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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Zora del Buono schreibt einen klugen Campusroman
Das Genre des Campusromans ist eine Domäne britischer oder amerikanischer Autoren – schon deshalb, weil es jenen abgeschlossenen Mikrokosmos, wie man ihn an den Universitäten in England oder den USA findet, hierzulande gar nicht gibt. Ausnahmen finden sich gleichwohl. Martin Walser, der Anfang der Achtzigerjahre als Gastdozent in den Staaten weilte, schickte seinen Helden Helmut Halm im Universitätsroman „Brandung“ nach Oakland, wo er einen Lehrauftrag annimmt und sich, verschmäht von einer jungen Studentin, mit dem Alter anfreunden muss.
Der Professor in reiferen Jahren und die Schülerin – das ist eine nahezu obligatorische, komische, mitunter auch lächerliche Ingredienz des Campusromans, weshalb Autorinnen das Genre eher meiden oder allenfalls sehr ironisch bedienen. Nun aber blickt die Schweizer Journalistin und Autorin Zora del Buono, die 2015 die bemerkenswerte Novelle „Gotthard“ vorlegte, aus weiblicher Perspektive auf das universitäre Leben. Ihr Roman „Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt“ spielt an einem College „in den grasgrünen Hügeln Neuenglands“, im beschaulichen, fiktiven Miltontown. Im Sommer werden dort Dozenten aus aller Herren Länder zusammengerufen, um den Studenten die Welt und diverse Sprachen näherzubringen.
Vita Ostan, die Icherzählerin, leitet als eine der deutschsprachigen Dozentinnen einen Medienkurs, an dessen Ende eine in der Fremdsprache produzierte Zeitschrift stehen soll. Vita kommt regelmäßig nach Miltontown, aber in diesem Sommer des Jahres 2013 geht von dem Aufenthalt eine eigentümliche Irritation aus – es herrscht ein Klima des Misstrauens, eine flirrende Atmosphäre der Unsicherheit. Zwei junge Männer wirbeln das Uni-Treiben und das Innenleben der Icherzählerin gehörig durcheinander. Der eine heißt Edward Snowden. Seine Enthüllungen sorgen vor allem unter den europäischen Dozenten für Empörung und Aufregung. Die meisten Studierenden hingegen, von schwülstigem Patriotismus, eifernder Religiosität oder rührender Naivität umnebelt, halten ihn für einen „Verräter“, „eine Bedrohung für Amerika“.
Einer von ihnen allerdings, der sich in den Kurs von Vita Ostan verirrt hat, ist anders; er scheint mit seinem Kopftuch, den schulterlangen Haaren, dem Schnauzbart directement aus den Siebzigern in die Gegenwart gebeamt worden zu sein: Zev Swartz streut seine Marx-Zitate wie kleine Sprengkörper in die trügerische Idylle Miltontowns; seine „Hipsterallüre“, sein „forschender, fordernder Blick“, seine Rigorosität provozieren nicht nur die Mitstudenten, sie affizieren vor allem die dreißig Jahre ältere Dozentin, die in ihm einen Gleichgesinnten erkennt. Zev ist ein Mann ihrer Generation in einem jüngeren Körper; sie glaubt in ihm einen Mitkämpfer gefunden zu haben, und aus der anfänglichen Sympathie wird Begehren. Das freilich gehört zu den größten Tabus im sittenstrengen Uni-Städtchen: Dozenten dürfen sich mit Studierenden nicht einlassen, schon gar nicht eine fünfzigjährige Frau mit einem zwanzigjährigen Revoluzzer.
Zora del Buono kehrt das Campusroman-Liebes-Motiv um, reflektiert und seziert die fiebrige Unvernunft dieses ungleichen Verlangens, die Scham und das fragile Glück, und sie tut das auf eine weit aufrichtigere Weise als die meisten ihrer männlichen Kollegen. Geschickt verschränkt sie die Ebenen dieses beklemmenden und zugleich verheißungsvollen Sommers: die Paranoia, die plötzlich alle erfasst, die sich mit Snowden befassen oder Kritik an den Überwachungsmethoden der USA üben; die Doktrin der politischen Korrektheit, die das Miteinander auf dem Campus regelt und zugleich vergiftet; die sexuelle Prüderie, die wie ein Rückschritt in die Fünfzigerjahre erscheint; die Angst einer nicht mehr jungen Frau, sich der Lächerlichkeit preiszugeben.
