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Saskia Hennig von Lange versteht es, Geschichten zu erzählen, die man nicht glauben will, aber glauben muss, weil sie ihren Figuren so eindringlich und unwiderlegbar ins Abseits folgt, dass man an deren Seite bleibt.Der Namenlose dieser Erzählung ist unterwegs, er erledigt einen Job: Er soll einen Lastwagen voll Umzugsgut in eine andere Stadt bringen. Doch was harmlos beginnt, entwickelt sich bald zu einer abenteuerlichen Flucht: vor sich selbst und seinen Kindheitserinnerungen, aber vor allem vor seiner Frau und ihrem gemeinsamen, ungeborenen Kind. Nach einem Unfall verkriecht er sich im…mehr

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Produktbeschreibung
Saskia Hennig von Lange versteht es, Geschichten zu erzählen, die man nicht glauben will, aber glauben muss, weil sie ihren Figuren so eindringlich und unwiderlegbar ins Abseits folgt, dass man an deren Seite bleibt.Der Namenlose dieser Erzählung ist unterwegs, er erledigt einen Job: Er soll einen Lastwagen voll Umzugsgut in eine andere Stadt bringen. Doch was harmlos beginnt, entwickelt sich bald zu einer abenteuerlichen Flucht: vor sich selbst und seinen Kindheitserinnerungen, aber vor allem vor seiner Frau und ihrem gemeinsamen, ungeborenen Kind. Nach einem Unfall verkriecht er sich im Wald. Hier kommt es zu einer Begegnung, die ihn herausfordert und mit sich selbst konfrontiert - und auch den Leser nicht unberührt zurücklässt.Hennig von Lange gelingt es, die zunehmende Verstörtheit ihres Helden mit irritierender Folgerichtigkeit als Ausdruck seiner Überforderung durch das Leben nachvollziehbar zu machen. Und das in einer ebenso präzisen wie musikalischen Sprache, die einen schon nach wenigen Seiten in Bann schlägt.

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Autorenporträt
geboren 1976, lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Frankfurt. Sie studierte Angewandte Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte. Für ihre Novelle "Alles, was draußen ist" (2013) erhielt sie den Wortspiele Literaturpreis und den Rauriser Literaturpreis. Für ihren Debüt-Roman "Zurück zum Feuer" (2014) wurde ihr der Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg und der Georg-Konell-Preis zugesprochen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.05.2018

