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Ian Kershaw's HITLER allows us to come closer than ever before to a serious understanding of the man and of the catastrophic sequence of events which allowed a bizarre misfit to climb from a Viennese dosshouse to leadership of one of Europe's most sophisticated countries. With extraordinary skill and vividness, drawing on a huge range of sources, Kershaw recreates the world which first thwarted and then nurtured the young Hitler. As his seemingly pitiful fantasy of being Germany's saviour attracted more and more support, Kershaw brilliantly conveys why so many Germans adored Hitler, connived with him or felt powerless to resist him.…mehr

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Produktbeschreibung
Ian Kershaw's HITLER allows us to come closer than ever before to a serious understanding of the man and of the catastrophic sequence of events which allowed a bizarre misfit to climb from a Viennese dosshouse to leadership of one of Europe's most sophisticated countries. With extraordinary skill and vividness, drawing on a huge range of sources, Kershaw recreates the world which first thwarted and then nurtured the young Hitler. As his seemingly pitiful fantasy of being Germany's saviour attracted more and more support, Kershaw brilliantly conveys why so many Germans adored Hitler, connived with him or felt powerless to resist him.

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Autorenporträt
Ian Kershaw is Professor of Modern History at the University of Sheffield and one of the world's leading authorities on Hitler.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1998

Wir haben ihn uns engagiert
Die Biographie Adolf Hitlers als Geschichte seiner Macht: Ian Kershaw entzaubert die Dämonie des Willens und zeigt, wie Deutschland sich seinen Vollstrecker schuf / Von Frank Schirrmacher

Als Ian Kershaw, Historiker an der Universität Sheffield, von seinem Plan einer neuen Hitler-Biographie erzählte, ist ihm abgeraten worden. "An deiner Stelle würde ich das bleiben lassen", hatte Hans Mommsen gesagt, das respektgebietende Haupt jener "Funktionalisten", die mehr an den sich katastrophisch selbst dynamisierenden Prozessen des Dritten Reichs interessiert sind als an der persönlichen Rolle Adolf Hitlers. Auch die "Intentionalisten", jene Gegenschule also, die, vereinfacht gesprochen, das Dritte Reich und seine Verbrechen als Ergebnis willentlicher Handlungen betrachtet, sind nicht notwendig glühende Befürworter der biographischen Geschichtsschreibung.

Aber es ist nicht nur methodologische Vereinsamung, die einem Hitler-Biographen die Arbeit erschwert. Auch die Gesellschaft, in die er sich begibt, hat etwas Entmutigendes. Das Buch von Alan Bullock und mehr noch die Hitler-Biographie Joachim Fests haben einschüchternde Maßstäbe gesetzt. Kershaw hat den Versuch dennoch gewagt und soeben - mit dem Berichtszeitraum 1889 bis 1936 - den ersten Teil seiner Hitler-Biographie vorgelegt. Im kommenden Jahr wird der zweite Band erscheinen: Es wird die umfangreichste Hitler-Biographie, die je entstanden ist.

Jetzt schon kann man sagen, daß Hans Mommsen seinem jüngeren englischen Kollegen einen schlechten Rat gegeben hat. Ian Kershaws "Hitler" zählt zu den bedeutendsten zeitgeschichtlichen Werken der letzten Jahrzehnte. Sofern der zweite Band hält, was der erste verspricht, wird diese Biographie neue Maßstäbe setzen. Hier ist ein Jahrhundertende-Buch entstanden, das Perspektive, Personal und Ausmalung des historischen Panoramabildes neu bestimmt. Dazu verhalfen dem Autor gewiß nicht nur Ausdauer, Talent und kompositorische Intelligenz, sondern auch eine historische Erfahrung, die seine Vorgänger noch nicht haben konnten.

Zustimmend hatte vor einem Vierteljahrhundert Joachim Fest in der Vorbetrachtung seiner Biographie Rudolf Augstein zitiert: "Hitler, so darf man wähnen, war der letzte Exekutor klassischer ,großer' Politik." Daran sind heute zumindest Zweifel angebracht: Die Wende von 1989 hat Hitlers Erbe zwar nicht ausgelöscht, wohl aber dessen fortdauernde Vollstreckung außer Kraft gesetzt. Solange die Teilung Europas galt, hatte Hitler das letzte Wort in der europäischen Geschichte. Das ist nun vorbei. Damit verlieren manche geschichtsphilosophische Erwägungen ihre Vordringlichkeit. Ob man es will oder nicht, seit 1989 versteht man Hitler wieder als Erscheinungs- und Möglichkeitsform der Politik.

