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"Das Vaterbuch ist ein Text über Krankheit, Verlust und Verzweiflung. Wie in ‚Frausein‘ geht es um Abschied. Und um den Witz als Widerstand." Mely Kiyak
Was bleibt, wenn einem der Vater durch die Finger rieselt? Herr Kiyak, ein fabelhafter Geschichtenerzähler, bekommt Krebs und will sterben. Aber er hat eine Tochter – und was für eine: Sie macht sein Schicksal zu ihrem und lässt ihn nicht ziehen. Immerhin hat man nur einen Vater. Mely Kiyak erzählt von einer Zeit, in der es um alles geht. Von Herrn Kiyaks Überlebenskampf in Berlin und seinen Cowboystorys aus Bingöl. Von unendlichem…mehr

Produktbeschreibung
"Das Vaterbuch ist ein Text über Krankheit, Verlust und Verzweiflung. Wie in ‚Frausein‘ geht es um Abschied. Und um den Witz als Widerstand." Mely Kiyak

Was bleibt, wenn einem der Vater durch die Finger rieselt? Herr Kiyak, ein fabelhafter Geschichtenerzähler, bekommt Krebs und will sterben. Aber er hat eine Tochter – und was für eine: Sie macht sein Schicksal zu ihrem und lässt ihn nicht ziehen. Immerhin hat man nur einen Vater. Mely Kiyak erzählt von einer Zeit, in der es um alles geht. Von Herrn Kiyaks Überlebenskampf in Berlin und seinen Cowboystorys aus Bingöl. Von unendlichem Schabernack und großem Kummer. Sie erzählt wahrhaftig, schön und eigensinnig von Vaterliebe und Tochterangst und davon, dass es die Geschichten sind, die bleiben. Und natürlich von seinen berühmten Zwei-Zeilen-Briefen: „Ich küsse dich mein Kind. Dein Vater.“ „Das Vaterbuch ist ein Text über Krankheit, Verlust und Verzweiflung. Wie in "Frausein" geht es um Abschied. Und um den Witz als Widerstand. "Frausein" und das Vaterbuch sind zwei Texte, aber ein Erzählkörper. Ein Leid, ein Lachen, ein Sterben.“ Mely Kiyak

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Autorenporträt
Mely Kiyak ist Autorin von Büchern und Theatertexten. Bei Zeit Online erscheint ihre Serie "Gute Momente", für das Gorki-Theater schreibt sie "Kiyaks Theater Kolumne". Für ihre Arbeit wurde Mely Kiyak vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Kurt-Tucholsky-Preis. Zuletzt erschienen bei Hanser "Frausein" (2020) und "Werden sie uns mit FlixBus deportieren?" (2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Sonja Zekri findet beeindruckend und schön, wie Mely Kiyak in ihrem Roman Lachen und Traurigkeit nebeneinander existieren, ja sogar "harmonieren", lässt. Es geht um eine erwachsene Tochter und ihren an Lungenkrebs erkrankten Vater, ursprünglich als kurdischer Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, dessen nahender Tod die Tochter in eine Krise stürzt. In Geschichten aus seinem Heimatdorf, in denen es viel um Tod und Trauer, aber auch um erfüllte Leben geht, versucht der Vater der Tochter zu helfen. Wie Kiyak dabei mit "untrüglichem" Gespür für Rhythmus und Dialoge Erzähllandschaften aufbaue, um sie, wie Wellen brechen zu lassen, imponiert der Kritikerin. Dass die Autorin sich gegen eine zu autobiografische Lesart wehrt, erfährt Zekri aus einem persönlichen Interview mit Kiyak; sie selbst scheint aber wichtig zu finden, dass Autorin und Figur den gleichen Namen tragen und dass Kiyak zudem selbst lange schwerkrank war. Ein Buch, in dem ein großes Wissen über das Leben im Angesicht seines Endes steckt, das aber dennoch nicht "resignativ", sondern ermutigend wirke, lobt die Kritikerin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.02.2024

