Detroit, 1921: Schon seit zwei Jahren forschen Professor Thomas Bradford und seine Assistentin Ruth Doran daran, Kontakt mit Verstorbenen aufzunehmen. Zwar gab es bei einigen Séancen schon erste Annäherungen, doch der Beweis der Existenz eines Lebens nach dem Tod steht noch aus. Als Bradfords
Tochter Annabelle nach kurzer Krankheit plötzlich verstirbt, macht der Professor sich schwere Vorwürfe.…mehrDetroit, 1921: Schon seit zwei Jahren forschen Professor Thomas Bradford und seine Assistentin Ruth Doran daran, Kontakt mit Verstorbenen aufzunehmen. Zwar gab es bei einigen Séancen schon erste Annäherungen, doch der Beweis der Existenz eines Lebens nach dem Tod steht noch aus. Als Bradfords Tochter Annabelle nach kurzer Krankheit plötzlich verstirbt, macht der Professor sich schwere Vorwürfe. Wegen seiner Forschungen hat er sich kaum um das Kind gekümmert. Umso drängender ist sein Bestreben, Kontakt zu dem Mädchen herzustellen. Während Thomas einen aberwitzigen Plan schmiedet, macht sich Ruth Sorgen um den Mann, den sie so verehrt. Wie kann sie ihm nur helfen, ohne seinem Wahn zu verfallen?
"Hinters Licht" ist der neue Roman von Åsa Avdic, der in der deutschen Übersetzung aus dem Schwedischen von Stefanie Werner im Arche Verlag erschienen ist. Bereits in ihrem frechen Vorwort macht sie darauf aufmerksam, dass es sich bei den Hauptfiguren um historische Persönlichkeiten handele und einige der erzählten Dinge wirklich so vorgefallen seien. Allerdings habe sie sich für den Roman auch eine "fast haarsträubende Freiheit" beim Erzählen genommen. Und dies merkt man dem Buch im positiven wie im negativen Sinne an. Denn "Hinters Licht" glänzt zwar mit erzählerischen Überraschungen, hat aber auch die ein oder andere "haarsträubende" Unglaubwürdigkeit in petto.
Hervorzuheben ist in jedem Fall die Sprache, die vor allem durch eine sehr originelle Erzählstimme auffällt. Die allwissende Erzählerin kommentiert lapidar die Ereignisse, blickt schon mal voraus, wehklagt ob der Handlungen der Figuren, seufzt hier mal ein "Ach, Thomas" oder ein "Oh, Ruth" in die Handlung. Das sorgt einerseits für Spannung, andererseits auch für eine gewisse Distanz, da man von Beginn an das Gefühl hat, die spiritistische Forschung werde ohnehin nicht sonderlich ernst genommen. Sprachlich toll sind auch die Tagebucheinträge Ruths, die besonders zu Beginn des Romans eine große Rolle spielen. Völlig entfesselt schreibt Ruth darin über ihre Begehrlichkeiten und über die Liebe zu Thomas, der - so viel sei verraten - zu Beginn des Buches verschwunden ist und auf dessen Rückkehr seine Assistentin nun sehnlichst wartet. Die Wörter, die dabei entstehen, sind so voller überbordender Emotionalität, dass man sich manchmal in Zeiten des Sturm und Drang wähnt.
Leider hat "Hinters Licht" jedoch auch einige Schwächen. Dies fängt bei der Figurenzeichnung an. Die oben geschilderten Gefühle von Ruth bleiben nämlich völlig unverständlich. Thomas Bradford wird als ein Mann gezeichnet, der zu jedem anderen Menschen nett ist, doch woher die Liebe und die Faszination für ihn stammen, bleibt ein Geheimnis. Auch die Nebenfiguren bleiben vage, beispielsweise Thomas' Ehefrau, eine Schauspielerin, die gnadenlos unsympathisch überzeichnet wird. Oder Ruths mittlerweile verstorbener Ehemann Frederic, dem sich die Erzählstimme ähnlich respektlos nähert. Ein größeres Problem ist zudem die Struktur des Textes. Avdic springt nämlich ziemlich wahl- und ziellos zwischen den Jahren hin und her. Lasen wir eben noch in Ruths Tagebuch von 1921, befinden wir uns plötzlich in ihrer Vorgeschichte von 1905. Das kann man natürlich so machen, würde es nicht auch innerhalb des Tagebuchs selbst Zeitsprünge geben, die den Lese- und Erzählfluss doch erheblich stören.
Enttäuschend ist auch der Umgang mit dem Thema Spiritimus. Schon Ulla Lenzes "Das Wohlbefinden" konnte das Interesse an diesem Thema nur in der ersten Hälfte wecken. Bei Åsa Avdic muss man fast die Hälfte des Buches gelesen haben, um zum ersten Mal überhaupt etwas über die Arbeit von Ruth und Thomas zu erfahren. Denn die ersten 140 der insgesamt 300 Seiten entpuppen sich letztlich als zwar emotional erzählter, aber im Grunde recht seichter Liebesroman mit Hang zum Kitsch. Und richtig ernsthaft wird auch in der zweiten Hälfte kein Spiritismus betrieben, die geschilderten Experimente gleichen eher einem bunten Hokuspokus. Das Finale wartet schließlich mit einer wahrlich überraschenden Wendung auf, die hier natürlich nicht verraten werden soll. Diese wirkt einerseits konsequent, andererseits fühlt man sich als Leser nicht bloß "hinters Licht" geführt, sondern aufgrund der Folgen dieses Ereignisses regelrecht veräppelt.
So ist "Hinters Licht" insgesamt ein zwiespältiges Vergnügen. Wer sich an originell und sprachlich fein erzählten Liebesromanen mit historischen Figuren erfreut, darf ohne zu zögern zugreifen. Wer sich einen unterhaltsamen, aber durchaus wissenschaftlich basierten Roman über Spiritismus lesen möchte, dürfte ein wenig enttäuscht sein.