Trost in schweren Zeiten
Ich kann mir richtig vorstellen, wie der Autor gebeten wird, mal was Positives zu schreiben. Das gelingt, auch wenn er zunächst mit Kolumbien anfängt, wo er sich kaum aus dem Hotel traut. Aber die einheimischen Müllsammler haben trotzdem Hoffnung und setzen Kinder in die
Welt. Andere produzieren wegen des enormen Gewinns Drogen. In allem Leid ist es hier nach dem…mehrTrost in schweren Zeiten
Ich kann mir richtig vorstellen, wie der Autor gebeten wird, mal was Positives zu schreiben. Das gelingt, auch wenn er zunächst mit Kolumbien anfängt, wo er sich kaum aus dem Hotel traut. Aber die einheimischen Müllsammler haben trotzdem Hoffnung und setzen Kinder in die Welt. Andere produzieren wegen des enormen Gewinns Drogen. In allem Leid ist es hier nach dem Waffenstillstand immerhin besser als erwartet. Erst dann folgt eine Definition.
Hoffnung ist Religion, „Opium fürs Volk“ (37), andererseits „Hoffnung bedeutet immer auch Unsicherheit“ (37). Dann wird es juristisch: „Du hast kein Recht auf irgendwas“ (38), andererseits „Menschen sind die einzigen Tiere, die Rechte innerhalb der Gruppe auf alle Mitglieder [..] ausgedehnt haben“ (38).
Auch Rechte sind zeitabhängig. Wenn Blom Schülerinnen fragt, ob sie gegen Russland in den Krieg ziehen würde, es herrscht entsetztes Schweigen. Die Urgroßeltern sind noch begeistert in den 1. Weltkrieg gezogen.
Blom wird sehr persönlich. Er erzählt von seinem Freund Jon, der die Lust am Leben verliert und einen Tumor nicht behandeln lässt, was ihn wütend macht. Zusätzlich berichtet er von einem Chief „( früher hätte man gesagt: der Häuptling)“ der Ureinwohner „( früher hätte man gesagt: Indianern)“ (beides 53), der seine Erinnerungen aufgeschrieben hat, um seinem Volk Hoffnung zu geben, ähnlich funktioniert die Bibel. Ähnlich wie die Träume der Indianer geplatzt sind, folgt: „Der Siegeszug der liberalen Demokratien ist zusammengebrochen. [...]Marktes und einer rechtsbasierten Ordnung sind, hat sich als Illusion erwiesen.“ (63)
In der Büchse der Pandora bleibt die Hoffnung auf dem Boden liegen. Aus Pandora wird Prometheus, gedichtet von Goethe. Aus Goethe wird Nawalny. Und wieder theologische Gemeinheiten: „Paulus, der eigentliche Erfinder des Christentums“ (74) hätte die Hoffnung auf das Jenseits verlegt. Aber Religion gibt auch Sinn. „Dieser Sinn kommt in Form von Geschichten […] Diese Geschichten verbinden uns mit einer gemeinsamen Erinnerung und einer möglichen Zukunft“ (84). Doch der Mensch der Moderne leidet: „Unsere Sehnsucht nach Sinn hat kein Objekt, deswegen schaffen wir dauernd Ersatz für das fehlende Zentrum. (88)
Utrecht muss ein neues Zentrum am Bahnhof haben. Dort schnorren Bettler mit Geschichten. Und dann erzählt er von der Landkarte, die genau die Größe des Landes hat, also zu gut ist. „Woher weiß ich, dass es die Antarktis gibt?“ (108) ist eine berechtigte Frage. Letztlich muss ich daran Glauben, aber Bildung kann den Glauben klüger machen. (109) Er verweist auf David Hume: „Wir glauben alles Mögliche, das wir nicht überprüfen [..] können, und wenn wir [..] darüber nachdenken […], kommen wir bald zum Schluss, dass […] unsere Überzeugungen über die Welt [...] nur ein Resultat von Erfahrung sind, von Gewohnheit, von den Überzeugungen und Haltungen, mit denen wir aufwachsen.“ (112)
Auf Seite 139 will er Boden gut machen. Er vergleicht das Tempo der Veränderung mit „Schach in drei oder vier Dimensionen“. Und er zitiert Böckenförde: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“
Neben dem Wirklichkeitssinn sollte es auch einen Möglichkeitssinn geben. (161)
Lange Zusammenfassung, kurzes Urteil. Ich habe das Buch bis auf die Religionsbeschimpfungen wie „vermeiden wir das Missverständnis, dass das Leben in Gesellschaften mit starker Transzendenz besser sei“ (175) gern gelesen. Man kann auch die Religion mit Vernunft durchdenken, Theologie nennt man das. 4 Sterne