At first, all Lily Austin knows about 19th-century explorer Mary Kingsley is that, 100 years before, she was the first white woman to venture into the heart of Africa. But as Lily begins reading about Mary Kingsley, she becomes more and more fascinated - and discovers in Mary a kindred spirit.
In her own life, Lily feels trapped - on the one hand, she craves family and intimate connection; on the other hand, she has no healthy or satisfying role models. Consequently, as she nears graduation from the University of Virginia, she finds herself uncertain about what to do with her life.
As she researches Mary's life - she has begun writing a play about her - Lily comes to witness Mary's incredible bravery and startling originality, qualities that prove inspirational to Lily, whose own bravery is required as she attempts to navigate dysfunctional and destructive relationships with her young husband, her extended family - and a legacy of abuse dating back to her childhood.
In her own life, Lily feels trapped - on the one hand, she craves family and intimate connection; on the other hand, she has no healthy or satisfying role models. Consequently, as she nears graduation from the University of Virginia, she finds herself uncertain about what to do with her life.
As she researches Mary's life - she has begun writing a play about her - Lily comes to witness Mary's incredible bravery and startling originality, qualities that prove inspirational to Lily, whose own bravery is required as she attempts to navigate dysfunctional and destructive relationships with her young husband, her extended family - and a legacy of abuse dating back to her childhood.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.10.2004Das Gewimmer der Wildnis
Richard Bausch erforscht den Schwarzen Kontinent der Frauenseele
Der Torwart fürchtet sich vor dem Elfmeter, das Karnickel vor der Schlange, aber Lily hat einfach bloß Angst, sobald sie die Augen aufschlägt; und vorher auch. In jedem dritten Satz. "Nackte Angst vor den Gegebenheiten des Daseins packt sie" an ihrem vierzehnten Geburtstag, den sie im Haus einer Freundin feiert. Denn ihre Eltern lassen auf sich warten. "Seltsam verängstigt" bleibt sie selbst dann, als sich die Verspätung mit einem schlichten Blechschaden erklärt. Bald wird dem altklugen Teenie klar, "wie sonderbar sich doch alles mischt in den Menschen, Zärtlichkeit und Brutalität, Wut und Gelächter und Trauer, und alles so beängstigend, daß es nicht zu ertragen ist".
Der Prolog des rund 850 Seiten langen Romans "Die Kannibalen" von Richard Bausch ist gelungen: In stimmungsvoll kolorierten Kulissen, komplett samt dräuendem Schneesturm, machen die Protagonisten ihren Diener und servieren den Stoff, aus dem Bauschs Phantasien sind. "Hello to the Cannibals" (im Original 2002 erschienen) geht mit den Menschenfressern des Schwarzen Kontinents und mit denen der schwarzen Seelenterritorien auf Tuchfühlung.
Lily bekommt zu ihrem besagten Geburtstag im Jahr 1982 den Band "Große Entdecker" geschenkt - und entdeckt darin noch am selben Abend die (historische) Reiseschriftstellerin Mary Kingsley. Später, als College-Studentin, wird Lily an einem Theaterstück über die viktorianische Forscherin arbeiten. Der 1945 geborene amerikanische Autor hat für seine wagemutige, weltoffene Kollegin aus einem anderen Jahrhundert und einem anderen Kontinent - Mary Henrietta Kingsley wurde 1862 in London geboren - ein Memorial aus der Feder eines verklemmten, verschüchterten all american girl schaffen lassen. Warum? Diese Frage bleibt trotz aller raffinierten Engführung offen, trotz der Parallelen in der Entwicklung der beiden jungen Frauen und trotz der Überschneidungen im Bekanntenkreis: Lily lernt endlich sogar jemanden kennen, der jemanden gekannt hat, der die Kingsley kannte.
Auf der einen Seite Mary Kingsley: Sie hatte keine höhere Schule besuchen dürfen, sondern pflegte ihre kranke Mutter, versorgte ihren jüngeren Bruder und las sich ihr breites Wissen an. Erst mit dreißig Jahren konnte sie in See stechen. Für viktorianische Verhältnisse eine alte Jungfer, erforschte sie als erste Europäerin Folklore, Flora und Fauna Westafrikas, fand Freunde auch unter den kannibalischen Fang, bezwang morastige Dschungellandschaften und steile Berge und stand als eiserne Lady im langen, zugeknöpften Schwarzen stets ihren Mann. Sie schrieb, weil sie liebte; Afrika liebte ("Travels in West Africa" wurde ein Bestseller ihrer Zeit). Missionieren und belehren war ihre Sache nicht. Richard Bausch wird ihr Leben teilweise in fiktionalen Tagebuchbriefen rekapitulieren, in Nachrichten an die Zukunft. Das ist keine Aktion, die zu der nüchternen Dame - no nonsense, but lots of humour - passen würde, sondern ein Konstruktionskniff für einen arg ambitionierten Roman.
