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Zwei neue Bücher erzählen die Lebensgeschichte des Kunstsammlers und Nazi-Profiteurs Hildebrand Gurlitt
In diesen Tagen erscheinen zwei Biographien zu Hildebrand Gurlitt, "Hitlers Kunsthändler", wie das erste Buch im Titel und das zweite im Untertitel schreibt. Der Unterschied zwischen beiden Veröffentlichungen lässt sich leicht benennen: Die eine stammt von einer englischen Journalistin, Catherine Hickley, die ihre Recherchen bereits vor einem Jahr unter dem Titel "The Munich Art Hoard" veröffentlichte und nun übersetzt vorlegt. Die andere hat ein Autorenduo verfasst, Nicola Kuhn und Meike Hoffmann, wobei Letztere Mitglied der Taskforce war, jener Einsatzgruppe also, die im November 2013 die Bundesregierung und das Land Bayern einberief, um den sogenannten "Schwabinger Kunstfund" aufzuklären.
Kurz vor der Einsetzung der Taskforce war bekanntgeworden, dass die Augsburger Staatsanwaltschaft in München rund 1280 Kunstwerke beschlagnahmt hatte. Besitzer der Sammlung war Cornelius Gurlitt, der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Hunderte Werke standen unter Verdacht, NS-Raubkunst zu sein. Dieser Verdacht hat sich bisher nicht erhärtet. Nachdem von der Taskforce nur fünf Werke eindeutig als geraubt identifiziert werden konnten, steht nun umgekehrt vor allem die bayerische Regierung unter Verdacht, an einer Privatperson ein Exempel statuiert zu haben, um von den Versäumnissen der staatlichen Sammlungen im Umgang mit der Vergangenheit abzulenken (F.A.Z. vom 14. Januar). Kurzum: Der Fall von Vater und Sohn Gurlitt ist nach wie vor ein Politikum.
Die Biographinnen Kuhn und Hoffmann konnten nun aus dem Nachlass von Hildebrand Gurlitt schöpfen, der ja der Taskforce zur Verfügung stand. Catherine Hickley dagegen hatte nur vereinzelt Zugriff auf private Dokumente, die ihr von Mitgliedern der Familie Gurlitt zur Verfügung gestellt wurden. Mit Spannung durften also beide Bücher erwartet werden, wobei vor allem zwei Fragen im Vordergrund stehen müssen: Zu welcher Einschätzung von Hildebrand Gurlitt kommen sie? Und in welcher Funktion schreibt Meike Hoffmann über Gurlitt? Ist das Buch, das nächste Woche mit einem Grußwort von Monika Grütters in Berlin vorgestellt wird, so etwas wie der zweite Abschlussbericht der Taskforce, nachdem der erste im Januar vorgestellt wurde?
Wer sich für die Herkunft des 1895 geborenen Hildebrand Gurlitt interessiert, seine Kindheit und Jugend, die weit verzweigte Familie und die Zeit beim Militär im Ersten Weltkrieg, kann das bei Kuhn und Hoffmann in aller Ausführlichkeit nachlesen. Als Person wird Gurlitt in den Passagen besonders greifbar, die von der engen Beziehung zu seiner Schwester Cornelia erzählen, einer Künstlerin. Der Kunstkritiker Paul Fechter nannte sie "vielleicht die genialste Begabung der jüngeren expressionistischen Generation". Die Beziehung jedoch, die Cornelia mit Fechter einging, scheiterte; im August 1919 nahm sie Gift und starb an Herzversagen.
Kuhn und Hoffmann schildern den jungen Hildebrand Gurlitt als jemanden, den der Krieg zum Pazifisten machte und den nicht zuletzt der Schmerz über den Tod der Künstlerschwester zu einem glühenden Verehrer der Moderne werden ließ. Zweimal musste Gurlitt aufgrund seines Einsatzes für die Avantgarden seinen Direktorenposten räumen: Zum ersten Mal 1930 am Kunstmuseum in Zwickau, das zweite Mal 1933 am Hamburger Kunstverein, wo er den Fahnenmast vom Dach des Hauses entfernen ließ, um nicht die Hakenkreuzflagge der neuen Machthaber hissen zu müssen.
Danach, im Jahr 1933, beginnt der Abschnitt seines Lebens, der am stärksten erklärungsbedürftig ist. Wie nämlich wird aus dem mutigen und trotzigen Museumsmann einer der erfolgreichsten Kunsthändler im Nationalsozialismus? Beide Bücher kommen hier zu fast identischen Einschätzungen. Vier Gründe treiben die Wandlung an: Erstens die Geburt von Cornelius im Dezember 1932, mit der Hildebrand Gurlitt die Rolle des Familienversorgers zufällt. Zweitens die Sorge, die jüdische Großmutter könne zu seiner rassepolitischen Ächtung führen. Drittens brach die Unterstützung für die moderne Kunst, die es in den ersten Jahren auch in nationalsozialistischen Kreisen gab, zunehmend weg. Und viertens, schließlich: die unerwarteten und unglaublichen Karrierechancen, die ihm das Regime bot.