Kershaw hat weder die Geschichte des Dritten Reichs noch die Biographie Hitlers neu geschrieben. Von Brigitte Hamanns umfassender Untersuchung über "Hitlers Wien" bis zu den in Moskauer Archiven vollständig vorhandenen Tagebüchern Joseph Goebbels' hat er aber seinen Vorgängern unzugängliches oder unbekanntes Material berücksichtigen können. Noch wichtiger ist, daß er, anders als seine Vorgänger, auf Hermann Rauschnings "Gespräche mit Hitler" ganz verzichtet, deren Authentizität seit längerem bezweifelt wird. Auch die sogenannten "Bunkergespräche", Hitlers letzte Monologe im Führerhauptquartier, hat Kershaw nur mit äußerster Vorsicht herangezogen. Das ist deshalb wichtig, weil beide Publikationen oft als Belege für Hitlers Weltanschauung herhalten mußten.

Hitler sprach nie so tiefsinnig, wie er es in dem nietzscheanisch-nihilistischen Idiom der Rauschning-Gespräche tut, und auch die mit vermächtnishaftem Pathos formulierten Bunkergespräche haben ihm eine faustisch-spekulative Seele angedichtet, die sich in anderen Zeugnissen kaum finden läßt. Sowenig Kershaws Verzicht quantitativ ins Gewicht fallen mag - qualitativ ist er kaum zu überschätzen, weil er dem Porträt Hitlers eine metaphysische Dimension nimmt. Bemerkenswerterweise scheint der britische Historiker auch Albert Speers "Erinnerungen" keinen hohen Quellenwert beizumessen - sollte sich dieser Eindruck im zweiten Teil der Biographie bestätigen, wäre dies die spektakuläre Verabschiedung eines Textes, der wie kaum ein zweiter das Bild von Hitlers Herrschaft geprägt hat.

Wie seine Vorgänger hadert Kershaw mit der "Leere" seines Sujets, mit dem erzähltechnischen Dilemma, eine "Unperson" abzubilden. Zugleich kommt ihm die Abwesenheit eines faßbaren Charakterbilds auch entgegen. Denn den ohnehin längst unergiebigen Streit zwischen Intentionalisten und Funktionalisten sucht Kershaw zu lösen, indem er Hitler als Beweger und Bewegten des historischen Prozesses schildert. Seine Biographie des Diktators ist zugleich eine Analyse der Gruppen, Organisationen und Institutionen, die Hitler beherrschten, ehe er sie selbst beherrschte. Das führt zu einer ernüchternden Wahrnehmung des "deutschen Verhängnisses". Kershaws Überzeugung lautet, daß Hitler hätte Hitler sein und doch nie Diktator werden können, wenn nicht eine gesellschaftliche Nachfrage nach ihm bestanden hätte. Nicht der geschichtsphilosophisch verbrämte Wille des desorientierten Soldaten des Jahres 1919, sondern affektive und realpolitische Bedürfnisse seiner Zeit haben Hitler die Macht verliehen.

Gewiß ist diese Entdämonisierung, die Entmythologisierung eines "Triumphs des Willens" nicht ganz neu. Sie ist aber an Hitlers Person bislang nicht konsequent vollzogen worden, weil sie den Biographen in größte dramaturgische Probleme stürzt. Kershaw hat den Knoten gelöst: Sein Protagonist prägt, beherrscht und zerstört die Welt, die ihn umgibt. Aber diese Welt ist nicht tatenlos. Immer ist Hitler auch Gegenstand des freien Spiels der gesellschaftlichen Kräfte, die er selbst in seinen mächtigsten Zeiten kaum zu kontrollieren imstande ist.

Zwei Sätze melden sich in jeder Biographie Hitlers an. Der eine, Mitte der dreißiger Jahre zum Jugendfreund Kubizek in Bayreuth gesprochen, lautet mit Blick auf ein frühes Wagner-Erlebnis: "Damals begann es." Der zweite findet sich in "Mein Kampf" am Ende der Reminiszenz an die Novemberrevolution: "Ich aber beschloß, Politiker zu werden." Beide Sätze sind Motti für Hitlers Version des "Willens zur Macht". Kershaw widerspricht beiden. Er widersteht der Versuchung, Hitlers Selbstmythisierung auch nur im Ansatz für bare Münze zu nehmen.

