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Tansanias Weg 1920 bis 1970
Lichtgestalt unter den Führern Afrikas war lange Zeit Julius Nyerere, erster Präsident des seit 1961 unabhängigen Tansania. Wohltuend unterschied er sich von den anderen Staatsmännern Afrikas, war bescheiden im persönlichen Auftreten, neigte außenpolitisch eher dem Westen zu und war zugleich überzeugt vom "afrikanischen Sozialismus", den er im Einparteienstaat diktatorisch umsetzte. Wer waren die Männer, die Tansania in die Unabhängigkeit führten, wie bereitete Großbritannien Tanganyika auf die Unabhängigkeit vor? Das Deutsche Reich hatte in der Kolonie Ostafrika eine rudimentäre Infrastruktur, 1500 km Schienenwege und eine kartographische Landaufnahme hinterlassen. England erhielt das nun Tanganyika genannte Gebiet nach dem Ersten Weltkrieg als Mandat vom Völkerbund. Die Briten übernahmen das indirekte System der Zusammenarbeit mit örtlichen Chiefs. Andere Traditionslinien sieht Andreas Eckert im Bildungsbereich. Als einheimische Mitarbeiter zogen die Deutschen gern Absolventen der Regierungs- und der örtlichen Koranschulen heran, denn Disziplin, Drill und präzises Arbeiten wurden dort nachdrücklicher vermittelt als in den Missionsschulen und später auch von den Engländern als oberste Erziehungsziele definiert. Kaum 10 Prozent der Kinder konnten Grundschulen besuchen.
Die britische Mandatsverwaltung bereitete das Land nicht auf die Unabhängigkeit vor; Afrikaner waren nur auf unterer Verwaltungsstufe tätig. Die Mittelschicht stellten die Inder dar, die England nach 1920 in großer Zahl für Handel, Wirtschaft und Verwaltung ins Land geholt hatte. Die Drei-Klassen-Gesellschaft führte zu erheblichen Spannungen. Ein Studium in Kenia oder Großbritannien war nur ganz wenigen Afrikanern möglich. Diese wenigen akademisch Gebildeten übernahmen mit der Unabhängigkeit schlagartig die Führungspositionen und wollten ihre Ideale eines afrikanischen Sozialismus in die Tat umsetzen. Trotz eher ungünstiger Quellenlage gelingt es Eckert, ein differenziertes Bild zu zeichnen von sozialen Strukturen, Bildungsmöglichkeiten, agrarischer Kultur und städtischem Leben, Gewerkschaften und Parteienbildung der afrikanischen Gesellschaft unter dem Joch einer zumeist überheblichen europäischen Verwaltung. Die neue Elite regierte trotz anders lautender Rhetorik wie ihre britischen Vorgänger zentralistisch, autoritär und letztlich ohne den erhofften Erfolg.
HANS JOCHEN PRETSCH
Andreas Eckert: Herrschen und Verwalten. Afrikanische Bürokraten, staatliche Ordnung und Politik in Tanzania, 1920-1970. R. Oldenbourg Verlag, München 2007. 313 S., 49,80 [Euro].
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