To grasp the complicated causes and consequences of the Vietnam War, one must understand the extraordinary life of Ho Chi Minh, the man generally recognized as the father of modern Vietnam. Duiker provides startling insights into Ho's true motivation, as well as into the Soviet and Chinese roles in the Vietnam War.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2001Lenker oder Gelenkter?
Legenden und Mythen nicht aufgesessen: Ein fesselndes und abgewogenes Porträt von Ho Chi Minh
William J. Duiker, Ho Chi Minh. Hyperion, New York 2000. 695 Seiten, 35 Dollar.
Die Sprechchöre von Studenten, die den Namen des vietnamesischen Revolutionärs Ho Chi Minh skandierten und für den "Befreiungskampf" in der Dritten Welt warben, klingen manch einem noch im Ohr und sind fester Bestandteil des Bildes geworden, das man mit der Achtungsechziger-Bewegung verbindet. Die hitzigen Debatten jener Zeit mögen abgekühlt sein, aber die grundlegenden Fragen nach moralischer Berechtigung und politischen Hintergründen des Vietnam-Kriegs sind bis heute geblieben. An Ho Chi Minh als politischem und geistigem Führer dieses Kampfes scheiden sich nach wie vor die Geister: War er ein Patriot, dem es in erster Linie um die Befreiung seines Landes von der Kolonialherrschaft ging? Oder war er ein linientreuer Kommunist, der den nationalen Kampf dem Ziel der marxistischen Welteroberung unterordnete? Kann man vom "edlen Ho Chi Minh" (Eric Hobsbawm) sprechen, oder ist es eher angebracht, dessen Regime mit "Staatsterrorismus" (Hans-Peter Schwarz) zu kennzeichnen?
William Duiker gilt als einer der besten Vietnam-Kenner. Seine Biographie Ho Chi Minhs ist getragen vom Bemühen zu verstehen, wie die Weltmacht an einer Bewegung scheitern konnte, der die Vereinigten Staaten materiell um ein Vielfaches überlegen waren.
Ho Chi Minhs Leben zu rekonstruieren erwies sich als nicht einfach. Ho hat unter verschiedenen Namen gelebt, unter ebenso vielen Pseudonymen Artikel und Bücher verfaßt, und die offizielle Propaganda hat ihren Helden in einem Maße glorifiziert, daß es einigen Spürsinns bedarf, aus den Legenden und Mythen die historische Wahrheit herauszupräparieren. Doch das gelingt dem abgewogen urteilenden Biographen durchgehend.
Ho Chi Minh wurde als Sohn eines hohen vietnamesischen Beamten im Jahr 1890 geboren. Seine Jugend war geprägt vom Konflikt zwischen vietnamesischer Nationalbewegung und französischer Kolonialmacht. Nach dem Ersten Weltkrieg schienen sich die Kolonialmächte moralisch diskreditiert zu haben. Aber die Versuche des zunehmend politisierten jungen Mannes, 1918 über den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson die Unabhängigkeit Indochinas durchzusetzen, scheiterten.
Die folgenden Jahre, die einer Odyssee gleichkamen, zeigen einen Ho Chi Minh, der zwischen Paris, London, China und Indochina hin und her reiste, um für ein Ende der französischen Herrschaft zu werben - immer auf der Flucht vor den französischen Geheimdiensten, die ahnten, mit welchem Gegner sie hier zu tun hatten. Die zwanziger und dreißiger Jahre bieten reichlich Anschauungsmaterial für die unerbittliche französische Kolonialmentalität und zugleich fundierte Erklärungen für die politische Orientierung Ho Chi Minhs.
Einzig die Kommunistische Partei Frankreichs hatte ein offenes Ohr für die vietnamesische Nationalbewegung. Zudem mag die konfuzianische Mentalität Ho für die Idee des Sozialismus mehr eingenommen haben als ein vermeintlich kalter und auf das Individuum bezogener Kapitalismus.
Eine neue Chance für die Revolutionäre ergab sich erst durch die politischen Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs. Weil die politisch und wirtschaftlich geschwächten Franzosen in Vietnam 1945 ein Regime installierten, das wenig mehr als eine Marionettenregierung war, gab es nun sogar in Washington für Ho Chi Minh einige Sympathie. Allerdings weist Duiker die Interpretation als Mythos zurück, die Vereinigten Staaten hätten eine "goldene Gelegenheit" verpaßt, als sie 1949 - nach dem Sieg Maos in China - Ho Chi Minh fallenließen.
Die amerikanische Indochina-Politik geriet nun in den Bann des Kalten Krieges. Nach der Niederlage der Franzosen bei Dien Bien Phu wurde das Land 1954 geteilt. Das mit den Vereinigten Staaten verbündete Südvietnam weigerte sich, mit Hanoi in Fragen der gesamtvietnamesischen Wahlen zu kooperieren. Ho Chi Minh hätte diese Wahlen mit großer Wahrscheinlichkeit gewonnen, weil er nach dem Sieg über Frankreich in ganz Vietnam ungeheuer populär war.
