"Kendzierski, sind Sie verrückt geworden? Hören Sie auf, Schimanski zu spielen!"Nach einer gescheiterten Beziehung und von einem ehrgeizigen Jungjuristen als neuem Chef aus seiner Position bei der Polizei in Dortmund vertrieben – so kommt Paul Kendzierski mitten in der Weinlese als neuer Bezirkspolizist zur Verbandsgemeinde-Verwaltung nach Nieder-Olm.Der gebürtige Sauerländer mit der polnischen Großmutter fühlt sich überall fremd: In seinem Büro nicht weniger als in seiner – wie er sie nennt – "gefliesten" Zwei-Zimmer-Wohnung. Kein Wunder also, dass er den grausamen Tod des polnischen Saisonarbeiters Jozef im Essenheimer Weingut Bach zu seinem persönlichen Fall macht – der ihn von Rechts wegen nichts angeht, denn zuständig ist die Mainzer Kripo. Und für die ist es ein bedauerlicher Gärunfall, wie er immer mal wieder bei der Kellerarbeit vorkommt …Der Essenheimer Winzer Andreas Wagner erzählt in seinem ersten Krimi überaus spannend von einem Fall, der neben Paul Kendzierski noch einen zweiten Helden hat: den Wein!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2007Die Leiche in der Maische
Wein-Krimi von Historiker
Worüber könnte ein Winzersohn aus Rheinhessen bei seinem Erstlingswerk wohl am ehesten schreiben? Über die Weinlese vielleicht, den bisweilen hektischen Herbst in ansonsten beschaulichen Gemeinden wie Essenheim, Nieder-Olm und Stadecken-Elsheim. Womöglich auch über polnische Gastarbeiter, die ihre Familien verlassen, um als Saisonkräfte für einige Wochen oder Monate nach Deutschland zu gehen. Aber auch über die Kunstfertigkeit der Winzer, die den Ehrgeiz haben, aus einem Jahrgang stets das Optimum herauszuholen.
All das hat der Historiker Andreas Wagner, der seit 2002 mit seinem Bruder Ulrich das von den Eltern übernommene Weingut in Essenheim betreibt, bei seinem Debüt beherzigt: Herausgekommen ist der im Leinpfad-Verlag erschienene Wein-Krimi "Herbstblut", bei dem der tote polnische Saisonarbeiter Jozef grausam verstümmelt in der Dornfelder-Maische gefunden wird. Für die aus Mainz gekommenen Ermittler ist schnell klar, dass es sich um nichts anderes als um einen weiteren Gärunfall handeln könne - bedauerlich zwar, aber nicht ungewöhnlich für den von Hetze und Ungeduld geprägten Herbst in Rheinhessen.
Dass der neue Bezirkspolizist Paul Kendzierski, der gleich am ersten Tag mit dem Toten im Weingut Bach konfrontiert wird, den Fall nicht vergessen kann, mag mit seiner eigenen Situation zu tun haben. Nach einer gescheiterten Beziehung und wegen eines unerträglichen Chefs gerade erst von Dortmund nach Rheinhessen gewechselt, fühlt sich der Sauerländer mit polnischen Vorfahren zwischen den Rebenhängen anfangs wohl ebenso fremd wie viele der Saisonarbeiter.
Hartnäckig bleibt der skeptische Bierfreund also dran an der undurchschaubaren Weingeschichte - und tatsächlich kommt die Sache nach und nach, bisweilen vielleicht ein wenig zu gemächlich, in Bewegung. Bevor Kendzierski mit Sicherheit sagen kann, ob Jozefs Tod ein Unfall war oder nicht, muss er viele Male zu dem verdächtigen Spediteur ins Hechtsheimer Gewerbegebiet fahren, sich dabei immer wieder hinter den auf engen Straßen nicht zu überholenden Traktoren einreihen und abends im Weingut vom alten Grass geduldig manchen Schoppen petzen.