Vom Loslassen
Menschsein als anspruchsvolle Tätigkeit: Autorin Mely Kiyak
hat große Erfahrung in Fragen des Lebens und seines Endes gesammelt.
VON SONJA ZEKRI
Irgendwann in den vielen Monaten seiner Krankheit darf Herr Kiyak nach Hause zu seiner Tochter, wobei das Haus seiner Tochter gar nicht sein Zuhause ist, das liegt nämlich seit seiner Pensionierung wieder in der Türkei. Der Besuch in Deutschland war ein Routinebesuch, die Untersuchung im Krankenhaus war eine Routineuntersuchung. Niemand, nicht Herr Kiyak, nicht seine Tochter haben damit gerechnet, dass dabei Lungenkrebs gefunden würde, dass nicht nur sein Leben, sondern auch das Leben seiner Tochter aus den Fugen geraten würde, im Krankenhaus oder nun bei ihr Zuhause.
Und wie immer nach dem Essen steht noch etwas auf dem Tisch, eine Schüssel Rucola ist es diesmal. Der Vater zieht sie heran, stopft das Grünzeug in sich hinein, kaut, schluckt, ein paar Blätter hängen ihm aus dem Mund, er setzt die Schüssel an und trinkt das frische kalte Wasser. Und da kann die Tochter nicht mehr, bricht in Tränen aus, weint und weint. Und der Vater schlurft heran, legt seine knochigen Hände auf ihre Schultern „wie eine Decke“ und weint mit. Die Tochter, schlagartig ernüchtert: „Papa, bloß weil ich ein Nervenbündel bin, heißt das noch lange nicht, dass du gemütlich mitmachen darfst.“
Die Schriftstellerin Mely Kiyak, die so heißt wie die Tochter im Buch und die einen Vater hat, der so heißt wie der kranke Held, die aber sehr darauf besteht, dass die Figuren Literatur sind, Dichtung, geformte Sprache, Kunstfiguren, diese Mely Kiyak sagt beim Tee in einem ihrer seltenen Interviews in Berlin: „Ein Höllengelächter muss gut vorbereitet sein. Man schafft viele Seiten vorher Küsten, Felsen, Ozean, Wetter, Wind und Wolken, baut das Wasser auf - und lässt die Welle dann mit einem einzigen Satz, einer Pointe, brechen.“
In ihrem Buch „Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an“ baut Mely Kiyak mit einem untrüglichen Gespür für Rhythmus, Ausstattung und Dialoge ununterbrochen Küsten, Wind und Wolken auf, schafft Stimmungen und Spannungen, lässt Wellen anbranden und sich brechen. Und auch wenn sie sagt, dass sie dieses „Höllengelächter“ leichter, vielleicht auch nur bewusster erzeugen könne als Traurigkeit, existiert in ihrem Buch doch beides sehr ausgewogen, um nicht zu sagen: harmonisch nebeneinander. Das Lachen und die Traurigkeit. Das Helle und das Dunkle. Das Leben und das Sterben. Letzteres vor allem.
Die Geschichte von Herrn Kiyak, einem alevitischen Kurden, der vor vielen Jahren als „Gastarbeiter“ nach Deutschland reiste und dort in 12-Stunden-Schichten Kupferdrähte lackierte, bis er sich, wie Kiyak schreibt, von den Dämpfen „einen schönen Krebs als Gastgeschenk“ erarbeitet hatte, ist ebenso sehr die Geschichte seiner liebenden, aufopferungsvollen, übergriffigen Tochter, die erkennbar ein Problem mit dem drohenden Tod ihres Vaters hat, denn man frage sich doch, heißt es bissig, worin der Sinn des Lebens besteht, „wenn am Ende gestorben wird“.
Antworten auf diese Frage könnte sie im Buch bei ihrem Vater finden. Oder bei der Autorin. Zunächst der Vater. Herrn Kiyaks Antwort auf den Tod oder genauer: auf die Todesangst seiner Tochter sind Geschichten. Grelle, blutrünstige, zum Schreien komische Geschichten aus Bingöl, einem Dorf in den Bergen Anatoliens, wo er im Schoße der unerschrockenen Xeramen-Sippe heranwuchs. Sie handeln vom jähzornigen Ismo, vom Furcht einflößenden Großvater und von Tante Uriel, die so sauberkeitsbesessen war, dass sie selbst den Hühnern die Füße wusch. Und in fast jeder dieser Geschichte wird gestorben, mal spektakulär, mal zufällig, mal mit einem „Goodbye“ auf den Lippen. Es ist ein überproportionales, fast serielles Sterben, dessen einziger Zweck darin besteht, der Tochter die Angst vor dem Tod zu nehmen. Weil er unabwendbar ist. Und weil davor ein reiches Leben liegt.
An dieser Stelle kommt die Schriftstellerin Mely Kiyak ins Spiel, die lange Zeit schwer und mehr als einmal lebensbedrohlich krank gewesen ist, die also große Erfahrung in Fragen des Lebens und seines Endes gesammelt hat. Aus dieser Zeit hat sie eine intensive Beschäftigung mit medizinischen Begriffen mitgenommen, die sich gelegentlich im Buch niederschlägt, wenn auch ganz anders, fantasievoller und literarischer als ursprünglich gemeint. „Manchmal haben Ärzte aus Versehen poetische Begriffe“, sagt Kiyak: „Herztöne rein. Linse ungetrübt. Das klingt nach unbekümmerten Organen. Innen herrscht eine gewisse Ordnung.“