Auf der anderen Seite Lily Austin: Einzelkind, Augapfel ihrer schauspielernden Eltern, erfolgreiche Studentin, aber verschlossen, verhärmt, freudlos. An ihrem vierzehnten Geburtstag wäre sie beinahe von einem besoffenen Greis vergewaltigt worden, und seither ist sie verstört. Daß ihre Eltern sich, Jahre später, scheiden lassen, wirft die junge Frau vollends aus der Bahn. Trotz ihrer Begabung und ihrer Beziehungen verzichtet sie auf eine Bühnenlaufbahn und bastelt statt dessen an ihrem - für den unbeteiligten Leser nicht gerade vielversprechenden - Drama über die Kingsley herum, schreibt adorierende (Antwort-)Briefe an die lang Verstorbene.
Sie schmeißt ihr Studium, heiratet (in beträchtlicher Verblendung), gebiert ein Kind, erleidet eine Scheidung (aus beträchtlicher Verblendung) und auch sonst allerlei zwischenmenschliche Unbill. Angst haben, am Leben leiden, Tränen vergießen - das sind die Grundkonstanten dieser amerikanischen Existenz gegen Ende des letzten Jahrtausends. Am Schluß des Romans hat Lily das fertige Stück in der Schublade, das Entdeckerbuch auf dem Tisch und Mary Kingsleys Stimme im Kopf. "Die Seele eines anderen Menschen ist eine Wildnis für sich, und um sie zu erforschen, mußt du auch tapfer sein."
Tapfer ist jedenfalls, wer bis dahin gekommen ist. Der wiederholt ausgezeichnete Schriftsteller Bausch ist ein kunstreicher Kurzgeschichtenerzähler. Und auch in "Die Kannibalen" versteht er es, in kleinen Szenen am Pool, genuschelten Unterhaltungen in der Küche ganze Romane anzulegen. Schade, daß ein Haufen von Anlagen noch keinen Roman ausmacht. Was darunter hervorlugt, sind zwei ausgewachsene Novellen, über zeitgenössische amerikanische Décadence und ihre merkwürdigen Prüderien die eine, die andere über vergangene, sehr britische Courage und ihre Liberalität. Mit großer Lust am Detail - und bemerkenswertem Können - malt Bausch historische und gegenwärtige Kosmen en miniature. Laternen in London, verbrannte Erde in Oxford, Mississippi, alles deutet Geschichten an.
Sie hätten freilich nicht alle ausbuchstabiert werden müssen. So manche Weitschweifigkeit windet sich um den Text wie eine Boa constrictor; etwa das ausführliche Geburtsprotokoll aus Lilys Sicht, das vom "zylindrischen Abfalleimerchen" für Gummihandschuhe übers mehrfache Muttermundabtasten bis zu Lilys unvermeidlichem "Grauen" nichts ausläßt. Wir erfahren von ihrer "Ahnung", daß der Schmerz "die Macht hatte, sie zu brechen, ja, sie zu töten". Und Lily fängt, wieder einmal, "zu weinen an. Es war ein Weinen ohne Schluchzer, ohne Krampf in der Kehle, nur die Tränen strömten ihr über die Wangen" - und so weiter ad libitum. Zum Heulen.
ALEXANDRA KEDVES
Richard Bausch: "Die Kannibalen". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Walter Ahlers und Sabine Roth. Luchterhand Verlag, München 2004. 845 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Richard Bausch erforscht den Schwarzen Kontinent der Frauenseele
Der Torwart fürchtet sich vor dem Elfmeter, das Karnickel vor der Schlange, aber Lily hat einfach bloß Angst, sobald sie die Augen aufschlägt; und vorher auch. In jedem dritten Satz. "Nackte Angst vor den Gegebenheiten des Daseins packt sie" an ihrem vierzehnten Geburtstag, den sie im Haus einer Freundin feiert. Denn ihre Eltern lassen auf sich warten. "Seltsam verängstigt" bleibt sie selbst dann, als sich die Verspätung mit einem schlichten Blechschaden erklärt. Bald wird dem altklugen Teenie klar, "wie sonderbar sich doch alles mischt in den Menschen, Zärtlichkeit und Brutalität, Wut und Gelächter und Trauer, und alles so beängstigend, daß es nicht zu ertragen ist".
Der Prolog des rund 850 Seiten langen Romans "Die Kannibalen" von Richard Bausch ist gelungen: In stimmungsvoll kolorierten Kulissen, komplett samt dräuendem Schneesturm, machen die Protagonisten ihren Diener und servieren den Stoff, aus dem Bauschs Phantasien sind. "Hello to the Cannibals" (im Original 2002 erschienen) geht mit den Menschenfressern des Schwarzen Kontinents und mit denen der schwarzen Seelenterritorien auf Tuchfühlung.
