Zeitgeschichte neu erzählt Hermann ist 12, der Vater an der Front, der ältere Bruder Feindsender-Hörer und die kleine Schwester lästig. Mit viel Kraft versucht die Mutter, das Familienleben am Laufen zu halten – soweit möglich in den letzten Jahren des 2. Weltkriegs in einer Mühlviertler (OÖ) Grenzstadt. Und die Zeiten lassen sie auch zu, die einigermaßen unbeschwerten Kindertage mit Schwimmen in der Jaunitz und Herumkraxeln im Kirchturm. Aber natürlich sind der Krieg und alle seine Begleiterscheinungen immer präsent. Da mag eine Familie mit verbotener sozialistischer Gesinnung schon vorsichtig sein. Vor allem, wenn sie sich einem Geheimbund anschließt, heimlich Geld sammelt, Widerstand plant. Im Gegensatz zu seinem nur ein Jahr älteren Bruder soll Hermann in all diese Geschehnisse nicht eingebunden werden, soll bewahrt und beschützt werden. Aber Häuptling Falkenauge lässt sich nicht unterkriegen. Gemeinsam mit seinen Freunden geht er Ungereimtheiten auf die Spur und deckt nach und nach all das auf, was in den letzten Kriegstagen in zahlreichen Verhaftungen und teils sehr brutalen Hinrichtungen mündet. Nur durch Zufall bleibt Hermanns Familie davon verschont. Jugendbücher über den zweiten Weltkrieg gibt es viele, Leonora Leitl findet allerdings einen ganz neuen, eigenen Zugang. In frischer, aufgeweckter Sprache wird ein junger Mensch begleitet, für den Krieg alltäglich ist, der auch mal kindliche Flausen im Kopf hat und sich auf der Suche nach der eigenen Männlichkeit einen Weg durch die verschiedenen Heldenbilder schlägt – von den von der HJ-Jugend propagierten über die in den Wild-West-Romanen präsentierten bis hin zu den direkt vor seiner Nase im Geheimen agierenden Helden und Heldinnen. Ein Buch, das dieser Zeit ein ganz eigenes Denkmal setzt. Dann beschließe ich Papa zu folgen. Vielleicht bringt mich das auf eine Spur.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Siggi Seuss hat dieser Jugendroman aus dem Anti-Nazi-Milieu einer österreichischen Arbeiterfamilie gut gefallen. Er lobt die Ausarbeitung der Umwelt, die jugendlichen Charaktere und die Stimmung der Bedrohung, in der sich die Freundschaft der Jugendlichen bewähren muss. Trotz der eher düsteren Zeiten ist der Autorin gelungen, ihre Geschichte "kenntnisreich" und sogar "farbenfroh" zu gestalten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2020Die große Eisenfaust
Eine Kindheit im letzten Kriegsjahr in Österreich
Das letzte Jahr des Zweiten Weltkrieges er- zählt aus der Perspektive Jugendlicher, die hin- und hergerissen waren zwischen Hoffnung, Skepsis, Angst, Verzweiflung. Unter den Geschichten, die sich diesem Thema widmeten, waren auch Josef Holubs Erzählungen über seine Jugend im Böhmerwald, vor allem „Der rote Nepomuk“ und „Lausige Zeiten“. An ihn erinnert der zwölfjährige Hermann aus dem Städtchen Freistadt im österreichischen Mühlviertel, in Leonora Leitls Roman „Held Hermann. Als ich Hitler im Garten vergrub“.
Die Grundstimmung des Romans prägen Jungenfreundschaft und die Ablehnung der NS-Ideologie durch Hermanns Familie. Der „Held Hermann“ ist ein fiktiver Charakter. Zwar hält sich die 1974 geborene Autorin und Illustratorin in der Rahmenhandlung an die historischen Fakten und die Erzählungen ihres Großvaters und schreibt: „Viele Figuren, die in diesem Buch vorkommen, hat es in Wirklichkeit gegeben.“ Die Erlebnisse des jungen Hermann und seiner Freunde jedoch sind frei erfunden, auch die Annäherung an eine – tatsächlich existierende – sozialdemokratische Widerstandsgruppe in der Region.
Dennoch ist Leonora Leitls Roman stimmig, spannend und in gewisser Weise sogar farbenfroh. Sie hat ihre Geschichte mit Szenen aus Hermanns Leben und mit Freistädter Stadtbildern illustriert, in koloriertem Linoldruck. Und sie schildert das Milieu, in dem der Junge mit resoluter Mutter (er nennt sie „Die große Eisenfaust“), kleiner Schwester und etwas älterem Bruder aufwächst – der Vater ist an der Front –, kenntnisreich und vor allem mit liebevoller, manchmal auch augenzwinkernder Zuneigung. In der Arbeiterfamilie gibt es keinerlei Sympathie für die Nazis und die beiden Jungs lassen sich auch nicht von den paramilitärischen Aktionen der Hitlerjugend hinters Licht führen, an denen sie als Pimpfe teilnehmen müssen. Wenn man Hermanns Weltsicht beschreiben wollte, könnte man sagen: eine Mischung aus sozialdemokratischer Erziehung, Realitätssinn, Gerechtigkeitsempfinden, Indianerromantik, Abenteuerlust, altersgemäßen Nöten und immer präsenter Angst vor dem Zugriff der Machthaber.