In Schleifen denken
Ein Mann am Rande des Selbstverlustes: Saskia Hennig von Langes Roman „Hier beginnt der Wald“
Dass noch der unscheinbarste Gedanke Spuren hinterlässt, die kaum zu löschen sind, hat vielleicht keiner so genau besungen wie Robert Gernhardt: „Denk dir ein Trüffelschwein, / denk's wieder weg: / Wird es auch noch so klein, / wird nie verschwunden sein, / bleibt doch als Fleck.“ Trüffelschweine gehören bislang nicht zur poetischen Menagerie der Schriftstellerin Saskia Hennig von Lange. Dafür kennt sie Wildschweine und namenlose kleine Tiere, die durchs Unterholz ihrer Bücher huschen. Vor allem aber ist ihr die Gernhardtsche Vorstellung vertraut, die menschliche Imagination könnte über eine „verborgne Macht“ verfügen, die alles verwandelt.
Denken, das heißt bei Hennig von Lange immer auch, sich mit den Dingen zu beschäftigen, aus denen die Welt zusammengesetzt ist. Denn diese Dinge erlauben den Figuren erst, für Momente ein Gespür für sich selbst zu bekommen. Dabei geht es zugleich um das Übertragen des Bewusstseins in Sprache. Die Gedanken nehmen gerne die Form von Sätzen an – und im Assoziationsgeflecht der Sätze kann man hängen bleiben, sich vielleicht sogar verlieren. Wie schnell das Hochgefühl des Denkens in sein Gegenteil kippen kann, formuliert eine Figur aus Hennig von Langes Debütroman „Zurück zum Feuer“ (2014): „Aber sie hat einfach keine Lust mehr auf dieses Herumsitzen und Herumschleichen in der eigenen Wohnung, in den eigenen Gedanken.“
Damit ist in gewisser Weise auch der Ausgangspunkt ihres neuen Buches markiert. Ein namenlos bleibender Mann sitzt in seinem Lastwagen und gibt seinen Gedanken nach. Offenbar ist er drauf und dran, seine schwangere Partnerin zu verlassen, und er spürt, dass er sich auf das gemeinsame Kind nicht freut. Tiefe Risse in der Beziehung werden sichtbar. Sie vermischen sich mit brüchigen Erinnerungsbildern, in denen immer wieder eine übermächtige Mutter auftaucht. Zwar erleichtert ihn das Denken, weil es ihm ermöglicht, alles in Bewegung zu halten, den belastenden Routinen des Alltags für kurz zu entfliehen, gleichzeitig aber kommt er so nie zu einem Ende, das Denken verhindert jede Handlung. Und so blickt er auf eine „dunkler werdende Landschaft, die sich aufbaut und zusammenstürzt im Rhythmus seiner Gedanken“.
Dieses zwiespältige Verhältnis zum eigenen Denken verschärft sich im Laufe des Buches immer mehr. Längst hat der Mann den Plan aufgegeben, jene Fuhre Umzugsmöbel auszuliefern, die im Laderaum seines Lastwagens wartet. Er wird in einen Unfall verwickelt, flüchtet sich mit seinem Lkw in ein Wohngebiet am Rand eines Waldes und beobachtet dort einen kleinen Jungen. Dazwischen wird er von Erinnerungen eingeholt. Schon als Kind, erfahren wir Leser, ist er stundenlang durch die Stadt gelaufen und hat sich alle Gegenden und Häuser ganz genau angesehen. Wobei „erfahren“ nicht das richtige Wort ist. Saskia Henning von Lange, die 1976 geboren wurde, verfügt über die wundersame Fähigkeit, alle Momente in eine dichte Atmosphäre umzuschreiben. Jetzt, nach drei Büchern, erkennt man, wie sehr sie diese Fähigkeit von Band zu Band verfeinert.
Die Sätze sind nun kürzer als noch im vorherigen Roman. Und es wird kaum etwas behauptet. Vielmehr saugt sich Hennig von Lange geradezu am Bewusstsein ihrer Figur fest. Ins Präsens der erlebten Rede schleust sie immer wieder Ich-Einsprengsel und Gedächtnissplitter, lässt den Mann aber auch über sein Denken reflektieren. So entsteht ein Wahrnehmungsfilm aus Sprache, der zugleich Augenblicke von Distanz kennt: „Ein paar Lichtstreifen fallen herein, aber im Inneren der Garage ist es immer noch dunkel (...). Er macht ein paar Schritte, die linke Hand am kalten Metall des Tors fährt über die Wellen, den rechten Arm hält er ausgestreckt vor sich. Er stößt an eine Wand, dreht sich nach rechts und geht an ihr entlang. Er spürt das Auto neben sich, (...). Die Wärme und das Knacken des Motors.“
Was die Figur im Innersten umtreibt, wird nur angedeutet. In der Kindheit hat sich der Mann oft von zu Hause weggeschlichen, um sich dann „in Schleifen anzunähern“, heißt es einmal. Das verrät auch etwas über die Art des Erzählens. In Schleifen nähert sich Hennig von Lange einem Menschen an, der sich zutiefst fremd ist: „Und war so anders auf diesen Wegen, dass er sich selbst ganz vergessen hat.“ Vielleicht ist es dieses Wechselspiel aus Selbstvergessenheit und Selbstverlust, das den Mann bewegt. Am Grunde seines Bewusstseins schlummert der uralte Wunsch, doch ein Fitzelchen seiner selbst zu finden.
Immer größer wird dabei seine Sehnsucht nach einer Tat. Irgendwann lässt er sich zu einem Unternehmen hinreißen, das für die Außenstehenden ganz anders aussieht als für ihn selbst. Der Wald mit seinem dichten Geflecht aus Sträuchern und Bäumen spielt darin eine nicht unbedeutende Rolle. Bis zum Schluss gelingt es Saskia Henning von Lange, ihre Erzählung offen zu halten. Sind da wirklich Hunde im Wald? Hat sich womöglich alles nur im Kopf der Figur abgespielt? Auch das gehört zur verborgnen Macht dieses Romans.
NICO BLEUTGE
Saskia Hennig von Lange: Hier beginnt der Wald. Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2018. 150 Seiten, 18 Euro. E-Book 13,99 Euro.
Im Präsens folgt der Roman
einem Menschen, der sich
selbst zutiefst fremd ist
Das Ich der Sprache ist leer, es kann viele Identitäten in sich aufnehmen: Saskia Hennig von Lange lässt ihren Helden nach sich selber suchen.
Foto: picture alliance / dpa
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.06.2018

