Victor kann sein albernes Siegerdasein als erfolgreicher Investmentbanker schon lange nicht mehr ernst nehmen. Alle Versuche, sich zu verlieben, scheinen ebenso zum Scheitern verdammt zu sein, wie es seine Ehe war. Er ist ein Produkt der marktorientierten deutschen Gesellschaft und dieselben Fähigkeiten, auf denen sein Erfolg in diesem System basiert, weisen ihm jetzt den Ausweg – eine Revolution. Er bewohnt eine gläserne Villa im Taunus, hat bei Bedarf Sex im Spa-Bereich des Hotel Adlon und schafft es, die Work-Life-Balance der Mitarbeiter seiner Bank in einem rentablen Ungleichgewicht zu halten. Doch all das führt zu nichts. Zum Glück lernt er den italophilen Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland kennen, dessen Lebenstraum es ist, nach seiner politischen Laufbahn als steinreicher Investmentbanker mit dem Ferrari durch Mailand zu gleiten. Dafür braucht er Victors Hilfe und unterstützt ihn im Gegenzug dabei, eine populistische Bewegung zu gründen, deren rohe Lebendigkeit Victor erlösen wird. In seinem Roman wirft Alexander Schimmelbusch ein grelles Licht auf die deutsche Volksseele und stellt die zentralen Fragen unserer Zeit: Ist unser System kaputt? Was ist Elite? Können wir überhaupt noch kommunizieren? Haben wir Prinzipien? Welchen Preis zahlt man dafür, nach seinen eigenen Regeln zu leben? Ist es Zeit für einen radikalen Neuanfang? Für eine Stunde null, wie nach einem Krieg?
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2019NEUE TASCHENBÜCHER
Ideen eines
Investmentbankers
Victor – der Name ist Programm. Der Frankfurter Investmentbanker brettert in seinem elektrischen Porsche „Shere Khan“ über die Siegerstraße des Lebens; wenn er nicht gerade im 32. Stockwerk eines Büroturms an wichtigen „Pitches“ herumformuliert, mit denen er beim nächsten Meeting Unternehmenschefs oder Minister von Mega-Deals überzeugen will; wenn er nicht gerade sein jährliches Einkommen von zehn Millionen Euro in 2400 Euro teure Weinflaschen investiert. Doch Alexander Schimmelbusch belässt es in seiner ätzenden Satire „Hochdeutschland“ nicht nur bei der Beschreibung eines abgehobenen Finanzmilieus. Gepeinigt von dem Wissen um die Ungerechtigkeit des Turbokapitalismus entwickelt ausgerechnet jener Victor Ideen für eine bessere Gesellschaft, in der Reiche nur noch bis zu 25 Millionen Euro besitzen dürfen – und so krempelt der Banker mit dem Politiker Ali Osman, einem alten Studienfreund, mal eben die Republik um. Berauschend und beängstigend übertourig röhrt dieser Roman, den man als deutsches Pendant zu Houellebecqs „Unterwerfung“ lesen kann, maximalbeschleunigt dahin – bis zum finalen Knall. ANTJE WEBER
Alexander Schimmelbusch: Hochdeutschland. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019.
224 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ideen eines
Investmentbankers
Victor – der Name ist Programm. Der Frankfurter Investmentbanker brettert in seinem elektrischen Porsche „Shere Khan“ über die Siegerstraße des Lebens; wenn er nicht gerade im 32. Stockwerk eines Büroturms an wichtigen „Pitches“ herumformuliert, mit denen er beim nächsten Meeting Unternehmenschefs oder Minister von Mega-Deals überzeugen will; wenn er nicht gerade sein jährliches Einkommen von zehn Millionen Euro in 2400 Euro teure Weinflaschen investiert. Doch Alexander Schimmelbusch belässt es in seiner ätzenden Satire „Hochdeutschland“ nicht nur bei der Beschreibung eines abgehobenen Finanzmilieus. Gepeinigt von dem Wissen um die Ungerechtigkeit des Turbokapitalismus entwickelt ausgerechnet jener Victor Ideen für eine bessere Gesellschaft, in der Reiche nur noch bis zu 25 Millionen Euro besitzen dürfen – und so krempelt der Banker mit dem Politiker Ali Osman, einem alten Studienfreund, mal eben die Republik um. Berauschend und beängstigend übertourig röhrt dieser Roman, den man als deutsches Pendant zu Houellebecqs „Unterwerfung“ lesen kann, maximalbeschleunigt dahin – bis zum finalen Knall. ANTJE WEBER
Alexander Schimmelbusch: Hochdeutschland. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019.