Über allem schwebt das Damoklesschwert der Denunziation. Ein falsches Wort kann zur existentiellen Gefahr für die ganze Familie werden. Zudem vermutet Hermann, dass die Eltern Kontakt zu einer Widerstandsgruppe halten. Die ständige Bedrohung rückt die Autorin immer wieder in alltäglichen Ereignissen ins Bild. Mit sicherem Sprachgefühl, glaubwürdigen Dialogen und einem feinen Gespür für Räume, besonders für die kleinen Refugien, die sich Hermann und seine Freunde schufen, um sich für Augenblicke geschützt zu fühlen. (ab 13 Jahre)
SIGGI SEUSS
Leonora Leitl: Held Hermann. Als ich Hitler im Garten vergrub. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2020. 256 Seiten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eine Kindheit im letzten Kriegsjahr in Österreich
Das letzte Jahr des Zweiten Weltkrieges er- zählt aus der Perspektive Jugendlicher, die hin- und hergerissen waren zwischen Hoffnung, Skepsis, Angst, Verzweiflung. Unter den Geschichten, die sich diesem Thema widmeten, waren auch Josef Holubs Erzählungen über seine Jugend im Böhmerwald, vor allem „Der rote Nepomuk“ und „Lausige Zeiten“. An ihn erinnert der zwölfjährige Hermann aus dem Städtchen Freistadt im österreichischen Mühlviertel, in Leonora Leitls Roman „Held Hermann. Als ich Hitler im Garten vergrub“.
Die Grundstimmung des Romans prägen Jungenfreundschaft und die Ablehnung der NS-Ideologie durch Hermanns Familie. Der „Held Hermann“ ist ein fiktiver Charakter. Zwar hält sich die 1974 geborene Autorin und Illustratorin in der Rahmenhandlung an die historischen Fakten und die Erzählungen ihres Großvaters und schreibt: „Viele Figuren, die in diesem Buch vorkommen, hat es in Wirklichkeit gegeben.“ Die Erlebnisse des jungen Hermann und seiner Freunde jedoch sind frei erfunden, auch die Annäherung an eine – tatsächlich existierende – sozialdemokratische Widerstandsgruppe in der Region.
Dennoch ist Leonora Leitls Roman stimmig, spannend und in gewisser Weise sogar farbenfroh. Sie hat ihre Geschichte mit Szenen aus Hermanns Leben und mit Freistädter Stadtbildern illustriert, in koloriertem Linoldruck. Und sie schildert das Milieu, in dem der Junge mit resoluter Mutter (er nennt sie „Die große Eisenfaust“), kleiner Schwester und etwas älterem Bruder aufwächst – der Vater ist an der Front –, kenntnisreich und vor allem mit liebevoller, manchmal auch augenzwinkernder Zuneigung. In der Arbeiterfamilie gibt es keinerlei Sympathie für die Nazis und die beiden Jungs lassen sich auch nicht von den paramilitärischen Aktionen der Hitlerjugend hinters Licht führen, an denen sie als Pimpfe teilnehmen müssen. Wenn man Hermanns Weltsicht beschreiben wollte, könnte man sagen: eine Mischung aus sozialdemokratischer Erziehung, Realitätssinn, Gerechtigkeitsempfinden, Indianerromantik, Abenteuerlust, altersgemäßen Nöten und immer präsenter Angst vor dem Zugriff der Machthaber.
Über allem schwebt das Damoklesschwert der Denunziation. Ein falsches Wort kann zur existentiellen Gefahr für die ganze Familie werden. Zudem vermutet Hermann, dass die Eltern Kontakt zu einer Widerstandsgruppe halten. Die ständige Bedrohung rückt die Autorin immer wieder in alltäglichen Ereignissen ins Bild. Mit sicherem Sprachgefühl, glaubwürdigen Dialogen und einem feinen Gespür für Räume, besonders für die kleinen Refugien, die sich Hermann und seine Freunde schufen, um sich für Augenblicke geschützt zu fühlen. (ab 13 Jahre)
SIGGI SEUSS
Leonora Leitl: Held Hermann. Als ich Hitler im Garten vergrub. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2020. 256 Seiten, 19,95 Euro.
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"Eine eindringlich erzählte und illustrierte Geschichte über den Mut zum Widerstand und das Großwerden in Zeiten des Krieges." DIE ZEIT "Leonora Leitl bringt Zeitgeschichte für junge Menschen ab zwölf Jahren auf den Punkt." ooe.ORF.at "Es mag viele Jugendbücher über den Zweiten Weltkrieg geben, doch keines ist so natürlich, authentisch und mit einer Portion Aufgewecktheit geschrieben, wie das vorliegende von Leonora Leitl." Janett Cernohuby, janetts-meinung.de "Ein so lakonisch wie einfühlsam erzähltes, wahrhaftiges Buch." Kirstin Breitenfellner, FALTER "Beeindruckend, ernsthaft und dann wieder humorvoll erzählt Leitl von dem 12-jährigen Hermann, [...]. Ein mutiges und ungewöhnliches Buch!" Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur "Ein exzellenter, bis ins kleinste Detail recherchierter Roman von Leonora Leitl." Beste 7, Deutschlandfunk