Ab in den Wald
Saskia Hennig von Lange im Literaturhaus

Dort, wo die Konturen der Wirklichkeit verschwimmen und mit der Klarheit gespielt wird, erst da beginnen die Freiheit des Lesens und die große Literatur. Mit anerkennenden Einführungsworten hatte der Abend im Frankfurter Literaturhaus begonnen. Die Frankfurter Schriftstellerin Saskia Hennig von Lange war an die Schöne Aussicht gekommen, um ihren neuen Roman "Hier beginnt der Wald" vorzustellen, der vor kurzem bei Jung und Jung in Salzburg erschienen ist.

Wie in den beiden vorangegangenen Büchern der 1976 in Hanau geborenen Schriftstellerin gibt es einen männlichen Protagonisten: mittelalt, Lastwagenfahrer. Er sitzt in seinem Führerhaus und fährt über die Autobahn. So weit die Handlung. Doch um sie geht es nicht: "Was macht mein Schreiben aus? Wie dünn kann die Handlung sein?", fragte Hennig von Lange sich im Gespräch mit dem Frankfurter Literaturwissenschaftler Jan Wilm.

Ihr Text reicht über das vermeintlich Geschehende weit hinaus. Hennig von Lange leuchtet das Innenleben ihres Protagonisten aus, der sich im Denken von sich selbst löst. Sie entwirft ein monomanes Gedankenkreisen aus Umweltwahrnehmungen und Erinnerungen des Mannes an seine Familie. Immer wieder greift sie in das Ausloten der Innenwelt mit einem "Er denkt" ein, das den Text zusammenhält. "Wie weit kann ich mich im Schreiben von der Person entfernen, ohne dass es unglaubwürdig wird?" Diesen Spagat zu meistern sei ihr Anspruch, sagte sie. Geprägt vom theorielastigen Studium der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen, sei sie lange davon überzeugt gewesen, dass sie sich für die Konstruktion von Figuren und kohärenten Geschichten gar nicht interessiere. Bis sie "Alles, was draußen ist" schrieb, ihr erstes Buch, und feststellte, dass eine Novelle auch einer Person bedürfe.

Hennig von Langes neuer Roman stehe wie sein Vorgänger "Zurück zum Feuer" an der Schwelle zwischen Stillstand und Bewegung, sagte Wilm. Damit konnte die Autorin etwas anfangen. Ihr gehe es beim Schreiben mehr um Bewegung und Rhythmus als darum, den Stillstand zu begreifen, sagte sie. Zu Beginn des Romans halte ihr Protagonist sich zwischen dem einen und dem anderen auf, im Laufe des Buches gerate er in den Wald, wo er sich selbst und die Freiheit finde. Auf diese Weise ergebe sich eine dritte Ebene. Hier sah sie eine Analogie zu ihrem Schreiben: "Wie viel Freiheit darf ich mir nehmen?" Diese Frage beschäftige sie sehr. Dass auch ihr drittes Buch Vereinzelung und Einsamkeit aufgreift, ohne allerdings auf Humor zu verzichten, bemerkte Wilm. Hennig von Lange habe ein großes Gespür für das Komische. Bei manchen Szenen denke man gar an Loriot.

NILS WESTERHAUS

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Schon nach kurzer Zeit geht man auf in der Sprache, in einer hochkonzentriert fließenden Prosa, in der kein Wort falsch und auch kein Wort zu viel gesetzt zu sein scheint, Es ist eine Prosa, die eine geradezu chirurgisch präzise Erforschung der Seele vornimmt, ohne dabei explizit zu werden. Ein Kunststück. Christoph Schröder, Süddeutsche Zeitung