Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Politik - Thema: Deutsche Außenpolitik, Note: 2,3, Ludwig-Maximilians-Universität München (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft), Veranstaltung: Dokumente zur deutschen Außenpolitik, Sprache: Deutsch, Abstract: Am 28. November 1989 unterbreitete [Helmut Kohl] in der Haushaltsdebatte des Bundestages das Ergebnis in Form eines „Zehn-Punkte-Programms“: Es begann mit der Bereitschaft der Bundesregierung zu Sofort-Hilfemaßnahmen und der Fortsetzung und Erweiterung der Zusammenarbeit mit der DDR. Weiter forderte Kohl zum wiederholten Male einen „grundlegenden Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems der DDR“, insbesondere die Aufhebung des Machtmonopols der SED. [...] Untersucht man Kohls Programm unter den Gesichtspunkten von Neuigkeitswert, Quellen und Lücken, dann zeigt sich, dass in der gesamten Rede des Bundeskanzlers „keine qualitativ neuen oder gar revolutionären Elemente“ enthalten sind. Zentrale Passagen - zum Beispiel zur deutschen Frage - waren dem Grundgesetz, dem Brief zur deutschen Einheit oder der KSZE-Schlussakte von Helsinki entnommen. „Neu - und damit aufsehenerregend“ war laut Professor Werner Weidenfeld lediglich die Bündelung der Aussagen in einem „griffigen, durchnummerierten Programm“ sowie die ausdrückliche Ankündigung, „bewährte Rhetorik in Anbetracht der Möglichkeiten einer geänderten Lage in konkrete Politik umsetzten zu wollen“. Dass Kohls Rede vor allem aus „Altbekanntem“ bestand, führte nach Weidenfeld dazu, dass nach jenen Elementen gesucht wurde, die aus dem „vorhandenen Repertoire“ gerade nicht in dem Zehn-Punkte-Programm des Kanzlers untergebracht wurden. Schon sehr bald nach der Rede vor dem Bundestag wurde von diversen Seiten (Koalitionspartner FDP; Opposition im Bundestag; deutsche Presse; Ausland) festgestellt, dass die NATO-Mitgliedschaft als elementarer Bestandteil der Westbindung ebenso wenig wie die polnische Westgrenze in Kohls Programm Einzug gehalten hatte. Die Aufnahme dieses fehlenden „elften Punktes“ - nämlich die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens - forderte die oppositionelle SPD, die sich zunächst für eine „kooperative Strategie“ gegenüber der Bundesregierung ausgesprochen hatte, bereits einen Tag nach Kohls Rede in einem Entschließungsantrag. Im Folgenden soll untersucht werden, ob es sich bei der beschriebenen Unterlassung um ein Versäumnis des Kanzlers und seines Beraterstabes handelte, oder ob diese „Lücke“ aus wahltaktischen Gründen - 1990 galt mit seinen fünf Landtagswahlen (u. a. in den drei größten Bundesländern) und der Bundestagswahl im Dezember als „Mega-Wahljahr“ - ganz bewusst mit Rücksicht zum Beispiel auf die Vertriebenen (-verbände) nicht geschlossen worden war.