Fehler war, dass in gewissem Grad sogar die gesamte Judenemanzipation seit Napoleon falsch, zumindest fatal war, weil sie die Identität der Juden gefährdete. Max Brod will zwar keine Gettos im Sinn real vermauerter Bezirke wiedererrichten, aber er will innere Mauern bauen, die das Minderheitsvolk der Juden gegen ihre Mehrheits-"Wirtsvölker" abgrenzen. Neutraler gesprochen: Er will jüdische Identität, und das bedeutet die Pflege alles Jüdischen in Brauchtum, Religion und Lebensart, von tiefster Sinnlichkeit bis zu höchster Geistigkeit, wobei das "rassenmäßig Bedingte", so schreibt Brod mit irritierendem Vokabular, als "Blutsbrunnen der Vitalität" wirken soll, dessen "belebende Säfte durch feinste Kapillarröhren bis in die höchsten, fernsten Stockwerke des Bauwerkes dringen müssen". Auf dieser Basis predigt der Jude Brod im Jahr 1934 "Distanzliebe" zwischen Juden und Deutschen - sie sollen einander lieben, aber Distanz halten.
Nun war Heine ein Assimilant. Er wollte ein Deutscher sein. Er ließ sich evangelisch taufen und heiratete katholisch. Er war promovierter Jurist und wollte in Hamburg Anwalt oder in München Professor werden. Aber die Deutschen ließen ihn nicht herein in ihre warmen Stuben, warfen ihn immer wieder auf sein Judesein zurück und vertrieben ihn schließlich ins Pariser Exil. Brod nimmt das wie ein Naturgesetz. Heine ist für ihn ein Lehrbeispiel dafür, dass die Assimilation scheitern muss. Heines wahre Identität ist für ihn eine jüdische.
Um die These zu halten, knetet er sich seinen Heine zurecht. Deutsch-Sein-Wollen, meint er, ist unter bestimmten Umständen jüdisch. Religiös-Sein-Wollen natürlich auch: Heines späte Reue über die Zeit, in der er "bei den Hegelianern die Schweine gehütet" hatte, und seine "Rückkehr zu Gott" macht Brod sich zunutze. Sogar in Heines Liebesleben findet er Jüdisches, ordnet ausgerechnet Heine einer spezifisch jüdischen Keuschheit zu und ignoriert seine Erotomanie. Heines langjähriges Siechtum ist für Brod denn auch nicht die Spätfolge einer syphilitischen Infektion, die er sich wahrscheinlich 1824 bei einer schönen Köchin in Göttingen geholt hatte, sondern lediglich eine "progressive spinale Muskelatrophie".
Max Brod hat sein Heine-Buch 1956 fast unverändert nachdrucken lassen. Er ist sonderbar stolz darauf, dass seine Prinzipien sich über die Zeit des Holocausts hinaus bewährt hätten. Das hat etwas Schauriges. Ich glaube nicht, dass sich da etwas bewährt hat, sondern dass ein unaufgearbeitetes Trauma vorliegt. Da will einer nicht in sich einlassen, was geschehen ist, will sein Buch und seine Identität retten. All diese "Prinzipien", dieses Schattenboxen mit großen Worten, diese Spiegelfechtereien über das Christliche, das Jüdische, das Deutsche, Französische und Tschechische (Brod lebte bis 1938 in Prag und emigrierte dann nach Israel) nehmen sich im Lichte des Holocausts nicht als Lösungen aus, sondern als Problem. Brod hatte ein wenig Freud gelesen, aber das hinderte ihn nicht, falsche Schlüsse zu ziehen.
Um diesem schwer Blessierten intellektuell fortzuhelfen, hat ihm der Verlag mehrere Krücken mitgegeben: zwei Vorworte (von Anne Weber und von Max Brod selbst) und ein Nachwort (von Gerhard Kurz), dazu noch ein Brod-Biogramm und ein Gesamtnachwort zur Ausgabe, ferner eine Liste der wenigen Veränderungen, die Brod 1956 vorgenommen hat. Editionsphilologisch ist diese Liste das Einzige, was an eine wissenschaftliche Ausgabe erinnert, während man bei einem Buch dieser Art schon gerne ein Namensregister, ein Quellenverzeichnis und einen Zitatnachweis hätte, damit Ross und Reiter aus dem Nebel träten.
Die Vor- und Nachworte befassen sich erkenntnisfördernd mit der kulturzionistischen Aneignung Heines, lassen aber Angaben über die genaue Entstehungs- und Publikationsgeschichte vermissen. Dass Brods "Heine" nur im Amsterdamer Exilverlag Allert de Lange erscheinen konnte, wird behauptet und dem Werk ein Exil- und Widerstandsglorienschein gewährt. Aber stimmt das? Prag und Wien waren damals noch nicht besetzt. Warum erschien das Werk nicht in Brods Wiener Stammverlag Paul Zsolnay? Und was hat es mit "E. P. Tal" auf sich, einem Verlag, der nicht nur in Wien, sondern auch in Leipzig einen Sitz hatte? War das Buch in Deutschland zu haben oder nicht? Die Vor- und Nachworte schweigen dazu. Vielleicht ist es richtig, was man der Sekundärliteratur entnehmen kann (Murray G. Hall über den Zsolnay-Verlag), dass Ernst Peter Tal als Deckadresse diente, über die Allert de Lange in Deutschland unerwünschte Bücher auf den deutschen Markt zu schmuggeln versuchte.
Wahrscheinlich wusste Brod davon oder hat das selbst so angestiftet. Vermutlich hat Zsolnay Brod-Rechte, die auszuüben das Renommee des Verlags im nationalsozialistischen Deutschland gefährdet hätte und die insofern wertlos geworden waren, an Allert de Lange verkauft, der seinerseits dann eine Exilausgabe und (bei E. P. Tal) eine Ausgabe für Deutschland und Österreich veranstaltete. In den ersten drei oder vier Jahren des Hitler-Regimes war noch vieles möglich, was später nicht mehr ging. Es gab noch jüdische Verlage, jüdische Zeitschriften und ein jüdisches Publikum, um das man auf verschlungenen Wegen werben konnte. Um dieses Publikum ging es Brod; über Amsterdam, Wien und Leipzig versuchte er es zu erreichen.
HERMANN KURZKE
Max Brod: "Heinrich Heine". Biographie.
Wallstein Verlag, Göttingen 2015. 496 S., geb., 29,90 [Euro].
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