Gegen Ende der fünfziger Jahre plädierten Ho Chi Minh und die Führung in Hanoi für eine neue militärische Initiative - mit Erfolg. Auch in den Augen vieler Südvietnamesen war ihr Regime nicht viel anders als das korrupte Mandarinsystem, das sie hundert Jahre lang unterjocht hatte. Ein Unterschied bestand allerdings darin, daß die Unterdrücker, die dieses System stützten, nun nicht mehr die Franzosen, sondern die Amerikaner waren. Für die sozialen Probleme des Landes fehlte den Amerikanern tatsächlich die Sensibilität und die regionale Kenntnis. In Washington sah man in Ho Chi Minh nur eine Marionette, dirigiert von Moskau und Peking.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Ho Chi Minh weitgehend zurückgezogen in seinem Privathaus in Hanoi und trat nur noch zu zeremoniellen Anlässen an die Öffentlichkeit. Als er am 2. September 1969 starb, war er auch bei vielen im Westen zu einer Ikone geworden. Wenige Jahre später, nach dem Abzug der Amerikaner und dem Zusammenbruch des südvietnamesischen Regimes, wurde das Land wiedervereinigt. Eine "Befreiung" war es jedenfalls nicht. Während Zehntausende "boat people" die Flucht antraten, begann die kommunistische Regierung, Ho Chi Minh für einen Staatskult zu instrumentalisieren, der auch heute noch das Bild von Hanoi und Saigon - Ho-Chi-Minh-Stadt - prägt.
Duikers fesselndes Porträt eines Revolutionärs ist mit der Emphase geschrieben, die wohl notwendig ist, um einen solchen Lebensweg wirklich nachvollziehbar zu machen. So fällt sein abschließendes Urteil über Ho Chi Minh positiver aus als das vieler Historiker, die in Ho nur einen asiatischen Stalinisten sehen: "Wie auch immer das Urteil seines eigenen Volkes über ihn ausfallen mag, hat er doch seinen Platz im Pantheon derjenigen Revolutionshelden erhalten, die schwer gekämpft haben, um den Parias der Welt ihre wahre Stimme zu verleihen." Die eingangs aufgeworfene Frage, ob Ho Chi Minh eher ein linientreuer Kommunist, ein Patriot oder beides gewesen ist, bleibt damit vorerst unbeantwortet.
JOACHIM SCHOLTYSECK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Legenden und Mythen nicht aufgesessen: Ein fesselndes und abgewogenes Porträt von Ho Chi Minh
William J. Duiker, Ho Chi Minh. Hyperion, New York 2000. 695 Seiten, 35 Dollar.
Die Sprechchöre von Studenten, die den Namen des vietnamesischen Revolutionärs Ho Chi Minh skandierten und für den "Befreiungskampf" in der Dritten Welt warben, klingen manch einem noch im Ohr und sind fester Bestandteil des Bildes geworden, das man mit der Achtungsechziger-Bewegung verbindet. Die hitzigen Debatten jener Zeit mögen abgekühlt sein, aber die grundlegenden Fragen nach moralischer Berechtigung und politischen Hintergründen des Vietnam-Kriegs sind bis heute geblieben. An Ho Chi Minh als politischem und geistigem Führer dieses Kampfes scheiden sich nach wie vor die Geister: War er ein Patriot, dem es in erster Linie um die Befreiung seines Landes von der Kolonialherrschaft ging? Oder war er ein linientreuer Kommunist, der den nationalen Kampf dem Ziel der marxistischen Welteroberung unterordnete? Kann man vom "edlen Ho Chi Minh" (Eric Hobsbawm) sprechen, oder ist es eher angebracht, dessen Regime mit "Staatsterrorismus" (Hans-Peter Schwarz) zu kennzeichnen?
William Duiker gilt als einer der besten Vietnam-Kenner. Seine Biographie Ho Chi Minhs ist getragen vom Bemühen zu verstehen, wie die Weltmacht an einer Bewegung scheitern konnte, der die Vereinigten Staaten materiell um ein Vielfaches überlegen waren.
Ho Chi Minhs Leben zu rekonstruieren erwies sich als nicht einfach. Ho hat unter verschiedenen Namen gelebt, unter ebenso vielen Pseudonymen Artikel und Bücher verfaßt, und die offizielle Propaganda hat ihren Helden in einem Maße glorifiziert, daß es einigen Spürsinns bedarf, aus den Legenden und Mythen die historische Wahrheit herauszupräparieren. Doch das gelingt dem abgewogen urteilenden Biographen durchgehend.