Aber das ist nur die sprachliche Seite. Wenn Mely Kiyak sagt: „Ich glaube, ich bin fürs Sterben sogar talentierter als fürs Leben“, dann ist das ein Satz, der nur dann schockierend klingt, wenn man beides als getrennte Prozesse begreift. Bereits auf der ersten Seite ihres Buches aber begreift man, dass das für sie nicht gilt. Dort steht: „Man stirbt. Man steht morgens auf, macht seine Arbeit und stirbt. / Man träumt. Man stirbt. / Man gießt Blumen, geht einkaufen, schüttelt Decken aus und stirbt.“ Kurzum: „Zwecklos, sich damit anzulegen, man stirbt.“
Das ist nicht resignativ gemeint, sondern durchaus ermunternd. Wenn man akzeptieren könne, dass die Lebenszeit verkürzt sein könnte und man wisse, dass es keine Hilfe gibt, sagt Kiyak in Berlin, dann gebe es nur zwei Wege: „Sie verzweifeln und sind dem Leben gegenüber gram, oder Sie begegnen der Möglichkeit des Sterbens mit absoluter Freundlichkeit.“ In den schwersten Phasen habe sie nicht die Hoffnung auf Heilung getröstet, „sondern die Möglichkeit gehen zu dürfen.“
Als Folge dieser Haltung hat Mely Kiyak praktische Vorkehrungen getroffen, ein Testament verfasst über Tantiemen und Rechte an ihren Büchern, ihren Theatertexten, ihren Kolumnen. Eine andere Folge besteht darin, dass sie alle wichtigen Menschen bereits zu Lebzeiten betrauert und beweint hat:„Nun kann ich sie alle heiter, wild und befreit weiter lieben.“
Es ist eine gekürzte, gestraffte Version ihres gleichnamigen Buches, das vor zehn Jahren im Hanser-Verlag erschienen ist und vieles, was vor zehn Jahren noch neu war, ist inzwischen erzählt worden: die Vater-Tochter-Beziehung über verschiedene Migrantengenerationen hinweg, Fragen der Zugehörigkeit, der Anpassung, des Loslassens. Nichts davon steht für Kiyak im Vordergrund, und doch ist es vor allem diesen aufgebrachten Zeiten geschuldet, dass ihre Überlegungen über die Macht von Geschichten so zwingend wirken. Geschichten sind das Vermächtnis, das, was von einem Menschen bleibt, hat sie in ihrer Kolumne „Meine Testamente“ im Schweizer Magazin Republik geschrieben.
Aber Geschichten, Kunst, Schönheit sind auch ein machtvolles Werkzeug gegen jene, die hetzen, zersetzen und zerstören wollen, sagt sie. Die politischen Kolumnen, die sie viel schneller geschrieben hat als ihre Bücher, hat sie inzwischen aufgegeben. In politisch gefährlichen Zeiten sei es wichtig, von Liebeserfahrungen, Naturerlebnissen und anderen betörenden Fähigkeiten zu erzählen: „Wie sonst wissen wir, wofür es sich lohnt, sich anzustrengen, aufzustehen und Widerstand zu leisten? Wir müssen der Realität des Düsteren eine Erinnerung an das Gute entgegensetzen.“ Man habe Aufgaben im Leben, sagt sie, und dann, in einer typischen Kiyak-Wendung: „Menschsein ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit.“
„Manchmal haben Ärzte
aus Versehen poetische
Begriffe“, sagt sie
Mely Kiyak: Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an. Roman. Hanser, München 2024.
224 Seiten, 23 Euro.
Die Schriftstellerin Mely Kiyak heißt wie die Tochter im Buch, besteht aber darauf, dass die Figuren Literatur sind.
Foto: Svenja Trierscheid
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"Wer einmal einen Roman lesen will, der nicht nur unsere Gegenwart ins Herz trifft, sondern bei dem man ununterbrochen abwechselnd weinen und lachen muss: Hier ist er." Hansruedi Kugler, St. Galler Tagblatt, 12.02.24

"Mely Kiyak baut mit einem untrüglichen Gespür für Rhythmus, Ausstattung und Dialoge ununterbrochen Küsten, Wind und Wolken auf, schafft Stimmungen und Spannungen, lässt Wellen anbranden und sich brechen." Sonja Zekri, Süddeutsche Zeitung, 09.02.24

"Eine anrührende, wohl durchdachte Vater-Tochter-Erzählung, aus der man viel lernen kann." Shirin Sojitrawalla, Deutschlandfunk, 08.02.24

"Mely Kiyak kann Pointen und schnelle Querverbindungen vom Kolumnenschreiben und weiß, wie sie das individuell Tragische allgemeiner schwingen lässt." Michael Wurmitzer, Der Standard, 06.02.24

"Das Buch von Mely Kiyak ist ein herzzerreißend trauriges, ein herzzerreißend freches und ein herzzerreißend inniges Buch." Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung - Prantls Blick, 04.02.24