Der Campus wird bei del Buono zum Labor der Erforschung tektonischer Verschiebungen in einer zutiefst verwirrten und gespaltenen Gesellschaft. Anders als viele Vorgänger in diesem Genre hat es Zora del Buono dabei kaum mit Ironie oder Witz. Dazu sind auch die Studenten oder Dozenten nicht sonderlich aufgelegt; hier hat alles einen heiligen Ernst. „Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt“ – der Titel spricht von der Heimlichkeit allen spätpubertären und widerständigen Tuns – ist Campusroman, Liebesgeschichte und politische Farce zugleich. Was ist real, wem kann man noch trauen, was ist gezielt gestreute Desinformation, und wo beginnen die Verschwörungstheorien zu wuchern? Auch die Frau von fünfzig Jahren, für die Zev die Unbedingtheit ihrer eigenen Jugend verkörpert, muss konspirativ handeln – die Entlarvung ihrer Liebe käme der Enthüllung eines Staatsgeheimnisses gleich. „Dieses Land machte einen ganz verrückt“, heißt es einmal. Warum das so ist, erkundet dieser schmale Roman auf kluge und spannende Weise.
ULRICH RÜDENAUER
Zwei junge Männer wirbeln das
Uni-Leben durcheinander
Zora del Buono: Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt. Roman. C. H. Beck Verlag, München 2016.
174 Seiten, 18,95 Euro. E-Book 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eva Menasse, WDR Westart live, 3. April 2017
"Ein kluger Campusroman."
Ulrich Rüdenauer, Süddeutsche Zeitung, 22. Dezember 2016
"Mit lebendiger Sprache erzählt Zora del Buono [...] von einer unangepassten Liebe."
Freundin, 2. November 2016
"Del Buono inszeniert die Konkurrenz zwischen Lust und Moral, Ausbruch und Überwachung in der dichten Atmosphäre einer sozialen Spezialsituation."
Paul Jandl, Literarische WELT, 22. Oktober 2016
"Ein kleiner, leichter Roman mit viel Stoff zum Nachdenken."
Harald Loch, Rhein-Neckar-Zeitung, 22. Oktober 2016
"Ein großer kleiner College-Roman, stilistisch makellos."
Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 23. Oktober 2016
"In einer präzisen Sprache und mit einem jungen Revoluzzer in der Hauptrolle."
Annette König, SRF Kultur, 6. Oktober 2016
"Del Buono tells her story in short, vivid episodes, and her narrator is an astute observer of college life and those around her."
New Books in German, Ausgabe 40, 2016
"Del Buono hat einen packenden, schlicht daherkommenden, also wahrhaft durchtriebenen kleinen Roman geschrieben."
Michael Angele, Der Freitag, 15. September 2016
"Atemlos liest man die fiebrige Geschichte."
Katja Nele Bode, Brigitte woman, 7. September 2016
"[Wirft] große Fragen in kühner Sprache auf [...] Ein Buch, das hellwach macht."
Andrea Huss, Emotion, Oktober 2016
"Eine spannende Geschichte zwischen scheinbar unvereinbaren Generationen."
Alain Claude Sulzer, 30. August 2016, SRF Kultur
"Die Seiten fliegen nur so an einem vorbei, wenn man einmal mit Lesen begonnen hat. Das Spiel mit Formen beherrscht Zora del Buono meisterhaft, und ihre Sprache ist überaus präzise, einfach und klar. So schreibt man heute!"
Lesen, August 2016
"Del Buono steht eine Sprache zu Gebote, deren Präzision in Poesie umschlägt."
Richard Kämmerlings, Die Welt