Ho Chi Minh wurde als Sohn eines hohen vietnamesischen Beamten im Jahr 1890 geboren. Seine Jugend war geprägt vom Konflikt zwischen vietnamesischer Nationalbewegung und französischer Kolonialmacht. Nach dem Ersten Weltkrieg schienen sich die Kolonialmächte moralisch diskreditiert zu haben. Aber die Versuche des zunehmend politisierten jungen Mannes, 1918 über den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson die Unabhängigkeit Indochinas durchzusetzen, scheiterten.
Die folgenden Jahre, die einer Odyssee gleichkamen, zeigen einen Ho Chi Minh, der zwischen Paris, London, China und Indochina hin und her reiste, um für ein Ende der französischen Herrschaft zu werben - immer auf der Flucht vor den französischen Geheimdiensten, die ahnten, mit welchem Gegner sie hier zu tun hatten. Die zwanziger und dreißiger Jahre bieten reichlich Anschauungsmaterial für die unerbittliche französische Kolonialmentalität und zugleich fundierte Erklärungen für die politische Orientierung Ho Chi Minhs.
Einzig die Kommunistische Partei Frankreichs hatte ein offenes Ohr für die vietnamesische Nationalbewegung. Zudem mag die konfuzianische Mentalität Ho für die Idee des Sozialismus mehr eingenommen haben als ein vermeintlich kalter und auf das Individuum bezogener Kapitalismus.
Eine neue Chance für die Revolutionäre ergab sich erst durch die politischen Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs. Weil die politisch und wirtschaftlich geschwächten Franzosen in Vietnam 1945 ein Regime installierten, das wenig mehr als eine Marionettenregierung war, gab es nun sogar in Washington für Ho Chi Minh einige Sympathie. Allerdings weist Duiker die Interpretation als Mythos zurück, die Vereinigten Staaten hätten eine "goldene Gelegenheit" verpaßt, als sie 1949 - nach dem Sieg Maos in China - Ho Chi Minh fallenließen.
Die amerikanische Indochina-Politik geriet nun in den Bann des Kalten Krieges. Nach der Niederlage der Franzosen bei Dien Bien Phu wurde das Land 1954 geteilt. Das mit den Vereinigten Staaten verbündete Südvietnam weigerte sich, mit Hanoi in Fragen der gesamtvietnamesischen Wahlen zu kooperieren. Ho Chi Minh hätte diese Wahlen mit großer Wahrscheinlichkeit gewonnen, weil er nach dem Sieg über Frankreich in ganz Vietnam ungeheuer populär war.
Gegen Ende der fünfziger Jahre plädierten Ho Chi Minh und die Führung in Hanoi für eine neue militärische Initiative - mit Erfolg. Auch in den Augen vieler Südvietnamesen war ihr Regime nicht viel anders als das korrupte Mandarinsystem, das sie hundert Jahre lang unterjocht hatte. Ein Unterschied bestand allerdings darin, daß die Unterdrücker, die dieses System stützten, nun nicht mehr die Franzosen, sondern die Amerikaner waren. Für die sozialen Probleme des Landes fehlte den Amerikanern tatsächlich die Sensibilität und die regionale Kenntnis. In Washington sah man in Ho Chi Minh nur eine Marionette, dirigiert von Moskau und Peking.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Ho Chi Minh weitgehend zurückgezogen in seinem Privathaus in Hanoi und trat nur noch zu zeremoniellen Anlässen an die Öffentlichkeit. Als er am 2. September 1969 starb, war er auch bei vielen im Westen zu einer Ikone geworden. Wenige Jahre später, nach dem Abzug der Amerikaner und dem Zusammenbruch des südvietnamesischen Regimes, wurde das Land wiedervereinigt. Eine "Befreiung" war es jedenfalls nicht. Während Zehntausende "boat people" die Flucht antraten, begann die kommunistische Regierung, Ho Chi Minh für einen Staatskult zu instrumentalisieren, der auch heute noch das Bild von Hanoi und Saigon - Ho-Chi-Minh-Stadt - prägt.
Duikers fesselndes Porträt eines Revolutionärs ist mit der Emphase geschrieben, die wohl notwendig ist, um einen solchen Lebensweg wirklich nachvollziehbar zu machen. So fällt sein abschließendes Urteil über Ho Chi Minh positiver aus als das vieler Historiker, die in Ho nur einen asiatischen Stalinisten sehen: "Wie auch immer das Urteil seines eigenen Volkes über ihn ausfallen mag, hat er doch seinen Platz im Pantheon derjenigen Revolutionshelden erhalten, die schwer gekämpft haben, um den Parias der Welt ihre wahre Stimme zu verleihen." Die eingangs aufgeworfene Frage, ob Ho Chi Minh eher ein linientreuer Kommunist, ein Patriot oder beides gewesen ist, bleibt damit vorerst unbeantwortet.
JOACHIM SCHOLTYSECK
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