Zwar zeigt er immer wieder, mit welcher störrischen Konsequenz Hitler dem einmal gefundenen Weltbild die Wirklichkeit unterwerfen will. Auch ist er mit Fest darin einig, daß sich die Bewußtseinsinhalte und Affektbesetzungen seines Protagonisten nach 1921 nur unwesentlich gewandelt haben. Doch die schon oft beschriebene Antriebsarmut, Willensschwäche und Entscheidungsfurcht Hitlers ist hier konstitutiv für das Charakterbild. Kershaws Darstellung des Münchner Putsches, der Strasser-Krise, der Machtergreifung und der Röhm-Affäre verbindet die halb unklare, halb unartikulierte Bewußtseinslage Hitlers mit den Reaktionsbildern seiner politischen Umwelt.

Schon wenn Hitler erstmals die historische Bühne betritt, erweist sich das Verfahren als fruchtbar. "Hitlers Eintritt in die Politik", schreibt Kershaw, "entsprang keiner bewußten Wahl, sondern seiner Fähigkeit, das Beste aus den ihm gebotenen Möglichkeiten zu machen. Sein Opportunismus - und eine gute Portion Glück - halfen ihm dabei mehr als seine Willenskraft." Nicht Hitler wählte die Politik, sondern die Politik wählte ihn, sie ist "durch Revolution und Räterepublik zu ihm in die Kaserne gekommen". Jahre später, im Januar 1933, wird Papen, die Unheilsgeschichte gleichsam ratifizierend, sagen: "Wir haben ihn uns engagiert."

Erst die Begegnung mit der Deutschen Arbeiterpartei brachte Hitler die Möglichkeit einer politischen Karriere zu Bewußtsein. Aber in dem dunklen, den Historikern verschlossenen Zwischenraum zwischen dem Kriegsende und jenem 12. September 1919, als Hitler im Sterneckerbräu zum erstenmal auf die DAP traf, zeigt sich Kershaw ein anderer Hitler: einer, der den Mehrheitssozialisten zuneigte, mit dem Ziel, "die Demobilmachung so lange wie möglich hinauszuzögern". Einer, der schon im Lazarett zu Pasewalk die Ankunft revolutionärer Matrosen nicht seinen Vorgesetzten meldete, "wie es patriotische Pflicht gewesen wäre", der im Februar 1919 wahrscheinlich an einem Demonstrationszug von ungefähr zehntausend linken Arbeitern und Soldaten in München teilnahm und im April wie fast alle Soldaten der Münchner Garnison die rote Armbinde der Revolution getragen haben dürfte. Kershaw betrachtet diese Details aber nicht als Ausdruck politischer Überzeugung, sondern als Anzeichen für Hitlers Opportunismus, den er von nun an nicht mehr aus dem Blick verliert.

Die Grundzüge dieser Einschätzung hat auch Fest schon mitgeteilt und sogar ausdrücklich von Hitlers Charaktermischung aus "Verlegenheit, Passivität und opportunistischer Anpassung" gesprochen. Anders als sein Vorgänger untersucht Kershaw diesen Opportunismus aber systematisch daraufhin, wie Hitler sich Ansprüchen, Wollen und Absichten seiner Umwelt anpaßte. Der Opportunismus ist ihm nur die Kehrseite des gesellschaftlichen Willens, den der aus dem Krieg zurückgekehrte Soldat zum eigenen Vorteil auszunutzen gedachte. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Sichtweise immer dann produktiv ist, wenn Hitler als Handelnder oder zum Handeln Gezwungener von gesellschaftlichen und politischen Interessen bedroht oder ermutigt wird, die seinem eigenen Instinkt entgegenstehen.

Man wird in Kershaws Beschreibung von Hitlers Kindheits- und Jugendzeit wenig Neues finden. Auch in der Darstellung des Ersten Weltkriegs, der einem berühmten Wort zufolge Hitler erst zu Hitler gemacht habe, versagt Kershaw sich jede geistes- oder seelengeschichtliche Spekulation, die vom Quellenmaterial nicht gedeckt wird. Das ist auch sonst ein erfreulicher Zug dieser Biographie: Der Leser kann sich darauf verlassen, daß der Autor die Quellen äußerst konservativ auswertet, ohne sie imaginativ zu überhöhen.

