Seine große Liebe hat das Land verlassen, den verhassten Job ist er los, die früheren Freunde überhäufen ihn mit Schimpfworten. Francesco aber nennt ihn »Boy« und nimmt ihn im maulbeerfarbenen Cayenne seiner Mutter mit nach Frankreich. Sie sind Anfang zwanzig und auf Koks. Ihre Reise hat ein surreales Ziel. Von Neukölln über Amiens in die Normandie. Sommertage, von Hitze betäubt, klebrig und schwer. In einer halbrenovierten Villa einer französischen Kleinstadt beziehen Francesco und der Erzähler Quartier. Sie gehört Gédéon, der von allen guten Geistern verlassen scheint und mal Hund, mal Katze, mal Märtyrer spielt. Francesco arbeitet in einer kleinen Kirche an seiner Kunstinstallation, während der Erzähler sich nur mit Mühe auf den Beinen hält. Was nur ist geschehen an jenem Tag, da er verstoßen wurde? Warum ist Chaim nach Israel zurückgekehrt? Und weshalb nimmt der Erzähler nicht ab, wenn Hatice anruft? Ihm, der sich selbst nicht vertraut, ist längst alles entglitten. Das Suchen hat er aufgegeben, ans Finden glaubt er nicht. Er fährt allein an die Küste, wirft das summende Handy ins Meer und weiß dann doch, was zu tun ist. Finn Job zieht in seinem rauschhaften Debütroman viele Sprachregister – vom hohen Ton bis zum delirierenden Trash: verspielt, facettenreich und eigensinnig. Er erfindet unvergessliche Szenen und überzeichnet phantasie- und lustvoll seine Figuren. Ein exzessiver, ein fiebernder Liebeskummerroman.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Berlins Freiheitsversprechen ist auserzählt, stellt Rezensent Michael Wolf nach diesem Debüt fest, in dem er aber noch einen "sehr komprimierten Abgesang" auf das Genre des Berlin-Romans erkennen kann. Wenn der Protagonist sich hier durch die deutsche Hauptstadt zetert und wütet und sein Autor ihn "ohne Furcht vor Klischees" mit aufrechten Antifaschisten und antisemitischen Muslimen aneinander geraten lässt, muss Wolf zuweilen an den Thomas-Bernhard'schen Furor denken. Die Geschichte führt aus Berlin weiter nach Frankreich, aber auch dort von Idyll und Ankommen keine Spur. Das Ganze hat auch mit dem Nachbeben der Shoah in der Generation der Nachgeborenen und zu tun, erklärt der Rezensent, und kommt auch nicht ohne Proust-Referenzen aus: Ein ehrgeiziger Roman, der das Gefühl der "jugendlichen Verlorenheit" aus der Geschichte heraus zu deuten versucht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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