Im Gespräch mit dem ebenso lebensklugen wie rebenkundigen Winzer lernen der zugezogene Enddreißiger und mit ihm alle "Herbstblut"-Leser den in Rheinhessen lebenden Menschenschlag ein bisschen besser kennen. Schließlich hat Grass viel zu erzählen - von der Arbeit im Wingert, von der im Keller und vor allem über den Wein, der neben dem kauzigen Bezirkspolizisten sozusagen der zweite Hauptdarsteller in einem gelungenen Erstlingswerk ist.
MARKUS SCHUG
Andreas Wagner: "Herbstblut. Ein Wein-Krimi". 192 Seiten, Broschur, 9,90 Euro. Leinpfad-Verlag, Ingelheim, 2007. ISBN 978-3-937782-62-1.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wein-Krimi von Historiker
Worüber könnte ein Winzersohn aus Rheinhessen bei seinem Erstlingswerk wohl am ehesten schreiben? Über die Weinlese vielleicht, den bisweilen hektischen Herbst in ansonsten beschaulichen Gemeinden wie Essenheim, Nieder-Olm und Stadecken-Elsheim. Womöglich auch über polnische Gastarbeiter, die ihre Familien verlassen, um als Saisonkräfte für einige Wochen oder Monate nach Deutschland zu gehen. Aber auch über die Kunstfertigkeit der Winzer, die den Ehrgeiz haben, aus einem Jahrgang stets das Optimum herauszuholen.
All das hat der Historiker Andreas Wagner, der seit 2002 mit seinem Bruder Ulrich das von den Eltern übernommene Weingut in Essenheim betreibt, bei seinem Debüt beherzigt: Herausgekommen ist der im Leinpfad-Verlag erschienene Wein-Krimi "Herbstblut", bei dem der tote polnische Saisonarbeiter Jozef grausam verstümmelt in der Dornfelder-Maische gefunden wird. Für die aus Mainz gekommenen Ermittler ist schnell klar, dass es sich um nichts anderes als um einen weiteren Gärunfall handeln könne - bedauerlich zwar, aber nicht ungewöhnlich für den von Hetze und Ungeduld geprägten Herbst in Rheinhessen.
Dass der neue Bezirkspolizist Paul Kendzierski, der gleich am ersten Tag mit dem Toten im Weingut Bach konfrontiert wird, den Fall nicht vergessen kann, mag mit seiner eigenen Situation zu tun haben. Nach einer gescheiterten Beziehung und wegen eines unerträglichen Chefs gerade erst von Dortmund nach Rheinhessen gewechselt, fühlt sich der Sauerländer mit polnischen Vorfahren zwischen den Rebenhängen anfangs wohl ebenso fremd wie viele der Saisonarbeiter.
Hartnäckig bleibt der skeptische Bierfreund also dran an der undurchschaubaren Weingeschichte - und tatsächlich kommt die Sache nach und nach, bisweilen vielleicht ein wenig zu gemächlich, in Bewegung. Bevor Kendzierski mit Sicherheit sagen kann, ob Jozefs Tod ein Unfall war oder nicht, muss er viele Male zu dem verdächtigen Spediteur ins Hechtsheimer Gewerbegebiet fahren, sich dabei immer wieder hinter den auf engen Straßen nicht zu überholenden Traktoren einreihen und abends im Weingut vom alten Grass geduldig manchen Schoppen petzen.
Im Gespräch mit dem ebenso lebensklugen wie rebenkundigen Winzer lernen der zugezogene Enddreißiger und mit ihm alle "Herbstblut"-Leser den in Rheinhessen lebenden Menschenschlag ein bisschen besser kennen. Schließlich hat Grass viel zu erzählen - von der Arbeit im Wingert, von der im Keller und vor allem über den Wein, der neben dem kauzigen Bezirkspolizisten sozusagen der zweite Hauptdarsteller in einem gelungenen Erstlingswerk ist.
MARKUS SCHUG
Andreas Wagner: "Herbstblut. Ein Wein-Krimi". 192 Seiten, Broschur, 9,90 Euro. Leinpfad-Verlag, Ingelheim, 2007. ISBN 978-3-937782-62-1.
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