Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Romanistik - Hispanistik, Note: Sehr gut, Universität Wien (Institut für Romanistik), Veranstaltung: Literaturwissenschaftliches Proseminar II - Spanisch, Sprache: Deutsch, Abstract: Lieder und Süßigkeiten – das waren für Federico García Lorca die einzigen lebenden und dauerhaften Elemente seiner Heimat. Im Laufe seiner Reisen durch Spanien wurde er nämlich der Kathedralen und toten Steine müde und so suchte er nach Dingen, in denen sich das Gefühl der Geschichte versteckte. Wahrscheinlich schenkte er gerade deswegen den spanischen Wiegenliedern so große Aufmerksamkeit, baute sie handlungstragend in „Bodas de sangre“ ein und hielt einen Vortrag (conferencia) zu diesem Thema. In diesem sagte er, es gäbe seiner Meinung nach zwei Arten von Wiegenliedern: europäische und spanische. Das europäische Wiegenlied habe kein anderes Ziel, als das Kind in den Schlaf zu wiegen, während das spanische Wiegenlied gleichzeitig die Sensibilität des Kindes verletzen wolle: La canción de cuna europea no tiene más objeto que dormir al niño, sin que quiera, como la española, herir al mismo tiempo su sensibilidad. Doch sind es nur die spanischen Wiegenlieder, die die Sensibilität des Kindes verletzen? Gibt es nicht auch im deutschsprachigen Raum solche, die das Ziel verfolgen, das Kind auf die Unannehmlichkeiten und Grausamkeiten der Welt vorzubereiten? Je mehr ich mich mit dem Thema Wiegenlieder beschäftigte, desto mehr drängten sich mir diese Fragen auf. Ich hielt mich vorerst an García Lorcas conferencia, doch beschlichen mich schon im Laufe meiner ersten Recherchen leise Zweifel an seiner dort dargelegten Meinung, die immer lauter wurden. Deswegen möchte ich mich in dieser Arbeit einerseits dem in „Bodas de sangre“ vorkommenden Wiegenlied und seiner Funktion im Text widmen und andererseits oben gestellte Fragen diskutieren und ihre Berechtigung verifizieren. Um mein Vorhaben zu realisieren, zog ich vor allem die Primärliteratur zu Rate, nämlich García Lorcas „Bodas de sangre“ in der Ausgabe von Allen Josephs und Juan Caballero und seine im Jahre 1928 erschienene conferencia „Las nanas infantiles“. Da es mir nicht möglich war, eine Anthologie spanischer Wiegenlieder zu erlangen, diente mir das Internet als Quell beispielhafter Wiegenlieder. Ich verglich diese mit jenen und gelangte so zu den Ergebnissen, die im Hauptteil dieser Arbeit dargelegt sind.