224 Seiten, 12 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2018Der ideale Populist
Alexander Schimmelbusch spricht über seinen Roman "Hochdeutschland"
Shir Khan nahm ein böses Ende. Doch der Tiger aus dem "Dschungelbuch" brüllt jetzt im Triebwerk eines Porsche im Hochtaunus. Dort nämlich hat sich "Hochdeutschland" im gleichnamigen Roman von Alexander Schimmelbusch angesiedelt. Mit Label-Dropping beginnt das Buch, und vom Marken-Dropping lebt es. Denn seine Protagonisten identifizieren sich unter anderem über eine tausend Euro teure Hautcrème, zu deren Herstellung Debussys "La Mer" eingespielt wird.
Das musste Sandra Kegel ausdrücklich zur Kenntnis nehmen, als sie bei der jüngsten "Frankfurter Premiere" des Kulturamts glaubte, sich verhört oder verlesen zu haben. In der Historischen Villa Metzler, die die Bankiersfamilie Metzler im 19. Jahrhundert erworben hatte, sprach die Literaturredakteurin dieser Zeitung mit dem Verfasser über den Lebensstil der Frankfurter High Society und über den "großen Manipulator" im Buch, der Deutschland links- und rechtspopulistisch zugleich retten will.
Victor heißt er, der Sieger. Er ist Vater einer achtjährigen Victoria, logiert im 32. Stock eines Bankenturms und schaltet von dort über Touchscreen die Lampen in seiner Villa in Falkenstein ein und aus. Auf seinem Konto ruhen mehr als hundert Millionen Euro. Denn Victor ist Investmentbanker und mit 39 Jahren schon fast im Rentenalter der Branche. Schimmelbusch kennt sich aus. Der 43 Jahre alte Autor war in London auch einmal Investmentbanker.
Hat ihn der gleiche Ennui gepackt wie Victor? Der ist nämlich "unzufrieden". Er will nicht nur ein Mann der Zahlen sein, sondern seinen Namen in der Zeitung lesen. Nachdem er einen fiktiven Bundesfinanzminister entsprechend beschwatzt hat, gerät er in einen spontanen Kreativschub. Für einen Bundestagsabgeordneten verfasst er ein Parteiprogramm, das die oberste Vermögensgrenze bei 25 Millionen Euro ansetzt. "Populismus in Deutschland muss ein links umverteilendes Element haben", kommentierte Schimmelbusch.
Man müsse den Leuten offenbar mit unsinnigen Sätzen aus der Seele sprechen, sagte der Autor und berief sich auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Sein Victor nutzt aber auch "kulturelle Anleihen folkloristischer Färbung". Der Tropen Verlag nutzt sie für sein Cover, das einen romantischen Waldhorizont von Caspar David Friedrich zeigt. Verleger Tom Kraushaar glaubt trotzdem: "Wir haben Missverständnisse vermieden und einen Populismus in fortschrittlicher Form vorgestellt." Victors innere Leere prädestiniere ihn zum idealen Populisten.
Schimmelbusch glaubt, die Globalisierungsfolgen und die Flüchtlingskrise forderten andere Parteien als die Volksparteien. Hat er selbst ein Manifest in der Schublade wie sein Protagonist? Ist Victor ein Strohmann? Auf Fragen nach autobiographischen Verquickungen aus seiner Zeit als Investmentbanker ließ er sich gar nicht erst ein. Der Autor, der in New York und im Frankfurter Westend aufgewachsen ist und in Washington Germanistik und Volkswirtschaft studiert hat, blieb "ergebnisoffen" - links und rechts inbegriffen. Denn ein neues Parteiprogramm müsse auf 35 Prozent kommen.
CLAUDIA SCHÜLKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alexander Schimmelbusch spricht über seinen Roman "Hochdeutschland"
Shir Khan nahm ein böses Ende. Doch der Tiger aus dem "Dschungelbuch" brüllt jetzt im Triebwerk eines Porsche im Hochtaunus. Dort nämlich hat sich "Hochdeutschland" im gleichnamigen Roman von Alexander Schimmelbusch angesiedelt. Mit Label-Dropping beginnt das Buch, und vom Marken-Dropping lebt es. Denn seine Protagonisten identifizieren sich unter anderem über eine tausend Euro teure Hautcrème, zu deren Herstellung Debussys "La Mer" eingespielt wird.
