Das politische System der Gesellschaft wurde traditionell als Staatstheorie und Staatsphilosophie thematisiert. Unter den Bedingungen weltgesellschaftlicher Kommunikation und überstaatlicher Herrschaftsbildungen ist inzwischen eine Leerstelle entstanden, die weder mit Verfassungstheorie noch mit einer Philosophie der Menschenrechte oder Analysen politischer Mehrebenensysteme hinreichend geschlossen werden kann. Mit der vorliegenden Schrift soll eine systemtheoretisch inspirierte Basis gelegt werden für die Analyse politischer Herrschaft im Blick auf andere Funktionssysteme und grundlegende Institutionen der neuzeitlich westlichen Gesellschaft. Eine der zentralen Thesen lautet, dass das Zentrum politischer Herrschaft nicht notwendig in der Amtsmacht (Regierungen) zu finden ist, sondern auch und gerade in einem kommunikativ-politischen Prägeraum. Dieser Prägeraum wirkt auf die herkömmliche Organisationswelt der politischen Herrschaftssysteme durch Wertepräferenzen, Weltbilder und normative Vorstellungen richtungsgebend und steuernd ein. Mit diesem Zugang werden Teile der öffentlichen Meinungsbildung und spezifischer Kommunikation zu machtpolitischen Operationen. Diese werden in ihrer Bedeutung und in ihrer Interaktion mit traditioneller Herrschaftsausübung in einer neuen Perspektive thematisierbar. Der neue, herrschaftsanalytische Ansatz erlaubt es, die Gegenwartsphänomene einer gesellschaftlichen Spaltung und Fragmentierung angemessener zu erklären, institutionelle Zusammenhänge liberaler Demokratien deutlicher herauszuarbeiten und die normative Signatur einer freiheitlichen Gesellschaftsformation transparent zu machen.
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