Nach seiner Entlassung hatte Gurlitt einen Kunsthandel in Hamburg eröffnet. Durch seine Kontakte stieg er 1938 in den Kreis der Kunsthändler auf, die für Devisen die "entartete Kunst" ins Ausland verkaufen durften. Als er nach Kriegsbeginn zu einem der führenden Einkäufer für Hitlers "Führermuseum" in Linz aufstieg, flogen für Gurlitt die Türen in einer Geschwindigkeit auf, die ihn wie eine Droge zu berauschen schien. Sein Auftritt wurde geradezu herrisch, auf einmal hantierte er mit Zahlen, die auch ihm vorher nur aus den Börsennachrichten oder der Paläontologie vertraut gewesen sein dürften. Er verfügte über Millionen, kaufte in Frankreich für sich, für Hitler, darunter für 2,2 Millionen Reichsmark einen Beauvais-Wandteppich, das teuerste Stück.
Der Taumel und die Selbstberauschung waren auch in der Nachkriegszeit nicht zu Ende. In den Entnazifizierungsverfahren, so Hoffmann und Kuhn, liege eine Absurdität, da "die Angeklagten Leumundszeugnisse zu erbringen haben und geradezu aufgefordert werden, ihre alten Netzwerke zu beleben". Die Profiteure stilisieren sich nun gegenseitig zu Widerstandskämpfern, zu Bilderrettern und Idealisten. Und sie sind sich einig: Der ungeheure Erfolg und Reichtum, den sie zum Teil angehäuft haben, ist ihr Verdienst. Nicht das Unrechtsregime, nicht Netzwerke, nicht Verfolgung, Ausbeutung und Mord haben ihren Erfolg beflügelt, sondern das große und ureigene Genie.
Der Lügenpanzer wird so fest geschmiedet, dass jeder, der hindurchzudringen versucht, als Feind gilt. Dazu zählen auch die jüdischen Familien, die sich wegen verschollener Bilder an Gurlitt wenden. Hickley berichtet den Fall des Hamburger Arztes Ernst Julius Wolffson, dessen Erben sich in den fünfziger Jahren bei Gurlitt zum Verbleib von neun Menzel-Zeichnungen erkundigten, die Wolffson 1938 an den Kunsthändler weit unter Wert hatte verkaufen müssen. Gurlitt ließ über seine Anwälte antworten, die Geschäftsbücher seien verbrannt. Das war eine Lüge.
Hickley hält es zudem für unwahrscheinlich, dass er sich nicht mehr erinnerte, an wen er die Menzels mit einem Aufschlag von fünfundzwanzig Prozent verkaufte: Hermann F. Reemtsma. Auch die Kinder von Henri Hinrichsen, die über ihren Anwalt nach dem Verbleib von vier Werken anfragen lassen, die Gurlitt verkaufte, werden - wie Hoffmann und Kuhn berichten - abgewiesen und belogen. Die Lüge wird zur Familientradition.
Auf die brennende Frage, ob Gurlitts Lügen im Umkehrschluss bedeuten, dass er viel Raubkunst besaß, geben die Bücher keine direkte Antwort. Bezeichnenderweise fördern sie keinen weiteren Fall zutage. Was die Hintergründe der Beschlagnahme im Jahr 2012 angeht und den Zustand, in dem sich Cornelius Gurlitt befand, bietet Hickley ihren Lesern mehr Stoff. Kuhn und Hoffmann werden dagegen sehr schmallippig. Was sie schreiben, klingt, als sei es von den Behörden vorher abgesegnet worden. Die Verwandlung vom Taskforce-Mitglied zur angeblich unabhängigen Sachbuchautorin ist in den letzten beiden Kapiteln gründlich missglückt.
JULIA VOSS
Catherine Hickley:
"Gurlitts Schatz". Hitlers Kunsthändler und sein geheimes Erbe.
Aus dem Englischen von Karin Fleischhanderl.
Czernin Verlag, Wien 2016. 325 S., geb., 24,90 [Euro].
Meike Hoffmann und Nicola Kuhn:
"Hitlers Kunsthändler". Hildebrand Gurlitt 1895-1956. Die Biographie.
Verlag C. H. Beck, München 2016. 400 S., geb., 24,95 [Euro].
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