In der "Summula" von 1921 entwickelt Hermann Bahr neue Lesarten von kanonischen Texten aus den Bereichen Literatur und Philosophie. Seine Fragestellungen stehen unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs: Kann die Zeit einen "geistigen Führer", einen "umfassenden Mann" überhaupt noch hervorbringen, oder muss man sich - wie Ernst Cassirer - mit der Orchestrierung des übergroßen und heterogenen "Geisterchors" bescheiden? Wo endet die Macht der Rationalität und wann muss sich der Mensch anderer Erkenntnismodi bedienen, wie müssten also die Bereiche von "Vernunft und Glaube" aufgeteilt sein? Wie stellt sich der Nationalismus bei Goethe oder Dostojewski, wie der Gedanke der Demokratie bei Whitman dar? War Österreich jemals ein Staat oder bloß ein Herrschaftsgebiet, und worin liegt überhaupt der Unterschied zwischen Herrschen und Regieren? Die zwischen 1913 und 1921 verfassten Texte entwerfen so das Bild einer Gesellschaft, die sich ihre Reglements erst zu geben hat.
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