Meine Meinung
Ich war sehr gerne hier draussen
Ein Leben auf dem Land ist bestimmt weniger stressig, als in der Stadt. Seitdem ich im holsteinischen Dorf Fehrdorf war, hat sich meine Meinung ein wenig geändert. Das ist zum einen der nicht immer angenehmen Landluft geschuldet - zum anderen
dem Kampf, den Bauern haben, um mit ihrer Arbeit über die Runden zu kommen.
Lara und Ingo sind…mehrMeine Meinung
Ich war sehr gerne hier draussen
Ein Leben auf dem Land ist bestimmt weniger stressig, als in der Stadt. Seitdem ich im holsteinischen Dorf Fehrdorf war, hat sich meine Meinung ein wenig geändert. Das ist zum einen der nicht immer angenehmen Landluft geschuldet - zum anderen dem Kampf, den Bauern haben, um mit ihrer Arbeit über die Runden zu kommen.
Lara und Ingo sind sehr euphorisch von Hamburg aufs Land mit ihren beiden Kindern gezogen. Der renovierungsbedürftige Resthof hat sie nicht abgeschreckt; und eigentlich wollten sie gar nicht richtig wahrhaben, was ihnen der Makler darüber alles erzählte. Sie sind im Sommer eingezogen und erst im Winter haben sie festgestellt, dass der alte Kasten nie richtig warm wird. Die Arbeit im und ums Haus hat vor allem Lara unterschätzt.
Besonders stressig ist das Landleben für Ingo. Jeden Tag muss er zu seinem Start-Up nach Hamburg fahren. Als er einmal auf dem Heimweg eine weiße Hirschkuh anfährt, ändert sich sein Leben von Grund auf. Er informiert den zuständigen Förster Uwe und erlöst mit ihm zusammen das Tier von seinem Leiden. Uwe erzählt ihm, wer eine weiße Hirschkuh tötet, hat nur noch ein Jahr zu leben.
Tatsächlich passieren viele tragische Dinge. Der Förster Uwe hat ein trauriges Geheimnis, ein Bauer wäre beinahe an den Dämpfen seiner Gülle gestorben und seine Frau hat bemerkt, dass sie ihn keineswegs vermissen würde. Ingo hat mit einem Burnout zu kämpfen und verbringt seine Freizeit lieber mit Uwe im Wald auf dem Hochsitz, als mit seiner Familie. Lara hat sich das Landleben anders vorgestellt. Ihr Teilzeitjob als Designerin und die Arbeit auf dem Hof überfordern sie. Dazu noch die ehrenamtlichen Arbeiten, die in der Dorfgemeinde bei verschiedenen Festen anfallen. Einzig die beiden Kinder fühlen sich richtig wohl in Fehrdorf. Lara fühlt sich von Ingo alleingelassen.
Dass ich sämtlichen Träumen beim Platzen zuschauen musste, hat mich nicht daran gehindert, mich im Dorf wohl zu fühlen. Man lernt das wirkliche Landleben, mit all seinen Bauernhöfen richtig kennen. Ein Weichzeichner wird hier nicht benutzt, da es wirklich nichts zu beschönigen gibt. Die Schweine- und Hühnerzucht regt dazu an, mal wieder seinen Fleischkonsum zu überdenken. Auch Lara hat ihre romantischen Vorstellungen sehr schnell ad acta gelegt.
Bei all den tragischen Vorfällen fehlt jedoch eines nicht: Herzenswärme! Jutta und Armin sind auch Zugezogene, die erst mit mehreren Leuten in einer Kommune lebten. Übrig geblieben sind nur die beiden. Jutta zeigt in Kursen, wie man Hühner schlachtet. Armin sorgt für das leibliche Wohl und kümmert sich um den Bio-Garten. Sie haben stets ein offenes Ohr für die Probleme der Dorfbewohner und bieten Wohnraum an, wenn jemand mal Abstand vom Ehepartner braucht.
Fast alle Dorfbewohner haben das Herz am rechten Fleck. Nachbarschaftshilfe wird großgeschrieben und mit vollem Einsatz praktiziert. Der in sich gekehrte Förster Uwe hat mein Herz berührt, und ich habe am Ende ein paar Tränen vergossen.
Einen Dorfbewohner gibt es, den ich am liebsten geschüttelt hätte, weil er so herzlos mit seiner Frau umgegangen ist. In Rückblenden habe ich jedoch einiges über sein Familienleben erfahren, und konnte seine Verbitterung besser verstehen; aber nicht entschuldigen.
Der bildliche Schreibstil hat mir das Gefühl gegeben, selbst ein Teil der Dorfgemeinde zu sein. Die Figuren sind sehr gut gezeichnet und kommen authentisch rüber. Wir erfahren das Geschehen überwiegend aus der Sicht von Ingo und Lara. Sie mussten feststellen, dass Zugehörigkeit erarbeitet werden muss.
Fazit
Eine klare Empfehlung für dieses wunderschöne Buch, das mich sehr berührt und nachdenklich gestimmt hat. Ich habe die Geschichte nicht gelesen; ich habe sie gelebt.
Herzlichen Dank, Martina Behm.