Vielleicht ist Kershaws Werk deshalb so modern. Je deutlicher Hitler seine Rolle spielt, je stärker die affektbeladenen und gleichzeitig sorgsam kalkulierten Atavismen zum Tragen kommen, desto nachdrücklicher zeichnet Kershaw das Bild des zur Modernität verurteilten und von Heimweh nach dem Verlorenen getriebenen Deutschland der Zwischenkriegszeit. Seine Neuinterpretation Hitlers wird immer dann sprechend, wenn er den Parteiund späteren Staatsführer in Krisenmomenten zeigt, die dieser nicht kontrolliert. So widerspricht Kershaw der These, Hitler habe bei Antritt seiner Haftstrafe in Landsberg Rosenberg deshalb zum Chef der NSDAP gemacht, weil er sicher sein konnte, daß der konfuse Parteiphilosoph die Partei über kurz oder lang ruinieren und Hitler um so unentbehrlicher machen würde. Kershaw zeigt, daß nach Lage der Dinge tatsächlich kein Besserer zur Verfügung gestanden hätte. Solche Korrekturen nehmen Hitlers Karriere etwas von jener "schlafwandlerischen Sicherheit", der sich der Diktator später gern rühmte.

Überhaupt erfährt man hier, wie oft Hitler gerade dort den Lauf der Dinge nicht unter Kontrolle hatte, wo die historischen Ereignisse bislang als Resultate wohlbedachter Planung gesehen wurden. Das gilt für die Darstellung der Parteikrise der zwanziger Jahre, die höchst aufschlußreiche Entstehungsgeschichte des Ermächtigungsgesetzes und die Beschreibung des Röhm-Putsches. Besonders interessant wird Kershaws These im Hinblick auf die Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze. Daran war Hitler, wie Kershaw zeigt, erst ganz am Ende beteiligt: Sie seien aus der Notwendigkeit hervorgegangen, die unkontrollierbar gewordene Brutalität gegen Juden zu kanalisieren und die bürgerliche Angst vor der manifesten Rechtsunsicherheit zu beschwichtigen.

Im allgemeinen jedoch schuf der in vorauseilendem Gehorsam unterstellte Führerwille eine sich selbst reproduzierende Handlungsanweisung. Kershaw beschreibt diesen Prozeß mit sprechenden Details, wenn er sich mit der Entstehung des nationalsozialistischen Führerstaats befaßt. Er zeigt, wie sehr die beispiellosen Veränderungen von 1933 - die Abschaffung der Parteien und Gewerkschaften, die Gleichschaltung der Länder, die Zerschlagung der Institutionen - fast ohne Hitlers Zutun zustande kamen. Die nationalsozialistische Basis übernahm gleichsam den Willen Hitlers, in dessen Geist sie innerhalb kürzester Zeit den Staat reorganisierte. Die Überarbeitung des Beamtenrechts und der antisemitische Arierparagraph gingen vermutlich auf eine Anweisung Hitlers zurück. Aber gleichzeitig trafen aus dem Innenministerium und anderen staatlichen Stellen eine ganze Reihe von Vorschlägen für antjüdische Maßnahmen ein. Keine zwei Monate nach der Machtergreifung hatten die Institutionen des Reiches den Staat nicht bloß auf Hitlers Anordnung, sondern aus eigenem Antrieb fundamental verändert. "Hitlers Rolle", faßt Kershaw zusammen, "beschränkte sich im wesentlichen darauf, die Legalisierung von Maßnahmen zu sanktionieren, welche häufig bereits illegal von Parteiaktivisten eingeführt worden waren."

Das ist die neue und maßstabsetzende Leistung Ian Kershaws: In dem Augenblick, da Hitler volle diktatorische Handlungsfreiheit besitzt, fällt der Blick seines Chronisten auf die institutionellen Strukturen des Staates, die an dieser Handlungsfreiheit in einem bestürzenden Ausmaß partizipieren. Die Figur Martin Bormanns, der erst später die Bühne betreten wird, ist hier bereits als exemplarischer gesellschaftlicher Typus angelegt.

Die Weise, in der Kershaw die staatlichen Veränderungen beschreibt, nimmt Hitlers Karriere als Reichskanzler einen beträchtlichen Teil ihres Willenspathos. Das heißt nicht, wie der Historiker betont, daß Hitler austauschbar gewesen wäre oder der verbrecherische Radikalismus des Regimes sich auch ohne ihn entwickelt hätte. Indes hält Kershaw das Wechselspiel zwischen Hitlers Direktiven und den Initiativen anderer für unerläßlich, wolle man "die verhängnisvolle, ,kumulative Radikalisierung' des Regimes verstehen".