Das musste Sandra Kegel ausdrücklich zur Kenntnis nehmen, als sie bei der jüngsten "Frankfurter Premiere" des Kulturamts glaubte, sich verhört oder verlesen zu haben. In der Historischen Villa Metzler, die die Bankiersfamilie Metzler im 19. Jahrhundert erworben hatte, sprach die Literaturredakteurin dieser Zeitung mit dem Verfasser über den Lebensstil der Frankfurter High Society und über den "großen Manipulator" im Buch, der Deutschland links- und rechtspopulistisch zugleich retten will.
Victor heißt er, der Sieger. Er ist Vater einer achtjährigen Victoria, logiert im 32. Stock eines Bankenturms und schaltet von dort über Touchscreen die Lampen in seiner Villa in Falkenstein ein und aus. Auf seinem Konto ruhen mehr als hundert Millionen Euro. Denn Victor ist Investmentbanker und mit 39 Jahren schon fast im Rentenalter der Branche. Schimmelbusch kennt sich aus. Der 43 Jahre alte Autor war in London auch einmal Investmentbanker.
Hat ihn der gleiche Ennui gepackt wie Victor? Der ist nämlich "unzufrieden". Er will nicht nur ein Mann der Zahlen sein, sondern seinen Namen in der Zeitung lesen. Nachdem er einen fiktiven Bundesfinanzminister entsprechend beschwatzt hat, gerät er in einen spontanen Kreativschub. Für einen Bundestagsabgeordneten verfasst er ein Parteiprogramm, das die oberste Vermögensgrenze bei 25 Millionen Euro ansetzt. "Populismus in Deutschland muss ein links umverteilendes Element haben", kommentierte Schimmelbusch.
Man müsse den Leuten offenbar mit unsinnigen Sätzen aus der Seele sprechen, sagte der Autor und berief sich auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Sein Victor nutzt aber auch "kulturelle Anleihen folkloristischer Färbung". Der Tropen Verlag nutzt sie für sein Cover, das einen romantischen Waldhorizont von Caspar David Friedrich zeigt. Verleger Tom Kraushaar glaubt trotzdem: "Wir haben Missverständnisse vermieden und einen Populismus in fortschrittlicher Form vorgestellt." Victors innere Leere prädestiniere ihn zum idealen Populisten.
Schimmelbusch glaubt, die Globalisierungsfolgen und die Flüchtlingskrise forderten andere Parteien als die Volksparteien. Hat er selbst ein Manifest in der Schublade wie sein Protagonist? Ist Victor ein Strohmann? Auf Fragen nach autobiographischen Verquickungen aus seiner Zeit als Investmentbanker ließ er sich gar nicht erst ein. Der Autor, der in New York und im Frankfurter Westend aufgewachsen ist und in Washington Germanistik und Volkswirtschaft studiert hat, blieb "ergebnisoffen" - links und rechts inbegriffen. Denn ein neues Parteiprogramm müsse auf 35 Prozent kommen.
CLAUDIA SCHÜLKE
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Tomasz Kurianowicz ist angetan von Alexander Schimmelbuschs Vision eines zynisches Arschlochs aus der Investment-Branche, das sich zum Weltverbesserer mausert. Wie kenntnisreich der Autor die Realität des Arschlochkapitalismus' zeichnet, imponiert ihm. Mehr dystopischer Essay als Roman, besticht das Buch für den Rezensenten aber auch mit einer veritablen Populismus-Satire, wenn es linke Polemik und Reformversuche mit plumper Islamkritik mixt. Eine pointenreiches Panorama unserer Moderne, das den Rezensenten schmunzeln und sich gruseln lässt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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«Hochdeutschland» ist ein brillanter Roman, der von einer tatsächlich bedenkenswerten Fragestellung ausgeht: Warum die Finanzkrise nicht dazu geführt hat, dass die Einkommensverteilung weithin in Frage gestellt wurde. Zugleich aber denkt er die Wirkung sich daraus ergebender Ideen durchaus zu Ende. Es ist Literatur, die zur Gegenwart etwas sagen will, aber diese Gegenwart nicht einfach nachstellt. Spiegel Online