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Saskia Hennig von Lange im Literaturhaus
Dort, wo die Konturen der Wirklichkeit verschwimmen und mit der Klarheit gespielt wird, erst da beginnen die Freiheit des Lesens und die große Literatur. Mit anerkennenden Einführungsworten hatte der Abend im Frankfurter Literaturhaus begonnen. Die Frankfurter Schriftstellerin Saskia Hennig von Lange war an die Schöne Aussicht gekommen, um ihren neuen Roman "Hier beginnt der Wald" vorzustellen, der vor kurzem bei Jung und Jung in Salzburg erschienen ist.
Wie in den beiden vorangegangenen Büchern der 1976 in Hanau geborenen Schriftstellerin gibt es einen männlichen Protagonisten: mittelalt, Lastwagenfahrer. Er sitzt in seinem Führerhaus und fährt über die Autobahn. So weit die Handlung. Doch um sie geht es nicht: "Was macht mein Schreiben aus? Wie dünn kann die Handlung sein?", fragte Hennig von Lange sich im Gespräch mit dem Frankfurter Literaturwissenschaftler Jan Wilm.
Ihr Text reicht über das vermeintlich Geschehende weit hinaus. Hennig von Lange leuchtet das Innenleben ihres Protagonisten aus, der sich im Denken von sich selbst löst. Sie entwirft ein monomanes Gedankenkreisen aus Umweltwahrnehmungen und Erinnerungen des Mannes an seine Familie. Immer wieder greift sie in das Ausloten der Innenwelt mit einem "Er denkt" ein, das den Text zusammenhält. "Wie weit kann ich mich im Schreiben von der Person entfernen, ohne dass es unglaubwürdig wird?" Diesen Spagat zu meistern sei ihr Anspruch, sagte sie. Geprägt vom theorielastigen Studium der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen, sei sie lange davon überzeugt gewesen, dass sie sich für die Konstruktion von Figuren und kohärenten Geschichten gar nicht interessiere. Bis sie "Alles, was draußen ist" schrieb, ihr erstes Buch, und feststellte, dass eine Novelle auch einer Person bedürfe.
Hennig von Langes neuer Roman stehe wie sein Vorgänger "Zurück zum Feuer" an der Schwelle zwischen Stillstand und Bewegung, sagte Wilm. Damit konnte die Autorin etwas anfangen. Ihr gehe es beim Schreiben mehr um Bewegung und Rhythmus als darum, den Stillstand zu begreifen, sagte sie. Zu Beginn des Romans halte ihr Protagonist sich zwischen dem einen und dem anderen auf, im Laufe des Buches gerate er in den Wald, wo er sich selbst und die Freiheit finde. Auf diese Weise ergebe sich eine dritte Ebene. Hier sah sie eine Analogie zu ihrem Schreiben: "Wie viel Freiheit darf ich mir nehmen?" Diese Frage beschäftige sie sehr. Dass auch ihr drittes Buch Vereinzelung und Einsamkeit aufgreift, ohne allerdings auf Humor zu verzichten, bemerkte Wilm. Hennig von Lange habe ein großes Gespür für das Komische. Bei manchen Szenen denke man gar an Loriot.
NILS WESTERHAUS
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