"Dem Führer entgegenarbeiten" - das ist die Formel, die Kershaw in den Quellen gefunden hat und die nichts anderes besagt, als daß jedermann, Hitlers Willen erahnend und vorwegnehmend, die nationalsozialistische Revolution in seinem eigenen Umkreis zu Ende zu bringen hatte. Täuschen die Zeichen nicht, wird dieses "funktionalistische" Argument im zweiten Teil dieser Biographie eine noch größere, düstere Rolle spielen.

Kershaws Buch wird ohne Zweifel zu einem Standardwerk werden. Vielleicht verändert es unseren Blick auf Hitler weniger als den auf die Gesellschaft, die ihn möglich machte. Die Feinmechanik dieser Ermöglichung läßt sich in dieser Biographie so genau wie sonst nirgendwo studieren.

Dennoch wird, wer die Epoche und den Mann studieren will, auf Joachim Fests Biographie nicht verzichten können. In seiner Rationalität fällt es Kershaw schwer, jene objektiv irrationalen Beziehungen auf den Begriff zu bringen, die Adolf Hitler zu seiner Welt unterhielt. Und wichtiger als eine Debatte über das Wesen "charismatischer" Herrschaft ist die versuchsweise Rekonstruktion jenes verhängnisvollen Charismas. Hitlers charakterliche "Leere" hatte Fest in der Tradition von Thomas Manns berühmtem Essay "Bruder Hitler" mit einer literarischen Beschreibung der prekären Bewußtseinsbildung seines Protagonisten auszufüllen versucht. So war ihm eine letzte und sehr beunruhigende Variante des deutschen Bildungsromans geglückt. Die gesellschaftsgeschichtliche Interpretation von Kershaws Biographie wird von dem literarischen und ideengeschichtlichen Mehrwert der vor fünfundzwanzig Jahren erschienenen Biographie ergänzt.

Man kann darauf die Probe machen. Beispielsweise am Stichtag des kommenden Unglücks, am 30. Januar 1933. Das künftige Kabinett Hitler hat sich zur Vereidigung in der Residenz Hindenburgs eingefunden. Aber die Beteiligten sind im Streit. Hitler besteht auf baldigen Neuwahlen, um seine Regierung zu legitimieren. Hugenberg hält dagegen. Kershaw schreibt: "Hitler und Hugenberg waren in eine hitzige Debatte vertieft, als sie in Meißners Zimmer auf den Präsidenten warteten. Das Kabinett hätte zu Fall kommen können, bevor es vereidigt worden war . . . Der Zeitpunkt für die Vereidigung war gekommen. Doch der Streit ging weiter. Meißner ermahnte sie, den Präsidenten nicht länger warten zu lassen."

Fests Darstellung lautet: "In einer Fensternische des Raumes bestürmten seine Bändiger jetzt vereint den weiterhin widerstrebenden Hugenberg, während nebenan der Reichspräsident seinen Staatssekretär rufen ließ und ungeduldig fragte, was die Verzögerung zu bedeuten habe. ,Mit der Uhr in der Hand' kam Meißner zu den Streitenden zurück . . . Und was der Ansturm der konservativen Freunde, die Überredungskünste Hitlers, die Beschwörungen Papens nicht vermocht hatten, bewirkte nun noch einmal, zum letzten Mal im Leben und Sterben der Republik, der legendäre Name des Feldmarschall-Präsidenten . . . (Hugenberg) lenkte ein, wohl wissend, was auf dem Spiele stand, in tiefem Respekt vor dem Terminkalender Hindenburgs." Nichts wurde hier den historischen Fakten hinzugefügt oder verändert. Doch jeder erkennt, daß der kurze Hinweis auf Hindenburgs Terminkalender eine deutsche Sittengeschichte in nuce enthält.

Man sollte also die beiden Ansätze nicht gegeneinander ausspielen. Nachdrücklicher als durch Kershaws Meisterwerk hat nicht bewiesen werden können, daß biographische, also erzählende Geschichtsschreibung ihr Recht hat. Die Bibliotheken verzeichnen 120000 Arbeiten über Hitler - ein Gebirge von Texten. Kershaws Werk ist ein Zentralmassiv.

Ian Kershaw: "Hitler". 1889-1936. Aus dem Englischen von Jörg W. Rademacher und Jürgen Peter Krause. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1998. 976 S., 59 Abb., geb., 88,- DM.

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