Lily bekommt zu ihrem besagten Geburtstag im Jahr 1982 den Band "Große Entdecker" geschenkt - und entdeckt darin noch am selben Abend die (historische) Reiseschriftstellerin Mary Kingsley. Später, als College-Studentin, wird Lily an einem Theaterstück über die viktorianische Forscherin arbeiten. Der 1945 geborene amerikanische Autor hat für seine wagemutige, weltoffene Kollegin aus einem anderen Jahrhundert und einem anderen Kontinent - Mary Henrietta Kingsley wurde 1862 in London geboren - ein Memorial aus der Feder eines verklemmten, verschüchterten all american girl schaffen lassen. Warum? Diese Frage bleibt trotz aller raffinierten Engführung offen, trotz der Parallelen in der Entwicklung der beiden jungen Frauen und trotz der Überschneidungen im Bekanntenkreis: Lily lernt endlich sogar jemanden kennen, der jemanden gekannt hat, der die Kingsley kannte.
Auf der einen Seite Mary Kingsley: Sie hatte keine höhere Schule besuchen dürfen, sondern pflegte ihre kranke Mutter, versorgte ihren jüngeren Bruder und las sich ihr breites Wissen an. Erst mit dreißig Jahren konnte sie in See stechen. Für viktorianische Verhältnisse eine alte Jungfer, erforschte sie als erste Europäerin Folklore, Flora und Fauna Westafrikas, fand Freunde auch unter den kannibalischen Fang, bezwang morastige Dschungellandschaften und steile Berge und stand als eiserne Lady im langen, zugeknöpften Schwarzen stets ihren Mann. Sie schrieb, weil sie liebte; Afrika liebte ("Travels in West Africa" wurde ein Bestseller ihrer Zeit). Missionieren und belehren war ihre Sache nicht. Richard Bausch wird ihr Leben teilweise in fiktionalen Tagebuchbriefen rekapitulieren, in Nachrichten an die Zukunft. Das ist keine Aktion, die zu der nüchternen Dame - no nonsense, but lots of humour - passen würde, sondern ein Konstruktionskniff für einen arg ambitionierten Roman.
Auf der anderen Seite Lily Austin: Einzelkind, Augapfel ihrer schauspielernden Eltern, erfolgreiche Studentin, aber verschlossen, verhärmt, freudlos. An ihrem vierzehnten Geburtstag wäre sie beinahe von einem besoffenen Greis vergewaltigt worden, und seither ist sie verstört. Daß ihre Eltern sich, Jahre später, scheiden lassen, wirft die junge Frau vollends aus der Bahn. Trotz ihrer Begabung und ihrer Beziehungen verzichtet sie auf eine Bühnenlaufbahn und bastelt statt dessen an ihrem - für den unbeteiligten Leser nicht gerade vielversprechenden - Drama über die Kingsley herum, schreibt adorierende (Antwort-)Briefe an die lang Verstorbene.
Sie schmeißt ihr Studium, heiratet (in beträchtlicher Verblendung), gebiert ein Kind, erleidet eine Scheidung (aus beträchtlicher Verblendung) und auch sonst allerlei zwischenmenschliche Unbill. Angst haben, am Leben leiden, Tränen vergießen - das sind die Grundkonstanten dieser amerikanischen Existenz gegen Ende des letzten Jahrtausends. Am Schluß des Romans hat Lily das fertige Stück in der Schublade, das Entdeckerbuch auf dem Tisch und Mary Kingsleys Stimme im Kopf. "Die Seele eines anderen Menschen ist eine Wildnis für sich, und um sie zu erforschen, mußt du auch tapfer sein."
Tapfer ist jedenfalls, wer bis dahin gekommen ist. Der wiederholt ausgezeichnete Schriftsteller Bausch ist ein kunstreicher Kurzgeschichtenerzähler. Und auch in "Die Kannibalen" versteht er es, in kleinen Szenen am Pool, genuschelten Unterhaltungen in der Küche ganze Romane anzulegen. Schade, daß ein Haufen von Anlagen noch keinen Roman ausmacht. Was darunter hervorlugt, sind zwei ausgewachsene Novellen, über zeitgenössische amerikanische Décadence und ihre merkwürdigen Prüderien die eine, die andere über vergangene, sehr britische Courage und ihre Liberalität. Mit großer Lust am Detail - und bemerkenswertem Können - malt Bausch historische und gegenwärtige Kosmen en miniature. Laternen in London, verbrannte Erde in Oxford, Mississippi, alles deutet Geschichten an.
Sie hätten freilich nicht alle ausbuchstabiert werden müssen. So manche Weitschweifigkeit windet sich um den Text wie eine Boa constrictor; etwa das ausführliche Geburtsprotokoll aus Lilys Sicht, das vom "zylindrischen Abfalleimerchen" für Gummihandschuhe übers mehrfache Muttermundabtasten bis zu Lilys unvermeidlichem "Grauen" nichts ausläßt. Wir erfahren von ihrer "Ahnung", daß der Schmerz "die Macht hatte, sie zu brechen, ja, sie zu töten". Und Lily fängt, wieder einmal, "zu weinen an. Es war ein Weinen ohne Schluchzer, ohne Krampf in der Kehle, nur die Tränen strömten ihr über die Wangen" - und so weiter ad libitum. Zum Heulen.
ALEXANDRA KEDVES
Richard Bausch: "Die Kannibalen". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Walter Ahlers und Sabine Roth. Luchterhand Verlag, München 2004. 845 S., geb., 25,- [Euro].
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